Am 29. November 2017 berichtet die Bundesnetzagentur vergleichsweise beiläufig von einer weitreichenden Entscheidung: Sie habe ihren „Ermessenspielraum“ genutzt und kurzerhand die gesetzlich festgeschriebenen Vergütungssätze für Zappelstrom um 26 Prozent erhöht.
Diese Entscheidung geht eindeutig zu Lasten aller Stromverbraucher sowie – für Kenner der Zusammenhänge ist dies offensichtlich – zu Lasten von Versorgungssicherheit, Natur und Lebensqualität.
Der Adventszuschlag für die Windkraftindustrie untergräbt damit den Willen des Gesetzgebers, der im Rahmen der letzten „EEG-Reform“ explizit eine Kostendämpfung erreichen und beim Ausbau der „Erneuerbaren Energien“ wettbewerbliche Elemente zum Tragen bringen wollte. Dieses zögerlich umgesetzte Ansinnen der letzten Bundesregierung durch die nachgeordnete Behörde des Wirtschaftsministeriums nun auf den Kopf gestellt. Die BNetzA gibt dabei ganz offen zu, dass ihre Entscheidung auf Intervention des Bundesverbands Windenergie erfolgte.
Aus unserer Sicht ist dies ein Kniefall vor einer nimmersatten Lobby. Verantwortlich für die gymnastische Übung ist Jochen Homann, der sich bisher in wohlverstandenem Amtsinteresse darum sorgte, dass der Zappelstrom immer häufiger gegen Gebühr entsorgt werden muss.
Nun gilt seine öffentlich bekanntgegebene Sorge der Windkraftbranche: Der Ausbau drohe abzubrechen.
Die nach Vermessen des Herrn Homann getroffene Entscheidung wird über 20 Jahre hinweg finanzielle Verpflichtungen implizieren. Dass eine so gravierende Maßnahme ohne parlamentarische Beratungen und ohne Parlamentsbeschluss ergriffen werden kann, mag sich, wie die BNetzA darlegt, aus § 85 EEG begründen. Aus demokratiehygenischer Sicht bleibt es höchst fragwürdig. Offensichtlich hat die Windkraftlobby die Phase unklarer politischer Verantwortlichkeit für sich genutzt.
VERNUNFTKRAFT. appelliert an alle Abgeordneten des 19. Bundestages, ihre Kontrollfunktion wahrzunehmen.
Die Regelungen im Detail:
In den letzten zwei Monaten des Jahres 2016 kam es zu einem Boom an Genehmigungen für Windkraftprojekte, sodass noch möglichst viele Investoren in den Genuss der EEG-Festvergütungen kommen konnten.
Seit 2017 gilt nun das Ausschreibungsverfahren. Für die ersten drei Ausschreibungsrunden wurde der Höchstwert für die abzugebenden Gebote auf 7,00 Cent / kWh festgesetzt. Danach errechnet sich der Höchstwert dann aus dem Durchschnitt des jeweils höchsten noch bezugschlagten Gebots der drei vorangegangenen Ausschreibungsrunden zuzüglich 8%. Dies wären für die 1. Ausschreibungsrunde 2018 somit:
((5,78 + 4,28 + 3,82)/3) * 1,08 = 5,00 Cent / kWh
In einem inflationsfreien Nullzins-Umfeld ist der Zuschlag von 8% sehr stattlich.
Der Windkraftloby war dies jedoch noch nicht genug und sie wurde von der BNetzA erhört. Die Behörde hat den Höchstwert für Gebote der 1. Ausschreibungsrunde 2018 nun auf 6,30 Cent/ kWh festgesetzt – ein Plus von + 26% gegenüber dem rechnerischen Wert. Begründet wird diese Entscheidung mit der Befürchtung, dass es sonst zu einer Unterbrechung des kontinuierlichen Ausbaus der Windenergie kommen könnte. Die Windkraftindustrie hat also nicht nur eine Abnahme- und Preisgarantie für 20 Jahre, sondern auch eine staatliche Wachstumsgarantie. Laut EEG möchte der Gesetzgeber den Ausbau der Windkraft an Land auf 2.800 MW/Jahr begrenzen (Ausbaupfad). Von November 2016 bis Oktober 2017 wurden jedoch 5.500 MW zugebaut, also die doppelte Menge. Von einer Unterbrechung des Ausbaus der Windkraft kann also keine Rede sein.
Angesichts des merkwürdigen Verhaltens der BNetzA, die bis dato tendenziell für energiewirtschaftlich rationale Positionen bekannt war, sowie des energiewirtschaftlichen Nutzens des bisherigen (und künftigen) Windenergieausbaus lässt sich der Vorgang auch zoologisch zusammenfassen:
Chamäleon kapituliert vor Faultieren.