Die politisch aktuell wohlgelittene “Denkfabrik Agora” hat sich im Jahr 2014 mit mehreren Analysen und Vorschlägen zur Energiewende-Politik hervorgetan.
So ließen die Analysten die Öffentlichkeit u.a. wissen, dass die Energiewende auch ohne Speicher (nicht) funktioniere. Ferner regte man an, den Betreibern von Windkraft- und Photovoltaikanlagen demnächst nicht nur den von diesen produzierten Zufallsstrom, sondern zusätzlich die bloße Existenz der irrationalen Sakralbauten zu vergüten.
Im Vergleich zu diesen Paradebeispielen im geschickten Verdrehen von Tatsachen hatte der Vorsitzende der Denkfabrik zuletzt deutlich nachgelassen. Anfang Dezember 2014 räumte Herr Dr. Graichen bekanntlich “schmutzige Irrtümer” der Energiewende-Politik ein und ließ ein gutes Stück Realitätssinn erkennen.
Diesen Ausrutscher haben die Denkfabrikanten am 8. Januar 2015 erfolgreich ausgebügelt. In gewohnter artistischer Brillanz vollführt die Einrichtung einen Kopfstand der Dinge.
Präsentiert wird dieser “Rückblick auf die wesentlichen Entwicklungen sowie Ausblick auf 2015” allerdings unter etwas anderem Titel. Die Ausarbeitung ist hier veröffentlicht. Im Folgenden finden Sie die dort leicht verdrehten bis vollständig auf den Kopf gestellten Tatsachen in Normalansicht:
| Kopfstand Nr.1 Erneuerbare Energien: Erneuerbare Energien haben leicht zugelegt und waren 2014 mit 25,8 Prozent Anteil an der Stromerzeugung erstmals die wichtigste Stromquelle. Somit haben sie dauerhaft die Braunkohle von Platz eins im deutschen Strommix verdrängt. Erneuerbare Energien decken inzwischen 27,3 Prozent des inländischen Stromverbrauchs.“ |
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| Normalansicht 1. Der Vergleich zwischen “Erneuerbaren Energien” und “Braunkohle” ist an sich bereits irreführend. Auf der einen Seite werden Windkraft, Wasserkraft, Photovoltaik und Biomasse gebündelt um dann willkürlich mit einer einzigen Komponente der konventionellen Energieträger verglichen zu werden. Die stolz präsentierte Zahl von 27,3 Prozent bedeutet, dass 72,7 Prozent unseres Stroms aus konventionellen Quellen stammen. Nur der Vergleich dieser beiden Größen oder der Vergleich einzelner Komponenten dieser Bündel (bspw. Windkraft vs. Braunkohle) wäre sachgerecht und sinnvoll. Ein Bündel, das für gut ein Viertel der Stromerzeugung steht, gegenüber einem Bündel, das für knapp drei Viertel steht, als “wichtigste Quelle” zu bezeichnen, ist reichlich kühn. 2. Das Wort “wichtig” wird hier seltsam interpretiert. Nach gängigem Verständnis impliziert “wichtig” eine geringe Verzichtbarkeit – das Fehlen von etwas Wichtigem stellt üblicherweise ein Problem dar. Nach diesem Verständnis des Wortes “wichtig” sind die “Eneuerbaren Energien” die unwichtigste Quelle unseres Stroms. Mit Ausnahme von Wasserkraft und Biomasse sind sie für die Gewährleistung von Versorgungssicherheit nämlich nicht nur komplett verzichtbar, sondern sogar kontraproduktiv. Wichtig, da vollkommen unverzichtbar, sind hingegen die seitens AGORA geschmähten grundlastfähigen Komponenten, die Prozent. |
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| Kopfstand Nr. 2 Stromverbrauch: Der Stromverbrauch ist 2014 um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken – dies ist der stärkste Rückgang seit 1990 mit Ausnahme des Krisenjahrs 2009. Gleichzeitig wuchs die deutsche Wirtschaft aber um etwa 1,4 Prozent. Seit 2007 ist ein deutlich fallender Verbrauchstrend zu beobachten, während Deutschlands Wirtschaftsleistung parallel zulegt. So ist seit 1990 das Bruttoinlandsprodukt um mehr als 40 Prozent gestiegen, während der Stromverbrauch nur um fünf Prozent höher liegt. |
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| Normalansicht Dieser an sich erfreuliche Trend hat mit der “Energiewende”-Politik allenfalls mittelbar etwas zu tun. Hohe Strompreise, wie sie der subventionierte Ausbau von Stromerzeugungskapazitäten bewirkt, induzieren natürlich Anstrengungen zur Senkung des Verbrauchs. Diese Anstrengungen könnten natürlich viel effizienter gefördert werden. Im Übrigen ist der reduzierte Verbrauch nicht nur Ergebnis technischen Fortschritts und effizienteren Energieeinsatzes, sondern bedeutet für viele Menschen auch handfeste Einschränkungen. |
