Bären im Siegerland

Windener­gie­an­la­gen haben bekann­ter­ma­ßen erheb­li­che Auswir­kun­gen auf die Tierwelt. Insbe­son­dere ihre Errich­tung im Wald führt regel­mä­ßig zu ökolo­gi­schen Katastro­phen, wie u.a. die deutsche Wildtier­stif­tung regel­mä­ßig betont und wie es im aktuel­len Standard­werk des Diplom-Biolo­gen Dr. Wolfgang Epple ausführ­lich und wissen­schaft­lich belegt darge­stellt ist (siehe hier).

Vor diesem allge­mei­nen Hinter­grund erreicht uns am 8. März 2018 aus dem Sieger­land die Kunde von einem avifau­nis­tisch erstaun­li­chen Fall, der sich im Zusam­men­hang mit einer in jenen Tagen illegal errich­te­ten WEA zugetra­gen hat. Die VERNUNFTKRAFT. – Mitglie­der Chris­tel Hussing und Dr. Julia Uwira berichten:

     
  

Eindrucks­vol­les Natur­schau­spiel im Siegen-Wittgen­stei­ner Wald: Der Bär ist zurück!

Nach der Rückkehr von Luchs und Wolf konnten an den letzten beiden vergan­ge­nen Tagen (05. und 06.03.18) Natur­schüt­zer Augen­zeuge eines eindrucks­vol­len Natur­schau­spiels werden und den ersten Bären in unseren heimi­schen Wäldern sichten.

Um welchen Bären handelt es sich? Nun, um denje­ni­gen, der den Natur­schüt­zern im Wald an der Windpark­bau­stelle Knippen von dem Projek­tie­rer und dem Anlagen­lie­fe­ran­ten aufge­bun­den wurde.

Nachdem an den am Boden liegen­den Rotor­flä­chen Wildschwein­spu­ren entdeckt wurden, wussten sich die beiden keinen anderen Rat, als die Rotoren vor den gefähr­li­chen Waldtie­ren durch Abtrans­port und Montage an einem der ferti­gen Türme durch den auf der Baustelle prakti­scher­weise noch verfüg­ba­ren Kran in lufti­ger Höhe zu sichern. Was andern­orts wohl als Fertig­stel­lung eines Windra­des bezeich­net wird, wird hier als schnöde Siche­rungs­maß­nahme verkauft. Und dies, obwohl sowohl das OVG NRW mit unanfecht­ba­rem Urteil vom 26.02.18 als auch das VG Arnsberg mit Urteil vom 06.03.18 einen Baustopp verfügt hatte und die Kreis­ver­wal­tung Siegen-Wittgen­stein den Weiter­bau am 05.03.18 durch ihre Mitar­bei­ter vor Ort ebenfalls unter­sagte. Die heftigs­ten Bauar­bei­ten wurden gestern nach 16 Uhr durch­ge­führt: ein „Narr“, wer hier Absicht vermutet.

Was sind Gerichts­ur­teile in Deutsch­land noch wert, wenn sie so massiv missach­tet werden? Statt „Wollen Sie mich veräp­peln?“ macht in dieser einma­li­gen Landschaft die Aussage „Keines­wegs, wir vernord­ech­sen Sie nur!“ schon als geflü­gel­tes Wort die Runde.

Chris­tel Hussing und Dr. Julia Uwira 

Vorstands­mit­glie­der im „Bündnis Energie­wende für Mensch und Natur e.V.

  
     

Es ist den beiden Damen anzurech­nen, dass sie trotz der nervli­chen Strapa­zen ihren Humor nicht verlo­ren haben. Lässt man den Spaß beiseite, so ist der Sachver­halt folgen­der­ma­ßen zu schildern:

In einem arten­schutz- und natur­schutz­fach­lich sensi­blen Gebiet in wunder­schö­ner Landschaft im Grenz­ge­biet zwischen Rhein­land-Pfalz und Nordrhein-Westfa­len wurde durch den Kreis Siegen-Wittgen­stein 2015 der Bau von Windener­gie­an­la­gen genehmigt. 

Gegen diese immis­si­ons­schutz­recht­li­che Geneh­mi­gung legte ein unmit­tel­bar in der Nähe wohnen­der Anwoh­ner vor dem Oberver­wal­tungs­ge­richt NRW Beschwerde ein. Dieses hob mit Beschluss vom 26.02.18 die zuvor vom VG Arnsberg erteilte Geneh­mi­gung zur Errich­tung der drei Nordex-Windkraft­an­la­gen auf und stellte die aufschie­bende Wirkung gegen die Geneh­mi­gung wieder her.

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Nach Bekannt­wer­den des letzten OVG-Urteils ruhten die Bauar­bei­ten für einige Tage. Was dann geschah, gleicht einem Krimi:

Nachdem zwischen­zeit­lich sogar der aufge­baute Kran teilweise wegen Wetter­ka­prio­len wieder zerlegt werden musste, nahmen die Bauar­bei­ten ab dem 05.03.18 wieder Fahrt auf. Gleich­zei­tig rief der Betrei­ber des Windparks, die Windpark Knippen GmbH, das VG Arnsberg erneut an, um die aufschie­bende Wirkung des OVG wieder auszu­set­zen. Mit Urteil vom 06.03.18 entschied das Verwal­tungs­ge­richt ebenfalls, dass das Urteil des OVG nicht abgeän­dert wird und der Baustopp bestehen bleibt. Obwohl dies alles den Verant­wort­li­chen des Betrei­bers und des Herstel­lers der WKA bekannt war, wurden noch die Nabe und die drei Rotor­blät­ter bis in die Nacht des 06.03.18 hinein montiert – wohl in der Hoffnung, dass die Kreis­ver­wal­tung dann bereits Dienst­schluss hätte. 

Der Rechts­an­walt des Klägers forderte das VG Arnsberg am 07.03.18 auf, die Kreis­ver­wal­tung anzuhal­ten, „die geeig­ne­ten Maßnah­men zu treffen, um die Umset­zung der Entschei­dun­gen des Oberver­wal­tungs­ge­rich­tes für das Land Nordrhein-Westfa­len vom 26. Februar 2018 sowie der Kammer vom 6. März 2018 zu gewähr­leis­ten.“

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Erst danach entschloss sich die Kreis­ver­wal­tung Siegen-Wittgen­stein, am Nachmit­tag des 07.03.18 und nach über zweitä­gi­gem ständi­gen Weiter­bau, mit den Versie­ge­lun­gen der Türme zu begin­nen. Sie ließ die Bauar­bei­ter weiter­hin gewäh­ren und wartete gedul­dig ab, bis auch die letzten Höhen­klet­te­rer den Turm der fertig­ge­stell­ten Windkraft­an­lage verlas­sen hatten.

Die Natur­schutz­in­itia­tive erstatte Anzeige.

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Ein erster Rotmi­lan begrüßte die illegal fertig­mon­tierte Anlage. 

Foto: Gerhard Mago.

Nach vorlie­gen­den Gutach­ten ist der Knippen übrigens nicht das Revier eines Rotmi­lans – nur Anwoh­ner sehen ihn dort und in der Umgebung in den entspre­chen­den Monaten fast täglich.

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Dieser Fall wirft ein Schlag­licht auf die im ganzen Bundes­ge­biet immer wieder zu beobach­ten­den semi-legalen und illega­len Prakti­ken, die dem subven­tio­nier­ten Windener­gie­aus­bau system­im­ma­nent sind.

Offen­sicht­lich ist die Kommu­nal­ver­wal­tung in diesem Fall mit der Gewähr­leis­tung von Recht und Ordnung überfordert.

Hoffnungs­los überfor­dert sind übrigens auch die hier illegal und andern­orts legal fertig­ge­stell­ten Anlagen; nämlich mit der ihnen politisch verord­ne­ten Rolle als zentrale Bausteine einer “Energie­wende”: 

Anhand der roten Linie in der Abbil­dung ist zu erken­nen, wie die Windener­gie über die letzten Jahre massiv ausge­baut wurde. Mittler­weile stehen über 30.000 Anlagen im Land verteilt, die instal­lierte Kapazi­tät (Nennleis­tung) wurde damit stetig erhöht auf aktuell rund 55.000 Megawatt. Die tatsäch­li­che Strom­erzeu­gung (Arbeit) hat jedoch – die Wetter- und damit Zufalls­ab­hän­gig­keit bedingt es – keines­wegs annähernd Schritt gehal­ten, wie das dunkel­blau darge­stellte Einspei­se­pro­fil aller deutschen Windener­gie­an­la­gen (“Lastgang­li­nie”) offenbart.

Der Zubau hat zwar die Spitzen etwas erhöht, füllt aber nicht die Täler. Der Total­aus­fall kommt immer wieder vor und geringe Einspei­sun­gen sind die Regel. Die mittlere Auslas­tung belief sich in 2017 auf 22,5 Prozent der instal­lier­ten Leistung.

Immer wieder zu hörende und lesende Aussa­gen, wonach ein “Windpark” sound­so­viele Haushalte versor­gen könne, sind daher nichts als dumm-dreiste Lügen (aktuel­les Beispiel: hier). Versor­gen, d.h. bedarfs­ge­recht und zuver­läs­sig belie­fern, kann der ganze riesige gesamt­deut­sche Windpark keinen einzi­gen Haushalt.

Das diesen physi­ka­lisch-techni­schen Parame­tern geschul­dete Unver­mö­gen der Windener­gie, sinnvoll zu einer “Energie­wende” beizu­tra­gen, manifes­tiert sich in der gerin­gen Rolle, die diese 30.000 Anlagen – allen Jubel­mel­dun­gen zum Hohn – für die Energie­be­reit­stel­lung spielen: 

Vor einiger Zeit wurden die als politisch heils­brin­ged gesehe­nen und als “Lastesel” bezeich­ne­ten Anlagen daher auch als Faultiere klassi­fi­ziert. Mit diesen weisen, was Taten­drang und Quirlig­keit betrifft, die im Siegen-Wittgen­stei­ner Wald gesich­te­ten Bären starke Ähnlich­kei­ten auf:

Wollte man seman­tisch in der Tierwelt bleiben, so wäre (ggf. mit John Irving) zu fordern

Lasst die Bären laufen! 

 – was der real-existie­ren­den Tierwelt sehr zugute käme, die Nerven unserer Mitstrei­te­rin­nen beruhigte und einer vernünf­ti­gen Energie­po­li­tik entspräche. 

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