Grüne werfen Steine

Am 30. Juni 2015 lieferte die starke Behauptung

Die Energie­wende schafft Arbeitsplätze”

das Motto für einen Sommer­abend bei Grünen: Die Heinrich-Böll-Stiftung lud zu einer Podiums­dis­kus­sion ein. 

Böll

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Offizi­el­ler Anlass war die Vorstel­lung einer Studie, welche die Arbeits­markt­ef­fekte der Energie­wende-Politik zu analy­sie­ren vorgab. Bei dieser von Herrn Dr. Mattes und zwei Mitau­toren verfass­ten und von der Beratungs­agen­tur DIW Consult heraus­ge­ge­be­nen „Exper­tise“ handelt es sich um eine Auftrags­ar­beit des Bundes­ver­ban­des Windener­gie. Auf 30 Seiten wird darin ausge­führt, wie sich der politisch forcierte Ausbau sogenann­ter erneu­er­ba­rer Energien auf die Beschäf­ti­gung auswirkt. Redli­cher­weise bemühen sich die Autoren der „Studie“ dabei um eine Abschät­zung von Nettoeffekten.

Nach ausgie­bi­gem, ökono­misch irrele­van­tem, aber auf unbedarfte Leser imposant wirken­dem Erbsen­zäh­len, weisen Mattes et al. darauf hin, dass das bloße Addie­ren von Zuwäch­sen bei den Beschäf­tig­ten­zah­len in den subven­tio­nier­ten und vom Subven­ti­ons­sys­tem mittel­bar profi­tie­ren­den Branchen nicht sachge­recht ist. Ebenso redli­cher­weise weisen Mattes et al. darauf hin, dass eine Quanti­fi­zie­rung der Netto­ef­fekte ungleich schwie­ri­ger und eigent­lich unmög­lich ist. Wissen­schaft­lich mehr als fragwür­dig ist aller­dings das Fazit der Autoren:

Insge­samt unter­stützt die Energie­wende den Wachs­tums­pfad und die positive Beschäf­ti­gungs­ent­wick­lung in Deutschland.

Diese Aussage ist in keiner Weise durch die vorhe­rige „Studie“ gedeckt. Spätes­tens damit quali­fi­ziert sich das Produkt aus dem Hause DIW Consult für das Prädi­kat Junk Science.

In diesem Sinne diente die Podiums­dis­kus­sion vorran­gig dem politi­schen Recycling wissen­schaft­li­chen Mülls. Aus ökono­mi­scher Sicht ist bereits die Frage­stel­lung unsin­nig. Alles, was man zu den Beschäf­ti­gungs­ef­fek­ten der Energie­wende wissen muss, ist in diesem State­ment des Präsi­den­ten des Ifo-Insti­tuts enthalten:

 

Die Energie­wende verla­gert Kaufkraft aus den tradi­tio­nel­len Konsum- und Inves­ti­ti­ons­gü­ter­bran­chen in jene Branchen, die die Windtur­bi­nen, Solar­pa­nee­len und andere Gerät­schaf­ten, die für den alter­na­ti­ven Strom nötig sind, herstel­len. Diese Verla­ge­rung erzeugt trivia­ler­weise brutto in den profi­tie­ren­den Branchen Arbeits­plätze, doch heißt das natür­lich nicht, dass sie netto solche Arbeits­plätze schafft, denn in den tradi­tio­nel­len Sekto­ren, aus denen die Kaufkraft abgezo­gen wird, gehen Arbeits­plätze verloren.

Wer behaup­tet, dass netto Arbeits­plätze entste­hen, muss nachwei­sen, dass die Kapital­in­ten­si­tät der Produk­tion in den neuen Sekto­ren kleiner ist als in den alten. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.

Im Übrigen gehört es zu der Perver­sion der öffent­li­chen Debatte, dass man es als Vorteil ansieht, wenn die Energie­ver­sor­gung mit möglichst viel Arbeits­ein­satz reali­siert wird. Eine solche Aussage ist gleich­be­deu­tend mit der Aussage, dass es ein Ziel des Staates sein sollte, teure Produk­ti­ons­wege zu bevor­zu­gen. Wer das für richtig hält, sollte erst einmal die Rechnungs­höfe abschaffen.

Auch die beliebte Behaup­tung, die Energie­wende müsse öffent­lich subven­tio­niert werden, weil der deutschen Indus­trie dadurch neue Märkte erschlos­sen werden können, steht auf wackli­gen Beinen, weil sie unter­stellt, der Staat könne die weltweite Markt­ent­wick­lung besser beurtei­len als private Inves­to­ren. Da die Welt keiner­lei Anstal­ten macht, der deutschen Energie­wende zu folgen, sondern sich von ihr abwen­det (Frack­ing, Wieder­erstar­ken der Atomkraft in Schwe­den, Japan, Polen, Spanien etc.), zeigt sich der Progno­se­feh­ler schon jetzt.”

