Windräder – warum sie Vögel töten und man nur zufällig die Opfer findet
Dr. Friedrich Buer
Windräder sollen massenhaft Vögel erschlagen? Wie soll das gehen? Die sehen doch hübsch aus, so mit ihren roten Streifen und drehen sich so friedlich und langsam.
Aber nur aus der Ferne. Aus der Nähe sehen wir Industrie-Giganten, mitten in der schönsten Landschaft. Turmspitzen und Rotoren verlieren sich in über 200 Meter Höhe, 50 Meter höher als der Kölner Dom. Und die Flügelspitzen rasen mit bis zu 400 km/h durch die Luft. Es ist wie beim Jumbojet hoch am Himmel. Er scheint klein wie ein Spielzeug und bewegt sich kaum. Dabei ist er riesengroß und 800 km/h schnell. Und wehe dem, der in so einen Häcksler gerät. Jeder Flügel ist schwer wie ein LKW. Ist einer vorbei, kommt schon der nächste und nächste. Das ist der wahre Kampf gegen Windmühlenflügel. Den verliert jeder Vogel und jede Fledermaus.
Das wissen auch die Investoren und Betreiber und die Genehmigungsbehörden wissen es auch. Nur einen winzigen Ausschnitt der Folgen zeigen diese vier erschütternden Fotodokumente. Einfach wegsehen wie bisher macht die Sache nur noch schlimmer. Mit Naturschutz hat das nichts mehr zu tun.
Zerhackt jemand einen Storch, kommt er vor Gericht. Genehmigt eine Behörde Windräder, von denen sie weiß, dass sie Störche zerhacken, kommt sie nicht vor Gericht und die Investoren und Betreiber auch nicht. Hier wird mit zweierlei Maß zu Gunsten von Geschäftemachern und zu Lasten der Natur gemessen.
Und was ist bei den Spitzenfunktionären der Naturschutzverbände los? Warum keine Empörung über das Massaker? Nur zwei Vögel pro Windrad und Jahr kämen um. Bei 25.000 Windrädern sind das schon 50.000, also kein Problem? Und warum wirbt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger gemeinsam mit dem Bundesverband Windenergie e.V. für Windräder, obwohl er weiß, dass sie massenhaft Vögel und Fledermäuse erschlagen? Er meint, im Straßenverkehr kämen ja noch mehr Vögel um. Doch so könnten sich auch die kriminellen Vogelfänger Europas vor Gericht herausreden: Im Straßenverkehr kommen ja noch mehr Vögel um. Kürzlich hörte ich gar von einem ehemaligen BUND-Funktionär: Wir bauen unsere Windräder nur da, wo es keine Vögel gibt.
Übrigens machen auch die Kirchen bei dem Geschäft mit den Windrädern mit. „Bewahrung der Schöpfung“ ist das ganz sicher nicht.
Tote Vögel auch wenn die Rotoren still stehen. Warum? Seit dem Urvogel Archaeopterix mussten Vögel nie mit Balken in der Luft rechnen, jedenfalls nicht in 200 Meter Höhe und tun es deshalb auch heute nicht. Also knallen sie dagegen. Einen „Scheucheffekt“ gibt es nicht. Dieses Braunkehlchen ist auch wieder nur ein Beispiel von vielen.
Die Rotoren sind viel größer als man denkt. Das wird deutlich, wenn sie wie hier in einen Stadtplan eingeblendet werden.
Sie überstreichen eine riesige Fläche, in diesem Fall rund fünf Hektar oder etwa sieben Fußballfelder. Für Vögel und Fledermäuse sind Windräder riesige, senkrecht stehende tödliche Sperrzonen. Tatsächlich sind diese Sperrzonen noch größer als die von den Rotoren überstrichenen Kreisflächen. Grund sind die heftigen Turbulenzen und Druckschwankungen an den Rotorblättern, vor allen den Spitzen.