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| Kopfstand Nr. 3 Konventionelle Energieträger: Die Verstromung von Kohle hat 2014 aufgrund des gesunkenen Stromverbrauchs und der gestiegenen Erneuerbaren Energien erstmals stark abgenommen (minus zwölf Terawattstunden). Nachdem die Gaskraftwerke auf das Niveau der KWK-Stromerzeugung reduziert wurden, werden nun im Zuge der Energiewende alte Steinkohlekraftwerke verdrängt. Braunkohlekraftwerke produzieren hingegen weiterhin auf hohem Niveau. |
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| Normalansicht Bei dieser “Erfolgsmeldung” ist der letzte Satz der Entscheidende und offenbart die Misere der Energiewende-Politik: Sie verhilft der Braunkohle zur Renaissance. Die Zusammenhänge – die man laut AGORA nicht habe vorhersehen können – finden Sie hier erklärt. |
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| Kopfstand Nr. 4 Klimaschutz: Die Treibhausgasemissionen sind 2014 deutlich gesunken und haben das zweitniedrigste Niveau seit 1990 erreicht. Dies gilt auch für die CO2-Emissionen der Stromproduktion. Ursachen hierfür waren der milde Winter Anfang 2014 sowie die deutlich gesunkene Kohleverstromung. |
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| Normalansicht Die von AGORA angeführten Zahlen liegen uns nicht vor. Die aktuellsten öffentlichen Zahlen dazu haben wir hier analysiert. Ob die CO2-Emissionen Deutschlands – nachdem sie in den letzten Jahren aufgrund der Energiewende gestiegen waren – nun wieder etwas gesunken sind, ist für den Weltenlauf in jedem Fall völlig unbedeutend. Ob und inwieweit jenseits des milden Winters andere Faktoren dafür verantwortlich sind, ist nicht ersichtlich. Angesichts der ökologischen Schäden und des Materialaufwands bei der Errichtung der vorgeblichen “Ökostrom”-Anlagen ist diese Fixierung auf die homöoapathischen CO2-Emissionen in jedem Fall unsinnig. |
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| Kopfstand Nr. 5 Strompreise: Die Strompreise an der Börse sind 2014 weiter gefallen und betrugen am Spotmarkt durchschnittlich nur 33 Euro pro Megawattstunde. Ursachen sind gesunkene Kohle- und Gaspreise, der gesunkene Stromverbrauch sowie die steigenden Anteile Erneuerbarer Energien. |
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| Normalansicht Der Börsenstrompreis ist für die allermeisten deutschen Stromkunden völlig unbedeutend. Die Zusammenhänge sind hier erläutert. Alexander Wendt dazu: Der gefeierte Preisverfall am Spotmarkt ist also Teil des Problems, nicht der Lösung: Grundlastfähiger Strom lässt sich kaum noch kostendeckend produzieren. Der Ruf nach neuen Subventionen (Stichwort: Kapazitätsmärkte) wird immer lauter. Neben der EEG-Umlage und den Netzentgelten werden auch diese Subventionen von den Stromkunden zu finanzieren sein. |
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| Kopfstand Nr. 6 Stromexporte: Die Stromexporte haben 2014 erneut zugelegt und mit 34,1 Terawattstunden einen neuen Nettostrom-Exportrekord erreicht. Mittlerweile werden 5,6 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms an die Nachbarländer exportiert, vor allem an die Niederlande, Österreich und Frankreich. Grund: Viele Nachbarländer haben ein höheres Preisniveau als Deutschland. |
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| Normalansicht Diesem Exportüberschuss etwas Positives abzugewinnen, erfordert vollständige Blindheit gegenüber einfachsten ökonomischen Zusammenhängen: Etwas von der eigenen Produktion außer Landes zu schaffen, ist schließlich nur sinnvoll, wenn man dafür etwas erlösen kann. Idealerweise sind die Exporterlöse höher als das, was die Produktion im Inland gekostet hat. Von Preisen ist bei AGORA auf der betreffenden Seite 19 allerdings (wohl aus gutem Grund!) überhaupt nichts zu lesen. Stattdessen finden sich dort diese hanebüchenen Aussagen: |