Quint­essenz:

Durch Subven­tio­nen für unwirt­schaft­li­che Techno­lo­gien entsteht kein einzi­ger neuer Arbeits­platz, vielmehr wird Wohlstand vernichtet.

Profes­sor Hans-Werner Sinn, Präsi­dent des Ifo-Instituts

 

Der Sachver­stän­di­gen­rat zur Begut­ach­tung der gesamt­wirt­schaft­li­chen Lage schreibt dazu:

 

Das Großpro­jekt [Energie­wende] wird derzeit ohne ein schlüs­si­ges Gesamt­kon­zept umgesetzt. Zudem fehlt weiten Teilen der Politik  offen­bar nach wie vor die Einsicht, dass mit der bishe­ri­gen Vorge­hens­weise erheb­li­che volks­wirt­schaft­li­che Ressour­cen verschwen­det wurden, die beim Streben nach Wohlfahrt und gesell­schaft­li­chem Fortschritt an anderer Stelle fehlen werden.“

Sachver­stän­di­gen­rat zur Begut­ach­tung der gesamt­wirt­schaft­li­chen Lange, Jahres­gut­ach­ten 2013/14 S. 416

 

Ein uns unbekann­ter Kommen­ta­tor eines Zeitungs­ar­ti­kels brachte es so auf den Punkt:

Arbeits­plätze entste­hen, indem jemand etwas Neues erfin­det, das alle haben wollen, oder indem die vorhan­dene Arbeit auf alle aufge­teilt wird, oder in dem Effizi­enz verbo­ten wird. Das Erste ist Fortschritt, das Zweite Koope­ra­tion und das Dritte Planwirt­schaft. Die Energie­wende hat für die Beschäf­ti­gung densel­ben Effekt wie ein Verbot von Trakto­ren in der Landwirtschaft. 

Mit logischen Überle­gun­gen oder Reali­täts­be­trach­tun­gen hielt man sich an jenem hochsom­mer­li­chen Diens­tag­abend aller­dings nicht auf: Während Herr Dr. Mattes noch den Anschein von Ausge­wo­gen­heit und Wissen­schaft­lich­keit wahrte und auch negative Effekte der Energie­wende-Politik benannte, so waren sich die Teilneh­mer der Podiums­dis­kus­sion allesamt vollkom­men einig.

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Die grünen Sessel hätte man eigent­lich durch ein länge­res Sitzmö­bel erset­zen müssen, denn durch die Bank waren alle Diskus­si­ons­teil­neh­mer der unver­rück­ba­ren Überzeugung:

Die Energie­wende sei alter­na­tiv­los, ein Segen für die Welt, eine riesige Chance für die wirtschaft­li­che Entwick­lung und die einzig denkbare Möglich­keit, den omniprä­sen­ten Quellen todbrin­gen­den Unheils – Klima­wan­del und Kernkraft – zu entfliehen.

Es ging weniger um Infor­ma­tion und Austausch, sondern vielmehr um eine Festi­gung des Glaubens. Dieser Zielset­zung entspre­chend, lauschte die grüne Gemeinde andäch­tig und huldvoll dem, was ihr

  • Chris­tian Pegel, Minis­ter für Energie, Infra­struk­tur und Landes­ent­wick­lung von Mecklen­burg-Vorpom­mern, SPD
  • Simone Peter, Partei­vor­sit­zende Bündnis90/Die Grünen, Energie­mi­nis­te­rin Saarland a.D.
  • Dr. Fritz Brick­wedde, Präsi­dent des Bundes­ver­band Erneu­er­bare Energien (BEE)
  • Dr. Georg Müller, Vorsit­zen­der des Vorstands MVV Energie AG
  • Ralf Fücks, Heinrich Böll-Stiftung
  • Dr. Reinhard Klopf­leisch, Referats­lei­ter Energie­po­li­tik, ver.di

an Glaubens­sät­zen predigten.

Eventu­elle Gegen­ar­gu­mente wurden seitens der „Disku­tan­ten“ pauschal und proak­tiv als lobby­ge­steu­ert oder rückwärts­ge­wandt abgekan­zelt. Proak­tiv insofern, als Wortmel­dun­gen und Publi­kums­fra­gen an diesem Abend nicht zugelas­sen waren.

Letzte­res zum Verdruss einiger Vernunft­bür­ger, die den Weg in die Böll-Stiftung auf sich genom­men und die Hoffnung gehegt hatten, durch Nennung des einen oder anderen Fakts zu einer infor­mier­ten Diskus­sion beitra­gen zu können. Für eine kulti­vierte Kontro­verse blieb das „offene Haus“ leider geschlos­sen – wie sich am Ende herausstellte.