Dieses Schild an den Bahnsteigen zeigt, was sogar vergleichsweise schwer gewichtigen Menschen droht, die zu dicht an der Kante stehen: Sie werden vom Sog an den Zug gezogen. Dagegen sind Vögel und Fledermäuse federleicht und die Rotorblätter sind nicht langsam wie der einfahrende Zug. Sie rasen mit 100 bis 400 km/h vorbei und entsprechend brutal sind Sog und Turbulenzen. Schon ohne dass die Vögel die Rotorblätter berühren, zerreißt es ihnen die Lungen und sie fallen ohne äußere Verletzungen tot zu Boden. Den Fledermäusen können sogar die Fettzellen zerplatzen. Barotraumata heißen solche Verletzungen durch Druckschwankungen. Einige Ältere erinnern sich noch mit Schrecken an die Luftminen im zweiten Weltkrieg. Die von den Explosionen ausgelösten Luftdruckschwankungen zerrissen den Menschen die Lungen, obwohl sie im Bunker saßen.
Doch warum findet man so selten die Opfer der Windräder?
Die Gründe sind offensichtlich.
Je nachdem, wo sie mit dem Flügel kollidieren, fliegen sie mit der jeweiligen Radialgeschwindigkeit nach rechts, nach links, nach oben oder nach unten. Und je nach Windrichtung und Windstärke verteilt das Windrad seine Opfer auf eine hektargroße Kreisfläche. Große Vögel sind eher zu finden, kleine höchstens zufällig, von Fledermäusen bleibt fast nichts übrig. Bei Bewuchs um das Windrad, was meist der Fall ist, im Wald oder gar im Meer wird die Suche praktisch aussichtslos.
Die Windradopfer haben viele Liebhaber, die nur auf die nächste „Fütterung“ warten. Deshalb „verschwinden“ die Opfer sehr schnell. Auch das ist in Fachkreisen bekannt. Naturfreunde kennen das von den Turmfalken, die aus dem Umland angelockt werden und auf dem Gebüsch am Straßenrand auf die Opfer der Autos warten.
Diese Grafik zeigt nur einige Beispiele der Interessenten für Windradopfer, links die am Tage aktiv sind und rechts die nächtlichen Interessenten. Gemeinsam wirken sie schnell und gründlich. Schon vor Jahren berichtete der Präsident des Landesumweltamtes Brandenburg, Prof. Dr. Matthias Freude, von toten Eintagsküken, die er um Windräder auslegen und teilweise sogar verstecken ließ, dass sie am nächsten Morgen fast alle „verschwunden“ waren. Jäger im Mecklenburg-Pommern meinen sogar, es gäbe dort immer mehr Füchse, weil die Windräder sie füttern.
Trotzdem gibt es sie, die Zufallsfunde und eigentlich sollen sie der seit 1990 eingerichteten zentralen Erfassungstelle bei der Vogelwarte Brandenburg gemeldet werden. Doch das geschieht selten, denn wer weiß das schon. Selbst einem langgedienten BUND-Funktionär, den ich fragte, war das unbekannt. Dabei ist die Liste der Zufallsfunde inzwischen erschreckend lang. Die erste Grafik nennt 83 Arten, von Alpensegler bis Zwergohreule. Die meisten sind tagaktiv. Der Rotmilan steht mit 55 % an der Spitze der Zufallsfunde. Selbst so gewandte und rasante Flieger wie die Mauersegler erwischen die Rotoren.
Die zweite Grafik nennt die meist nachtaktiven Fledermäuse. Es sind fast alle Arten betroffen. Die Opfer unter den oft nächtlich ziehenden Zugvögeln darf man auch nicht vergessen.
Die wahren Opferzahlen unter Vögeln und Fledermäusen kennt niemand. Das Michael Otto-Institut zählt jährlich 100.000 erschlagene Vögel. Die Dunkelziffer scheint mindestens zehnmal höher zu sein. Auf 200.000 erschlagene Fledermäuse im Jahr kommt das Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Seine Mitarbeiter finden im Durchschnitt zehn tote Fledermäuse pro Windrad, darunter Zugfledermäuse aus Osteuropa. Wir erschlagen also die Zugfledermäuse unserer Nachbarn und empören uns über die Vogelfänger Südeuropas, die unsere Zugvögel in den Kochtopf wandern lassen.