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| “Deutschland produziert damit 5,6 Prozent mehr Strom, als es verbraucht. Der bedeutendste Handelspartner für Strom aus Deutschland war Österreich, mit dem traditionell aufgrund der Nutzung der Pumpspeicher ein täglicher Stromhandel besteht. Übers Jahr gesehen bezog Österreich jedoch netto mehr als 20 Terawattstunden Strom aus Deutschland (Export nach Österreich: 39,2 Terawattstunden, Import aus Österreich 17,0 Terawattstunden). Demgegenüber sind die Niederlande ein reines Importland für deutschen Strom – sie kauften aufgrund der niedrigeren Strompreise in Deutschland mehr als 17,7 Terawattstunden, lieferten jedoch fast nichts. Drittwichtigster Abnehmer von Strom war Frankreich, das 10,0 Terawattstunden aus Deutschland importierte und etwa 4,1 Terawattstunden an Deutschland lieferte. Auch in Frankreich waren die Strompreise 2014 höher als in Deutschland. Demgegenüber importiert Deutschland traditionell Strom aus Tschechien (2014: Importe in Höhe von 7,7 Terawattstunden bei Exporten von 0,8 Terawattstunden), gefolgt von der Schweiz (Importvolumen 2014 von 5,7 Terawattstunden bei Exporten von 4,2 Terawattstunden). |
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| Diese reine Mengenbetrachtung ist unsäglicher Unfug. Unter Einbeziehung der Preise handelt es sich bei einem Großteil der Exporte um Müllverklappung, d.h. um ein aberwitziges Verlustgeschäft: Wir haben besonders viel Strom exportiert, weil die hierzulande massiv ausgebauten EEG-Anlagen ihren Zufallsstrom völlig am hiesigen Bedarf vorbei in die Netze einspeisen. Um diese stabil zu halten, muss der Zufallsstrom daher immer häufiger “verramscht” werden. Dies machten sich vor allem Niederländer und Österreicher zu Nutze. Letztere kommen – nach Beobachtung des zuständigen Ministers – ob dieser unglaublichen deutschen Torheit “vor Lachen nicht in den Schlaf”. Neben der volkswirtschaftlichen Verschwendung, die dieser “Rekord” ausdrückt, beleuchtet diese krude “Import-Export”-Betrachtung auch die Scheinheiligkeit der deutschen “Energiewende”: Während wir für geringe, manchmal sogar negative Erlöse “Ökostrom” ins Ausland verbringen, importieren wir vornehmlich aus Ländern, die weniger stark bis gar nicht auf Zufallsstrom setzen und uns daher mit grundlastfähigem Strom versorgen können. Die Stromeinfuhren aus Frankreich und Tschechien unterstreichen unsere gestiegene Abhängigkeit von ausländischen Kernkraftwerken, welche deutsche Sicherheitsstandards eher nicht übertreffen. Die Aussage, dass viele Nachbarländer ein höheres Strompreisniveau hätten, beschreibt eine Unwahrheit. |
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| Kopfstand Nr. 7 Rekordtage: Der Tag mit den meisten Erneuerbaren Energien war der 11. Mai 2014, an dem zeitweise 80 Prozent des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien geliefert wurden. Am Tag der Jahreshöchstlast, am 12. November, wurden hingegen nur zehn Prozent des Stroms aus Erneuerbaren gestellt. |
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| Normalansicht Die Auswahl dieser Tage schmeichelt der Realität. Die Feststellung, dass irgendwann einmal kurzzeitig 80 Prozent des Stromverbrauchs aus “Erneuerbaren Energien” gedeckt wurden, ist nicht aussagekräftig. Wir brauchen in Deutschland rund um die Uhr eine sichere Versorgung mit Elektrizität. Zu dieser trugen Windkraftwerke und Solaranlagen über das gesamte Jahr exakt nichts bei, sondern produzierten lediglich Zufallsstrom. Vom 3. bis 7. Dezember wollte es der Zufall beispielsweise, dass die “Erneuerbaren” über rund 300 Viertelstunden hinweg praktisch nichts lieferten. Das sind nicht zehn, sondern um die null Prozent. Im Übrigen sind die tatsächlichen Positiv- und Negativrekorde der Einspeisungen aus dem Jahr 2014 diese: Wichtig ist festzuhalten, dass der Totalausfall immer wieder vorkommt und dass es – entgegen vielfach und wiederholt vorgebrachter Behauptungen – durch einen weiteren Ausbau eben nicht zu einer Glättung kommt. Die von Entscheidungsträgern noch zu erlangende Erkenntnis, dass Windkraftanlagen niemals eine Grundlast abdecken können, gilt übrigens auch im europäischen Verbund. |
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| Kopfstand Nr. 8 Flexibilität: Es gab 64 Stunden mit negativen Strompreisen, gleich viele wie im Vorjahr – bei steigendem Anteil Erneuerbarer Energien. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die konventionellen Kraftwerke im letzten Jahr flexibler geworden sind. Aufgrund der weiter steigenden Anteile von Wind- und Solarenergie ist eine weitere Flexibilisierung des Stromsystems unumgänglich. |
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| Normalansicht Die Anzahl der Stunden, an denen negative Strompreise galten, ist wenig relevant. Relevant ist die dadurch auf Kosten des Stromkunden entsorgte Strommenge, die während dieser Zeit gehandelt wurde. An jenem Wochenende, an dem diese Replik entstand, haben deutsche Windkraftanlagen einen Schaden von rund 13 Millionen Euro produziert. Notwendig ist weniger eine weitere “Flexibilisierung des Stromsystems”, als vielmehr eine Eindämmung des Wahnsinns, der aus der Steckdose fließt. |
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| Kopfstand Nr. 9 Ausblick auf die Stromproduktion 2015: Im Jahr 2015 wird im Zuge des Atomausstiegs ein weiteres Kernkraftwerk abgeschaltet. Parallel werden erstmals wesentliche Stromerzeugungsmengen im Bereich von Offshore-Windkraft erwartet, die den wegfallenden Strom des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld ersetzen dürften. |
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| Normalansicht Die Vermutung, dass die Offshore-Windkraft wegfallenden Strom eines Kernkraftwerkes ersetzen kann, ist angesichts der bei AGORA bekannten Datenlage völlig unbegründet. Insofern kann dies wohlwollend nur als Zweckoptimismus betrachtet werden. Die Einspeisecharakteristik weist auch auf hoher See keine Sockelbildung auf. Auch auf hoher See gibt es immer wieder Totalausfälle. Windkraft ist damit – mangels Speichermöglichkeit – definitiv nicht grundlastfähig – weder an Land, noch auf See. Windkraft ist somit per se nicht in der Lage, Kernkraft zu ersetzen. |
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| Kopfstand Nr. 10 Ausblick auf die Strompreise 2015: Aufgrund der gesunkenen Börsenstrompreise und der leicht reduzierten EEG-Umlage werden die Strompreise 2015 leicht sinken – erstmals seit 14 Jahren. |
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| Normalansicht Die EEG-Umlage ist maßgeblich für die Entwicklung der Strompreise verantwortlich. Die Vorhersage, dass die Strompreise sinken, wenn die EEG-Umlage leicht sinkt, ist insofern tautologisch. Dass die EEG-Umlage wahrscheinlich sinkt, hat allerdings nichts mit einem “Erfolg” der Energiewende zu tun, sondern ist vielmehr der Systematik des EEG-Kontos und der gnädigen Sonne geschuldet. beschied der Erfinder jenes Systems dereinst. Die nun in Aussicht gestellte Preissenkung ist dagegen wohlwollend als Farce zu bezeichnen. Alexander Wendt dazu: „Das Absenken der EEG-Umlage um 0,07 Cent pro Kilowattstunde entspricht für einen Drei-Personen-Haushalt einer jährlichen Ersparnis von ca. 3 Euro. Das ist nicht mal eine Kugel Eis für jeden“, befand unlängst ein Politiker aus dem Trittin-Stammland. „Auch im nächsten Jahr werden die deutschen Stromkunden wieder 24 Milliarden Euro für die unwirtschaftliche Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom zu Zeiten, zu denen er nicht gebraucht wird, zahlen müssen. Die deutsche Energiepolitik ist nach wir vor größtes Sorgenkind für Wirtschaft, Arbeitnehmer und alle Menschen mit einem Funken Vernunft“, fuhr Herr Dr. Hocker fort. Diesen Aussagen ist zuzustimmen. |
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Quintessenz:
Wir wünschen allen Lesern ein frohes Jahr 2015 und gönnen Allen die in Aussicht gestellte Kugel Eis. Alternativ ist der gesparte Betrag auch in einem anderen Genussmittel gut angelegt.
Dessen Verzehr qualifiziert unmittelbar zur Mitarbeit in einer einflussreichen Denkfabrik und erleichtert das Schönrechnen.