Bis dahin hatten die Anhän­ger einer ideolo­gie­freien, an den Inter­es­sen von Mensch und Natur ausge­rich­te­ten Politik gedul­dig die Beschwö­run­gen des Energie­wende-Geistes über sich ergehen lassen. Haltung, Beherr­schung und Höflich­keit zu bewah­ren, fiel ihnen dabei während jenen zwanzig Minuten, in denen Herr Torsten Albig sprach, beson­ders schwer. Die Rede des Windkraft-Enthu­si­as­ten aus Schles­wig-Holstein war unerträglich:

Herr Albig rühmte sich dafür, 3 AKWs durch 6000 WKAs ersetzt zu haben

[Anmer­kung: 1. Tatsäch­lich bleibt Schles­wig-Holstein trotz des massi­ven Ausbaus der Windkraft auf Import­strom angewie­sen, da WKAs AKWs nur den Buchsta­ben nach erset­zen können. 2. Die Übertra­gung der Albig’schen Erfolgs­story auf Deutsch­land impli­ziert 136.000 (!) Anlagen]

und lehnte es rundher­aus ab, sich mit etwas so Trivia­lem wie ökono­mi­schen Effek­ten überhaupt zu befas­sen. Angesichts der Größe und histo­ri­schen Bedeu­tung der „Energie­wende“, sei dies klein­ka­riert. Inter­es­sant war, dass Albig allen Anders­den­ken­den „Hybris“ vorwarf, selbst jedoch exakt voraus­zu­sa­gen wusste, wie die Strom­pro­duk­tion in 50 Jahren funktio­nie­ren und dass das deutsche Modell „Energie­wende“ dann weltweit dominie­ren wird. Wir Deutschen dürften nicht zaudern und grübeln, sondern müssten den Ausbau weiter massiv voran­trei­ben – alles andere wäre gegen­über dem Rest der Welt unver­ant­wort­lich. Verant­wort­lich sah Herr Albig hinge­gen sich selbst – für nichts Gerin­ge­res als die Rettung von Menschen­le­ben. Seine Verach­tung gegen­über klein­ka­rier­ten Fragen nach der ökono­mi­schen Sinnhaf­tig­keit der Energie­wende brachte er mit diesem Ausspruch auf den Punkt:

Dass wir uns dafür recht­fer­ti­gen müssen, dass die Energie­wende Arbeits­platz­wir­kun­gen hat, ist grotesk. Die Windkraft schafft Arbeits­plätze. Die Atomkraft schafft natür­lich auch Arbeits­plätze – vor allem für Toten­grä­ber und Sargbauer.

Diese mit großem Pathos vorge­tra­ge­nen Sätze wurden seitens der Gläubi­gen­schar mit viel Applaus bedacht. Wir halten die Rede des Herrn Albig eines Minis­ter­prä­si­den­ten für unwür­dig. Es handelte sich um pure Demagogie.

Das VERNUNFTKRAFT. - Fazit der Veranstaltung 

- ein Sommer­abend im Grünen wäre angeneh­mer gewesen! -

dürfte den geschätz­ten Lesern dieses Berichts, die bis hierher durch­ge­hal­ten haben, nun etwas weit entfernt vom Titel erschei­nen. Dieser soll weniger auf die wilde Vergan­gen­heit eines promi­nen­ten Politikers

Ja, ich war militant”, sagte Fischer in einem Inter­view mit der Hambur­ger Illus­trier­ten “Stern”. “Wir haben Steine gewor­fen. Wir wurden verdro­schen, aber wir haben auch kräftig hinge­langt.” Fischer war in den siebzi­ger Jahren in Frank­furt (Main) in der Hausbe­set­zer-Bewegung aktiv.

Quelle: Tages­spie­gel.

abstel­len, als vielmehr auf das grund­le­gende Missver­ständ­nis hinwei­sen, das dem Titel der Veran­stal­tung und praktisch allen dort geäußer­ten State­ments zugrun­de­liegt und seitens der Energie­wende-Lobby immer wieder kulti­viert wird:

Die sogenannte „broken window“ – fallacy.

Der auf dem Podium vertre­tene Energie­mi­nis­ter Mecklen­burg-Vorpom­merns wurde bereits im März 2015 über dieses Missver­ständ­nis aufgeklärt:

Aufmerk­sa­men Beobach­tern fiel auf, dass Herr Minis­ter Pegel derje­nige war, der mit Abstand am wenigs­ten und damit auch am wenigs­ten Unsin­ni­ges vom Stapel bzw. Podium ließ. Mönch und Seele dürfen weiter hoffen. Derweil reparie­ren wir die Scheiben.

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