In unserem Beitrag vom 23. März 2017 wiesen wir etwas kryptisch darauf hin, dass ES zu nichts Gutem führt, wenn man die Windkraftlobby mit Staatssekretärsposten bedenkt und das energiewirtschaftliche Denken im Übrigen sogenannten Denkfabriken überträgt.
Das Kryptische möchten wir nun an einem Beispiel aus dem Schwarzwald konkret machen:
Die traurige, wahre, aber noch nicht abgeschlossene Geschichte spielt im südlichen Schwarzwald, auf der Baar-Alb-Höhe im Schwarzwald-Baar-Kreis. Damit zwar nicht in direkter räumlicher Nähe, wohl aber im geistigen Einzugsbereich des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer, eines “Grünen”, der uns schon mehrfach durch gut gefestigte Ideologie aufgefallen ist.
Aber der Reihe nach.
In Baden-Württemberg genießt die Windkraftindustrie seit Amtsantritt des Ministerpräsidenten Kretschmann einen sehr hohen politischen Stellenwert. Um diesem Stellenwert Rechnung zu tragen, wurde der Stellenwert des Natur- und Artenschutzes bereits von der grün-roten Koalition erheblich heruntergeschraubt:
Die von den Vogelschutzwarten ausgearbeiteten, bundesweit anerkannten Abstandsgebote betreffend Windkraftanlagen zu Horsten/Lebensräumen gefährdeter Vögel (“Helgoländer Papier”) wurden seitens des ehrenwerten Herrn Kretschmann und seines ebenso ehrenwerten Handlangers Untersteller nicht anerkannt. Stattdessen erging eine Anweisung an alle umweltrechtlichen Prüfbehörden, bei der Genehmigung von Windkraftanlagen möglichst wohlwollend zu prüfen. Diese perfide Praxis haben wir bereits 2015 ausgiebig gewürdigt und bei der EU-Kommission aktenkundig gemacht.
Besondere Perfidie enthält das von den Grünen Amtsherren ersonnene, klar europarechtswidrige Konzept der “Dichtezentren”. Die Grundidee: Dort, wo der Rotmilan geballt vorkommt, dürfen keine Windkraftanlagen gebaut werden, ansonsten ist seine Tötung zum Zwecke schlechter Witze (alias “Klimaschutz”) in Kauf zu nehmen. Dr. Andreas Dumm vom baden-württembergischen Landesverband hat dieses Konzept seinerzeit treffend charakterisiert:
Nicht ganz dicht? Der Erfindungsreichtum der grün-roten Landesregierung ist im Hinblick auf die Umgehung und Aushöhlung des Artenschutzes schier unerschöpflich. Die Argumentation ist dabei so simpel gestrickt, dass sie auf einfache, eher denkfaule Gemüter anziehend wirkt: Da Windkraftwerke dem Klimaschutz dienten (was nicht stimmt), müsse man ihre „Nebenwirkungen“ in Kauf nehmen. Denn ohne Klimaschutz, so heißt es weiter, gingen die geschützten Arten sowieso zugrunde (was nicht stimmt); deshalb dürfe und müsse man den Artenschutz relativieren. Auf dieser Grundlage scheint es nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, jedes Hindernis für die Errichtung von Windkraftanlagen – und als ein solches wird der Artenschutz aufgefasst – aus dem Wege zu räumen. Zwischenbemerkung: Eine Pressemitteilung aus dem Hause Untersteller vom 27. Oktober 2015 legt offen, worum es in Wirklichkeit geht. In dem Bestreben, in Schwachwindzonen eine gegenüber dem Durchschnitt höhere Förderung (= Subvention) zu erlangen – dies ist für die Windkraftlobby in Baden-Württemberg überlebenswichtig! –, wurde eine „Bundesratsinitiative für faire Windstromförderung“ auf den Weg gebracht. „Fair“ bedeutet hier: Was sich volkswirtschaftlich nicht lohnt, soll sich für Profiteure (weiterhin) rechnen. Und dies erfordert, dass dort am meisten gezahlt wird, wo der Wind am schwächsten weht. Aus dieser Sicht ist es „fair“, die Bedingungen so zu gestalten, dass man ein Wasserkraftwerk nicht nur am Rhein oder am Nil, sondern gleichermaßen in der Sahara bauen kann. Zurück zum Artenschutz. Das neue Zauberwort für die Legitimierung seiner Bekämpfung lautet: Dichtezentrum. Dies bedeutet folgendes: Da die höchste Rechtsebene, das Europarecht, ein individuelles Tötungsverbot z. B. für den vom Aussterben bedrohten Rotmilan vorsieht, möchte man die Gültigkeit dieses Verbots auf Zentren eines erhöhten Vorkommens dieses Vogels begrenzen. Außerhalb dieser sog. Dichtezentren sollen nun Ausnahmen vom Tötungsverbot erlaubt sein, die durch sog. CEF-Maßnahmen (= continuous ecological functionality measures; auf deutsch etwa: Ausgleichsmaßnahmen) „wiedergutgemacht“ werden können. Begründet wird diese Vorgehensweise mit einer Interessenkollision: Der Anspruch der Menschen auf eine „klimagerechte“ Stromerzeugung steht im Gegensatz zum