Seltsam. Aber symptomatisch, denn…
…die Pläne für das Windkraftschloss sind an der nördlichen Spitze Hessens angesiedelt. Sie sind zudem die Spitze eines Eisbergs. |
Die Landesregierung beschreibt das Ihr anvertraute Land Hessen mit poetischen Worten:
Mitten im Herzen Deutschlands und Europas gelegen, ist es ein landschaftlich reizvolles Land, das auf eindrucksvolle Weise traditionsreiche Kultur und zukunftsorientierte Wirtschaft miteinander verbindet.
Seine Seen und Flussläufe, seine Wälder und waldreichen Mittelgebirge machen den besonderen Reiz unseres Landes aus, dessen Schönheit die Menschen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts im „Hessenlied“ besangen. Zur Quelle
In besagtem Hessenlied werden die grünen Täler, die sonnigen Höhen und die tiefen, duftenden Wälder besungen.
Sie können sich das Lied hier anhören und den Text hier studieren.
Zumindest im Liedgut wird bewahrt, was das Besondere dieses Bundeslandes ausmacht.
In der Realität wird gerade dieses Besondere massiv in Frage gestellt.
Wenn es nach den Planungen der Landesregierung geht, wird das Besungene bald nur noch Historie und Folklore sein.
Denn im Jahr 2012 hat die Landesregierung ein “Energiezukunftsgesetz” verabschiedet.
Mit Planungen für überschaubare Zeiträume hat man sich nicht groß aufgehalten, sondern direkt das Jahr 2050 anvisiert.
Bis dann will man den Energiebedarf des Landes zu 100% aus regenerativen Quellen decken.
Dieses Ziel ist weitaus ehrgeiziger, als das was die Bundesregierung im Rahmen der “Energiewende” als Losung ausgegeben hat und was von internationalen Experten als höchst ambitioniert (euphemisitisch für unrealistisch) angesehen wird.
Auf länderübergreifende Abstimmung bzw. Koordinierung mit der Bundesregierung wurde bei dieser Planung wenig Wert gelegt.
Dazu gibt es auch keine Veranlassung, denn über den großen Subventionstopf “EEG” ist sichergestellt, dass sich der Aufbau von Kapazitäten praktisch immer lohnt – egal ob sinnvoll oder nicht.
Zur Ehrenrettung der Landesregierung kann angeführt werden, dass der Opposition selbst diese Beschlüsse noch nicht ambitioniert genug waren. Mehr dazu.
Zwecks Erreichung dieser Ziele sollen nun 2% der Landesfläche für die Ansiedlung von Windkraftindustrie bereitgestellt werden.
Zwei Prozent klingt erstmal nicht nach viel. Doch zum Vergleich:
Das Land Brandenburg, Träger des Leitsterns in Sachen Windkraft, hat diese Marke noch lange nicht erreicht.
Berücksichtigt man ferner, dass
- im bergigen Binnenland Hessen in aller Regel schlechtere Windverhältnisse herrschen,
- die geplanten Industrieanlagen die gigantischen Ausmaße von 198 m Nabenhöhe haben und
- in der Regel im Wald und auf den Bergkuppen platziert werden sollen
so wird schnell klar, dass diese vermeintlich harmlose Prozentzahl unvorstellbare Eingriffe in Natur- und Landschaft bedeutet.
Da die hessischen Berge weitgehend bewaldet sind ‑was ja gerade den Charme dieses Landes ausmacht- wird in bisher völlig unbekannten Ausmaßen Wald vernichtet werden müssen.
Wie das aussieht, können Sie hier in Bildern nachvollziehen. Diese Prozedur wird sich in Hessen tausendfach wiederholen.
Da die Anlagen die verbliebenden Bäume um über 100m überragen werden, werden sie mehrere zig Kilometer weit sichtbar sein und die Horizonte dominieren. Das völlig willkürliche 2%-Ziel läuft auf eine Vernichtung von 100% aller freien Blicke hinaus.
Noch ist von dem, was droht, in Hessen nicht allzu viel zu spüren.
Einen deutlichen (aus unserer Sicht sehr bitteren) Vorgeschmack kann man im Vogelsbergkreis bekommen.
HIER BILD VOM VOGELSBERG
Dieser Kreis ist bereits stark von der Windindustrie gezeichnet.
Unsere Freunde vor Ort sind bemüht, den Vogelsberg vor einer noch stärkeren Zeichnung zu schützen.
Die dort bereits zu beobachtenden rund 150 Anlagen lohnen sich sehr.
Allerdings nur für die Betreiber und ein paar Gemeinden, die in Form von Bürgerwindparks an den Subventionen partizipieren.
Für die Stromversorgung des Landes sind die Anlagen vernachlässigbar, denn ihre Volllast erbringen sie an deutlich weniger als 2000 Stunden im Jahr.
Zur Erinnerung: das hessische Jahr hat 8760 Stunden.
Die Landschaftsverunstaltung ist daher auch an 8760 Stunden zu beobachten:
Video vom Vogelsberg – mit herzlichem Dank an unsere dortigen Freunde
Allein in Nordhessen, der Heimat der Brüder Grimm, sollen nach aktueller Planung in den nächsten Jahren bis zu 800 (!) neue Windindustrieanlagen entstehen.
Diese Region ist vergleichsweise wenig besiedelt und besonders reich an naturnahen Wäldern, wie bspw. dem Kellerwald, dem Reinhardswald und dem Kaufunger Wald, die zu den größten zusammenhängenden Waldgebieten West- und Mitteleuropas zählen.
Der Reinhardswald dürfte der Einen oder dem Anderem durch das Märchen von Dornröschen bekannt sein.
Schier endlos erstreckt sich dieses tiefgrüne Band entlang des linken Ufers der Weser und bildet den mystisch-märchenhaften Hintergrund, vor dem sich auf welligen Wiesen das Dornröschenschloss erhebt.
Von der Realitätsnähe dieser lyrischen Beschreibung können Sie sich hier ein Bild machen.
Teil des Reinhardswaldes ist der Urwald Sababurg, Hessen ältestes Naturschutzgebiet, in dem mehrere hundert Jahre alte Eichen zu bestaunen sind.
Der Reinhardswald ist tatsächlich märchenhaft und nicht Teil dieser modernen Welt. Wer ihn durchwandert, wähnt sich um Jahrhunderte zurückversetzt.
Planungen der Regionalversammlung Nordhessen zufolge, wird dieser Märchenwald den Windkraftzielen geopfert werden.
Eine riesige Schneise von rund 40 Km2 Länge soll geschlagen und so für bis zu 70 Windindustrieanlagen Platz geschaffen werden. Mehr dazu hier.
Natürlich können die ehrgeizigen Ausbauziele nicht allein in Nordhessen erreicht werden.
Auch im mittleren und südlichen Teil des Landes wird mit heißer Nadel an Ansiedlungsplänen gestrickt.
An Investoren und wohlwollenden Kommunalpolitikern mangelt es wahrlich nicht.
Schließlich sind die Einnahmen aus entsprechenden Projekten dank EEG auf Jahrzehnte gesichert. Das kommt klammen Kommunen gerade recht.
Angesichts solch verheißungsvoller Aussichten ist man vielerorts gern bereit, selbst Naturparks zu Windparks zu machen. Unsere Freunde im südhessischen Raum wissen davon leidvoll zu berichten.