Mit der Beschreibung “Eine besonders zärtlich ausgeformte Handvoll Deutschland” umriss der Dichter Eduard Mörike den im Nordosten Baden-Württembergs gelegenen Landkreis Hohenlohe. Die Flusstäler der Tauber, Jagst und des Kochers mit ihren zahlreichen Burgen und Schlössern, Weinhängen, Obststreuwiesen und Wäldern verleihen dieser alten Kulturlandschaft ihren besonderen Liebreiz. Im Mittleren Jagsttal, welches ausgezeichnetes FFH-Gebiet ist und zudem zahlreiche Natur- und Landschaftsschutzgebiete aufzuweisen hat, findet man die Gemeinden Dörzbach, Krautheim und Mulfingen.
Bis vor ein paar Jahren schien auch hier die Welt noch in Ordnung zu sein; inzwischen jedoch wurde das ländlich geprägte Tal zum „Windtollwut gefährdeten Bezirk” erklärt. Im Hohenlohekreis könnten sich in absehbarer Zeit an bisher zwei ausgewiesenen Standorten 15 neue Windräder drehen. Krautheim ist einer davon und hat die Gemeindewälder der Teilortschaften Neunstetten und Klepsau dazu ausgewählt. Das benachbarte Dörzbach möchte nun weitere Standorte ausweisen, welche an der Gemeindegrenze zu Mulfingen liegen und Raum für vermutlich zusätzliche acht bis zwölf Großwindanlagen schaffen soll. Im Zuge der Ökostromwelle kann es den Dörzbachern und Krautheimern, welche mit Mulfingen einen Gemeindeverwaltungsverband bilden, offenbar gar nicht schnell genug gehen, ihr wunderschönes Tal mit seinen zahlreichen Nebentälern zum Industriegebiet werden zu lassen.
Aber nicht alle Ansässigen wollen dies hinnehmen: Im Sommer 2013 schlossen sich bürgerschaftlich engagierte, vernünftige Menschen zusammen und gründeten die Bürgerinitiative „Windkraft Mittleres Jagsttal e.V.”, die es sich seitdem zum Ziel gesetzt hat, die regionale und örtliche Bevölkerung über die großen Gefahren der Windkraft aufzuklären. Da die Anlagen lediglich mit einem Abstand von 700 Metern zu den Ortskernen sowie 500 Metern zu den Aussiedlerhöfen errichtet werden sollen, setzt sich die Initiative vehement für die 10H-Regelung ein.
Im Zuge dieser Aufklärungsarbeit beteiligte sich die motivierte Bürgerinitiative am 14. Februar 2015 an dem seit mehr als 400 Jahren stattfindenden Dörzbacher Frühjahrspferdemarkt – dem Nationalfeiertag der Dörzbacher – dessen Höhepunkt ein prächtiger Festumzug charakterisiert.
Angeführt durch einen von zwei Pferden gezogenen historischen Leichenwagen marschierte eine schwarz gekleidete Trauergemeinde unter dem Motto „Wacht auf! Wehrt Euch! Sonst trauern wir um…” auf, und beklagte unter anderem den Verlust von Natur, Kulturlandschaft, Gesundheit, Gemeinwohl, Vermögen und Lebensqualität.
Unterstützt wurde „Windkraft Mittleres Jagttal e.V.” dabei von den verbündeten Bürgerinitiativen „Gegenwind Sindelbachtal”, „Keine Windkraft im Boxberger Wald”, „Schutzgemeinschaft Harthäuser Wald e.V.”, „Rettet den Klosterwald”, „Windwahn Bad Mergentheim/Althausen” sowie der „BI Bodenhof”, die es sich auch nicht hatten nehmen lassen, auf gravierende politische Missstände hinzuweisen und die Einhaltung der 10 H‑Regelung zu fordern. Weit mehr als hundert Personen demonstrierten an diesem Samstag kämpferische Einheit und verliehen der Vernunft sichtbare Kraft, die hoffentlich viele Schaulustige aus Nah und Fern zum Nachdenken anregte.