Lebensrecht bestimmter Tierarten. Im Klartext: Erst kommt der „saubere Strom“, dann der Schutz der Natur. Noch prägnanter: Im Kampf des „Ökostroms“ gegen das Ökosystem bleiben die zu schützenden Arten auf der Strecke. Sie haben keine Stimme, die sie im Landtag gegen den ideologischen Druck und das dahinterstehende Profitinteresse der Windkraftlobby vertritt. Und man kann ihnen nur beistehen, indem man das Recht, welches sie schützen soll, gegen jene verteidigt, die es zu unterwandern suchen. In der Praxis geht es dann so: Man möchte einen sog. Windpark am Standort X errichten, sorgt sich aber über ein störendes Rotmilan-Vorkommen. Die „Abhilfe“: Man formuliert ein Dichtezentrum irgendwo in nicht allzu großer Nähe oder Ferne, wo eine solche Absicht nicht besteht. Nun sagt man: Bei Y und Z haben wir ein Dichtezentrum festgestellt, das wir aussparen werden. Dies erlaubt uns – man ahnt es schon! –, bei X trotz Vorkommens des Rotmilans einen Windpark einzurichten. Raffiniert, nicht wahr? Wer kommt schon auf den Gedanken, dass die Bekundung einer „verdichteten“ Schutzabsicht nur dazu dient, den vom Recht her gebotenen Schutz zu relativieren? Nun sind wir vielfach daran gewöhnt, dass die Politik heutzutage auf eine merkwürdig verdrehte, mitunter schlicht irrationale Weise „tickt“. Und darum ist die (Öko-) Ideologie, der wir heutzutage ausgesetzt sind, auch so gefährlich: Sie wirkt wie ein Gift, das in kleinen Dosen ohne erkennbare Reaktion toleriert wird und das doch eine schleichende Umstimmung unserer Wahrnehmung bewirkt, die uns schrittweise von der Wirklichkeit entfernt. Eine Umstimmung, die uns nicht merken lässt, dass Worte ihre Bedeutung einbüßen. Sie verlieren ihren Sinn und werden „unwahr“. Wer dies zu spüren beginnt, steht vor einer Mauer – einer Mauer der Übersättigung mit sogenannten „Nachrichten“ und zugleich der unterlassenen Vermittlung der notwendigen (Tatsachen-) Kenntnisse an die Bürgerinnen und Bürger dieser Demokratie. Oft ist es schier unmöglich, durch das Gestrüpp der politisch-medialen Verfilzungen hindurch auf den Grund gesicherter Tatsachen zu blicken und sie von Vermutungen, tendenziösen Kommentaren, Erwartungen und Wunschhaltungen unterscheiden zu können. So wird es immer schwerer, diese Welt auf der Grundlage der eigenen Wahrnehmung (noch) zuverlässig deuten zu können. Und man fragt sich dann, wer hier nicht ganz dicht ist: Derjenige, der den Brei nicht (mehr) schlucken mag, den man ihm tagtäglich serviert? Oder derjenige, der ihn angerührt hat? Dr. Andreas Dumm, Malsch-Völkersbach, im Mai 2015 |
So weit, so schlecht.
Doch damit lange nicht schlecht genug:
Am 21. März 2017 erreicht uns diese Nachricht unserer Mitglieder vom Forum für regenerative Energie/Gegenwind Stühlingen:
Liebe Gerti, lieber Herr Ziegler hier im Schwarzwald-Baar-Kreis tut sich Unglaubliches:
Der Widerstand gegen die Windriesen ist mittlerweile in den umliegenden Gemeinden/Ortschaften sehr gut formiert und hat sich im Rahmen der BI zum Schutz des Hochschwarzwald effizient organisiert. Gegen die BimSchG-Genehmigungen wurden 123 Widersprüche eingereicht. Einen Überblick des Irrsinns gibt der Widerspruch unseres Forums, neu dazu gesellt sich der Grundwasserschutz mit Quellfassungen und Wasserversorgung für ca. 30000 Personen. Dieser wird in den nächsten Tagen konkretisiert und den Behörden zur Stellungnahme unterbreitet. Am 15. März forderte die BI Schwarzwald-Baar-Kreis vom Regierungspräsidium Freiburg eine Begehung, weil Kenner der Länge wesentlich mehr Greifvogel-Horste gefunden haben, als in den Antragsunterlagen aufgeführt. Bis heute ohne Antwort. |
Für alle Nicht-Ortskundigen:
Inmitten malerischer Schwarzwald-Landschaft wurden 13 Windkraftanlagen von 230m Höhe genehmigt, obwohl sich die geplanten Standorte allesamt in einem sogenannten “Dichtezentrum” befinden.
Eine Ortsbegehung, solange die Horste noch sichtbar und nicht vom Frühlingslaub verborgen sind, wird seitens der Genehmigungsbehörde abgelehnt.
Wir lernen:
Das als Feigenblatt gedachte Konzept der “Dichtezentren” wird sofort verworfen, wenn seine Anwendung den Profitinteressen der politisch wohlgelittenen Klientel zuwiderläuft. Anders ausgedrückt: Die Grünen Ideologen sind nackt.
Übrigens:
Der Konflikt zwischen Windkraft-Plänen und dem Artenschutz wurde am 20. März 2017 in diesem ZDF-Beitrag ab Minute 34 sehr schön herausgearbeitet: