Am 4. November 2016 ist in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Beitrag des Außenministers Frank-Walter Steinmeier zu lesen. Völlig zu Recht warnt der Sozialdemokrat davor, dass politische Debatten sich vom Boden der Tatsachen verabschiedet hätten. Mit seiner Warnung vor dem postfaktischen Zeitalter trifft Herr Steinmeier unserer Erfahrung nach voll ins Schwarze.
Allerdings versäumt es der Leiter des Auswärtigen Amtes, bei seiner Warnung die postfaktische energiepolitische Debatte im Innern des eigenen Landes als Gefahrenquelle für die Demokratie zu benennen. Wir unterstellen Herrn Steinmeier beste Absichten
- dass er mit dem Finger auf andere zeigen, das Kehren vor der eigenen Haustüre jedoch vermeiden möchte, scheint uns eines versierten Diplomaten unangemessen -
und gehen davon aus, dass sich der Genosse implizit auch an seinen Kabinettskollegen Gabriel wendet. Schließlich werden unter dessen Regie nicht nur postfaktische Debatten geführt, sondern auch postfaktische Postillen als Impulse in die Welt gesetzt. So heißt es im “Impulspapier Strom 2030” u.a.:
Gut ausgebaute Stromnetze in Deutschland und Europa gleichen die Schwankungen von Wind und Sonne aus. Netze ermöglichen den räumlichen Ausgleich von Strom und sind die kostengünstigste Flexibilitätsoption (…) Zusätzliche, neuartige Langzeitspeicher sind erst bei sehr hohen Anteilen erneuerbarer Energien erforderlich. Es ist kostengünstig, Versorgungssicherheit europäisch zu gewährleisten. Die höchste Nachfrage tritt in den einzelnen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten auf. Auch weht zum Beispiel der Wind in Deutschland und Frankreich meist nicht gleich stark. |
Tatsächlich offenbart ein Blick auf die Wetterkarte,
dass es regelmäßig Flauten gibt, die sich von der Algarve bis an den Ural und vom Nordkap bis Sizilien erstrecken, der behauptete Ausgleich also nicht stattfinden kann. Dass die Windstromerzeugung in ganz Europa exakt denselben Launen unterliegt, folgt nicht nur aus der Gleichung von Bienaymé, sondern ist auch empirisch eindeutig belegt:
Die These von unterschiedlichen Nachfragemustern ist angesichts der beobachtbaren Gleichzeitigkeit der Netzlast
ebenfalls unhaltbar.
Die propagierte „Sektorkopplung“, also die Nutzung von Strom zur Wärmeerzeugung und Mobilität ist ein energiewirtschaftliches Sakrileg. Vor wenigen Jahren wurden Glühlampen wegen ihrer Abwärmeverluste verboten. Sektorkopplung heißt Überführen hochwertiger elektrischer Energie zu geringwertiger Wärme – wer das ernst meint, kann keine Leuchte sein. Die in postfaktischen Debatten genährte Vorstellung, dass der zur Abwärmeerzeugung verdammte Strom sowieso da ist, ist Unsinn. Er ist nur dann sowieso da, wenn man die 24 Mrd. Euro EEG-Umlage, die 1 Mrd. Redispatchkosten und die resultierenden ökologischen Schäden wegdefiniert. Wenn man immer mehr von dem sowieso da seienden Strom haben möchte, um ihn als Wärme zu vernichten, dann steigen auch diese wegdefinierten Kosten entsprechend.
Klar ist jedenfalls: Der exzessive Ausbau von Windkraftanlagen trägt nichts zum Klimaschutz bei und kann auch den Atomausstieg nicht kompensieren. In völliger Verweigerung dieser Fakten den Menschen den Verlust von Heimat und Lebensqualität aufzubürden, den Tod hunderttausender Fledermäuse in Kauf zu nehmen und einen Landfraß ungekannten Ausmaßes zu fördern -
das ist in der Tat eine Gefahr für die Demokratie.
Sind die postfaktischen Postillen aus dem BMWi und die auf ihnen beruhenden politischen Entscheidungen eine latente Gefahr, so ist das Gebahren einiger Akteure als direkter Angriff auf die Demokratie zu werten:
Herr Torsten Albig, seines Zeichens Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, ist schon mehrfach als skrupellos und extrem faktenscheu aufgefallen. Sein Umgang mit den Menschen, die unter den Auswirkungen seiner ideologischen Fixierung (teilweise gesundheitlich!) leiden, halten wir für eines demokratischen Gemeinwesens unwürdig. Am 3. November 2016 ließ er seiner Abscheu gegenüber den Vernunftbürgern um Dr. Susanne Kirchhof freien Lauf:
Kaum weniger abstoßend erscheinen uns Auftritt und “Argumentation” von Frau Dr. Nestle:
VERNUNFTKRAFT. dankt Susanne Kirchhof und ihren Mitstreitern, dass sie sich von der Arroganz im Amt nicht entmutigen lassen. Ihre Replik finden Sie hier:
Unser Fazit:
Solange Politiker in hohen Funktionen politische Auseinandersetzungen und demokratische Willensbekundungen durch – völlig unsachgemäßen – Einsatz der Atom- und Klimakeule niederprügeln, solange man uns weiß machen will, dass Wälder Windräder bräuchten und uns die aktuelle Energiepolitik als “Wende” und “alternativlos” verkauft, solange bleibt das Zentrum der postfaktischen Debattenunkultur vom Auswärtigen Amt mit Bus und Bahn erreichbar.