Besonders tragisch ist das Schicksal des Rotmilans. Er hat bei uns den Schwerpunkt seiner Verbreitung und verpflichtet uns deshalb zu seinem besonderen Schutz. Doch wir machen das Gegenteil und das geht so:
Der Rotmilan ist auch ein Aasfresser und daher locken ihn Windräder an und zwar auch von weit her, so wie das Licht die Motten. Warum? Weil er Nahrung sucht und die liefern ihm die Windräder. Es ist wie bei den schon erwähnten Turmfalken. Warum sollte der Rotmilan unter Windrädern suchend herumfliegen, wenn dort nichts zu finden wäre? Deshalb ist der Rotmilan ein unbestechlicher Bioindikator für das Sterben an den Windrädern. Er verkauft keine Windräder, verdient weder Geld mit Planungen oder Gutachten, auch nicht mit Krediten oder Pachten. Er schielt nicht nach Posten und Pfründen und hat mit Politik nichts zu tun. Er ist unbestechlich. Sein Preis aber ist hoch: Er wird selbst erschlagen.
„Windenergieanlagen“ sind also Anlagen zur Ausrottung des Rotmilans.
Dr. Friedrich Buer, Neustadt an der Aisch, August 2014
Die Märkische Allgemeine lieferte im August 2015 traurige Evidenz aus der Prignitz:
Im Dezember 2015 widmete die Zeitschrift Nationalpark dem Thema einen Grundsatzartikel:
Die Zeitschrift berichtet seit 1974 viermal jährlich über die Entwicklung deutscher Nationalparke, großer Schutzgebiete und aus dem Naturschutz.
Ende Juni 2016 wurde die bislang größte und aufwändigste Feldstudie zu den Tötungsrisiken für Greifvögel durch Windkraftanlagen veröffentlicht.
Mit Fördermitteln des Bundeswirtschaftsministeriums hatte sich die “PROGRESS”-Studie, eine systematische Freilandanalyse, über drei Jahre hinweg in mehreren norddeutschen Bundesländern repräsentative Daten zur Kollisionsrate von Vögeln mit Windenergieanlagen an Land erhalten und ausgewertet. Bereits im März des Jahres 2016 wurde in einer Vorabveröffentlichung ersichtlich, dass nicht nur dem Rotmilan, sondern auch dem Mäusebussard in Deutschland die Ausrottung droht, wenn die Windkraft-Ausbauziele nicht revidiert werden. Den Endbericht der Studie und inklusive Bewertung finden Sie hier.
Dass Windkraftanlagen Greifvögel auf Populationsebene gefährden, ist spätestens seit dieser Studie Allgemeingut.
Seitens der Windkraftindustrie und ihr nahestehender Institutionen und Personen wird dies leider systematisch verharmlost. Ebenso abstrus wie infam ist dabei der regelmäßige Hinweis, dass “im Straßenverkehr”, “an Fenstern” oder “durch Katzen” viel mehr Vögel zu Tode kämen, Windkraftanlagen also relativ harmlos sein. Diese schiefen Vergleiche sind Nebelkerzen, die den Unterschied zwischen Individuen, Populationen und Arten gänzlich ausblenden. Zwar ist jeder Spatz, der an einer (Windschutz-)scheibe oder in Katzenkrallen verendet, bemitleidenswert bzw. sind entsprechende Todesfälle nach Kräften zu vermeiden. Dass allerdings Vertreter gefährdeter Greifvogelarten durch ebendiese Ursachen zu Tode kommen, dürfte ein höchst seltenes Phänomen sein.
Im Oktober 2016 beleuchtete der WDR die Spitze des Eisbergs:
Im März 2017 warf der NDR ein Schlaglicht auf ein Folgeproblem, das bis dato kaum thematisiert worden war: Da die potentiell tödliche Wirkung von Windkraftanlagen auf die Tierwelt bekannt ist, gelten für die Errichtung dieser Anlagen artspezifische Mindestabstände zu den Brutplätzen von Vögeln, wie sie beispielsweise im Helgoländer Papier fachkundig definiert sind. Aus Sicht eines potentiellen Windkraftprofiteurs verstellt ein Horst somit die Aussicht auf eine lukrative Einnahmequelle. Die Wirkung auf das Tierwohl lässt sich an zwei Fingern abzählen: