Am 26. Mai 2015 veröffentlichte der NABU Deutschland das neue “Helgoländer-Papier”. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung von Empfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten betreffend die Mindestabstände von Windkraftanlagen zu den Brut- und Wohnstätten gefährdeter Vogelarten. Hier die Presseerklärung des NABU:
Neues Helgoländer Papier – Klare Orientierung bei Artenschutz-Konflikten in der Windkraftplanung Berlin – Der NABU hat den Beschluss der Umweltminister der Länder zur Freigabe des so genannten “Neuen Helgoländer Papiers” begrüßt. Damit erhalten Windkraftplaner von nun an in Deutschland mehr Planungssicherheit bei der Anlage von Windkraftanlagen in der Nähe von sensiblen Vogelvorkommen. Im Papier geregelt sind die empfohlenen Mindestabstände zwischen den Anlagen und seltenen Arten, wie etwa Schreiadlern, Rotmilanen oder Schwarzstörchen. Die Minister beendeten damit auf der Umweltministerkonferenz im oberfränkischen Kloster Banz einen langjährigen Diskussionsprozess. “Bislang gab es immer wieder gravierende Versäumnisse bei der Wahl von Standorten und der Umsetzung einzelner Projekte. Wir freuen uns, dass nun endlich Politik, Windkraftplaner und Naturschützer eine vor Gericht belastbare Grundlage haben. So können Konflikte zwischen Windkraft und Vogelschutz künftig gelöst werden – ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer naturverträglichen Energiewende”, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Das “Neue Helgoländer Papier” spiegelt den neuesten Stand der Forschung zur Gefährdung von Vögeln durch Windkraftanlagen wider und stellt damit auch die fachliche Messlatte für die Genehmigungsfähigkeit von Windkraftplanungen dar. Die Empfehlungen waren bereits vor zwei Jahren von der Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten erarbeitet und seither diskutiert worden. Mit der heutigen Entscheidung endet dieser langwierige Prozess, in dessen Verlauf Naturschützer eine politische Aufweichung der wissenschaftlich begründeten Abstandsempfehlungen befürchtet hatten. “Dieser Weg war ausgesprochen zäh. Doch er hat dazu geführt, dass das Papier nun von höchster politischer Ebene beschlossen wurde. In der Praxis wird ihm das ein besonderes Gewicht verleihen”, so Miller weiter. Das ursprüngliche “Helgoländer Papier” war bereits 2007 durch die Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten veröffentlicht worden. Immer wieder wurde seither in strittigen Fällen seine Gültigkeit als fachliche Messlatte von Gerichten bestätigt. Das aktuelle Papier ist eine aktualisierte Version der Abstandsempfehlungen. Sie enthält bei vielen Arten eine fachlich gut begründete Reduzierung der Abstandsempfehlung, beim Rotmilan hingegen jetzt einen vergrößerten Mindestabstand auf aktuell 1.500 Meter (vorher 1.000 Meter). Der NABU befürwortet den naturverträglichen Ausbau der Windkraft sowohl an Land wie auf dem Meer, weist jedoch auf gravierende Versäumnisse bei der Standortwahl und der Umsetzung einzelner Projekte hin. Trotz aller Bekenntnisse der Branche ist wiederholt festzustellen, dass Naturschutzbelange nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt und auch höchst kritische Projekte realisiert werden. Das neue Papier ermöglicht Windkraftplanern von vornherein kritische Standorte auszuschließen, um spätere Bauverzögerungen oder Fehlinvestitionen zu vermeiden und trägt damit zu einer größeren Planungssicherheit und einer Beschleunigung der Energiewende bei. Das “Neue Helgoländer Papier” ist ab dem 26. Mai zum Download zu finden. Es wird in Kürze in der Fachzeitschrift des Deutschen Rats für Vogelschutz “Berichte zum Vogelschutz” und auf der Webseite der staatlichen Vogelschutzwarten (www.vogelschutzwarten.de) publiziert. |
Das in den von uns hervorgehobenen Sätzen artikulierte Bekenntnis zur volkswirtschaftlich und ökologisch sinnlosen Fortsetzung der “Energiewende”-Politik verfehlt den Auftrag einer Naturschutz-Einrichtung vollständig.
Dennoch: Dass das Helgoländer-Papier nun endlich veröffentlicht und seitens der Umweltministerkonferenz angenommen wurde, ist eine gute Nachricht. Schließlich hatte es über viele lange Monate hinweg so ausgesehen, als sollte dieses Papier auf ewig in dubiosen Schubladen verbleiben:
“Zwei Jahre blieb die aktualisierte Version der Fachkonvention unter Verschluss – offenbar wegen des Widerstandes der Windenergieunternehmen, die durch die empfohlenen Abstände Einschränkungen befürchten”, ist auf den Seiten der deutschen Wildtierstiftung zu lesen.
Die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) nimmt ausführlich Stellung:
| Auszug aus EGE-Artikel vom Juni 2015 Vogelschutzwarten-Papier veröffentlicht Die von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten erarbeiteten “Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten” sind nun endlich veröffentlicht. Die von der Windenergiewirtschaft dominierten Länderumweltministerien hatten die Veröffentlichung der als “Helgoländer-Papier” bezeichneten Empfehlungen über Jahre behindert und immer wieder Aufweichungen verlangt und durchgesetzt. Letztendlich war die Veröffentlichung nicht länger zu verhindern. Dazu trug nicht zuletzt das investigative Vorgehen der EGE bei, die immer wieder über die skandalösen Blockadebestrebungen hingewiesen hatte. (…) Allerdings versuchen die Länderumweltministerien sich doch wieder Hintertürchen offen zu halten, heißt es doch im Beschluss der Amtschefkonferenz vom 21.05.2015, “einheitliche Empfehlungen” zum Vogelschutz beim Ausbau der Windenergiewirtschaft seien “nicht möglich”. Damit wollen sich die Länder offenkundig bei sich einen Sonderweg für ein Weniger an Vogelschutz in der Windenergiepolitik eröffnen. Dabei ist es aber gerade das Ziel des Vogelschutzwarten-Papiers, ein bundesweit einheitliches Anforderungsprofil einzurichten. Nun, die Abweichungsbestrebungen der Länder dürften nicht weit tragen. Die Rechtsprechung weiß, wie fern die Umweltministerien dem Vogelschutz und wie nah diese der Windenergiebranche personell, weltanschaulich und wirtschaftlich sind. So dürfte sich auch in Nordrhein-Westfalen der von den Vogelschutzwarten dringend empfohlene Abstand von Windenergieanlagen von 1.500 m zu Rotmilannestern als fachlich fundierte Empfehlung durchsetzen. Hinsichtlich der Mindestabstände ist dies die einzige substantielle Verschärfung des neuen Papiers. Im Gegenzuge haben die Vogelschutzwarten die Prüfungsanforderungen bei vielen anderen Vogelarten deutlich abgesenkt. Einer der grünen Umweltminister hatte die nach dem Entstehungsort als “Helgoländer-Papier” bezeichneten Empfehlungen schon deshalb bei sich nicht gelten lassen wollen, weil Helgoland außerhalb seines Bundeslandes liegt. Er dachte, es ginge um Windenergieanlagen vor Helgoland. Vogel- und Naturschutz gehören in vielen Bundesländern eben nicht zur Kernkompetenz grüner Umweltpolitik. Verkehrte Welt.” |
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Damit hat eine vermeintlich unendliche Geschichte
| Auszug aus EGE-Artikel vom März 2015 Die unendliche Geschichte Die “Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung” (LANA) hatte bei ihrer Frühjahrstagung 2015 über die bereits vor Jahren von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) vorbereiteten “Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten” entscheiden wollen. Eigentlich. Dem Vernehmen nach wurde die Sache kurzerhand von der Tagesordnung genommen. Über viele Monate war das Papier heftigen Attacken ausgesetzt, die zu immer neuen inhaltlichen Abschwächungen geführt hatten. Die LANA ist eine Arbeitsgemeinschaft der Länderumweltminister und des Bundesumweltministeriums. Mindestens einige, wenn nicht alle diese Minister und Ministerinnen suchen die Veröffentlichung des Vogelschutzwarten-Papiers zu verhindern oder es wenigstens in seiner Substanz zu schwächen. Im letzten Jahr hatten sie die Veröffentlichung von der Zustimmung des Bundesverbandes Windenergie abhängig machen wollen und die Katze aus dem Sack gelassen. Die EGE schrieb damals, es sei so, als würde die deutsche Ärzteschaft gezwungen, die Veröffentlichung ihres Memorandums über die Gefahren des Rauchens von der Zustimmung der Tabakindustrie abhängig zu machen. Der Vorgang ist beispiellos in der Geschichte des deutschen Vogelschutzes, zeigt aber, wie weit der Einfluss der Windenergiewirtschaft reicht. Den Vogelschutzorganisationen fällt seit Monaten nichts Besseres ein, als die unverzügliche Veröffentlichung des Papiers zu fordern. Wenn ihnen überhaupt etwas einfällt. Der Artenschutz ist in diesem Lande die Beute der Funktionäre einer neuen Energiewirtschaft, die ebenso wenig Rücksicht auf Natur und Landschaft nimmt wie Atom- und Kohlewirtschaft Jahrzehnte zuvor, sich aber als Heilsbringer präsentiert. (…) |
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doch ein halbwegs versöhnliches Ende gefunden.
Vor dem Hintergrund des Einsatzes der in diversen Vereinen, Verbänden und Gruppierungen oder auch als Einzelpersonen tätigen aufrichtigen Naturschützer, die beharrlich für Helgoland gekämpft haben, wäre es anmaßend und vermessen…
…zwischen der konstruktiv-kritischen Begleitung der Umweltministerkonferenz seitens VERNUNFTKRAFT. Bayern und diesem positiven Ergebnis der UMK einen direkten Kausalzusammenhang zu unterstellen. Den Titel dieses Artikel und das Postkartenmotiv bitten wir daher als augenzwinkernden Hinweis auf die zeitliche Koinzidenz der Ereignisse und den Ort einer vernünftigen Beschlussfassung zu verstehen.
Regelmäßigen Lesern unserer Artikel dürfte das Stilmittel ohnehin vertraut sein.