Zum Jahreswechsel 2017/2018 macht ein Automobilhersteller mit einer großen Werbekampagne auf sich aufmerksam. In deren Mittelpunkt stellt die Firma mit den vier Ringen ihr vermeintlich weg- und zukunftsweisendes neues Antriebskonzept:
“Eigentlich fährt der Wind unser Auto”, lassen die Ingolstädter Marketingstrategen einen verträumten Jungen im Werbevideo als Kernbotschaft verkünden.
Auf der Internetseite wird der “innovative Weg in die Zukunft” näher dargestellt und als “Win-Wind-Situation” beschrieben.
Unter Marketingaspekten ist diese Kampagne zweifelsfrei sehr gut gemacht. Das technische Konzept hält allerdings einer näheren Betrachtung nicht stand:
Die „Technologie“, die Audi als innovativ verkauft, ist seit über 200 Jahren bekannt. Genauso lange stehen ihrem Siegeszug die großen Wirkungsverluste und (im Falle der Stromerzeugung aus Windkraft) der gigantische Flächenverbrauch bzw. die damit einhergehende Unwirtschaftlichkeit entgegen. Gegen diese letztlich physikalisch determinierten Faktoren haben auch die pfiffigen Ingolstädter bislang kein Mittel gefunden – eine Skalierbarkeit des 2013 gestarteten Pilotprojekts ist nicht gegeben:
Die Audi-Gas-Quelle im Emsland – die „weltweit größte Power-to-Gas-Anlage“ – produziert nach Audi-Angaben 1000t Methangas pro Jahr. Der Heizwert (Energieinhalt) von Methan beträgt 55 MJ/kg. Der Energieinhalt von 1000 t Methan (=1.000.000 kg) entspricht also 1.600.000 Litern Benzin. Dies ist zunächst ein stolzer Wert. Bei einem Verbrauch von 7,5 l/100 km kann man damit 21.000.000 km weit fahren. Um die tatsächliche Relevanz abzuschätzen, muss man diese Zahl allerdings in Relation zu den in Deutschland gefahrenen Kilometern sehen:
Die Gesamtfahrleistung aller PKW belief sich 2016 auf insgesamt 625,5 Milliarden Kilometer. Jeder PKW fuhr dabei durchschnittlich 14.015 Kilometer (Quelle: Kraftfahrtbundesamt). Der maximale Audi-Gas-Anteil daran beträgt also 35 x 10-6, also 35 ppm (Parts per Million). Ganz grob entspricht dies dem Inhalt von einem Drittel Schnapsglas (0,66 cl) im Verhältnis zu einer Badewanne voll Wasser (Inhalt 20.000 cl).
Für die deutschen PKW ist in der Summe Kraftstoff mit einem Energieinhalt von rund 450 Terawattstunden (TWh) erforderlich. Mit dem bekannten Power-To-Gas-Verfahren müssten für diesen Energiebetrag über 600 TWh elektrische Energie mit Windkraftanlagen bereitgestellt werden. Wenn man die dazu erforderlichen 100.000 Windkraftanlagen gleichmäßig über die noch bebaubare Fläche von Deutschland verteilt, beträgt der Abstand von Anlage zu Anlage gerade mal 1700m. Allein für den Antrieb der innovativen Methan-Audis würde ganz Deutschland in einem Wald von Windrädern versinken. Wie so etwas aussehen könnte, kann man in diesem Video ermessen.
In dieser Zahl sind die Anlagen für die Versorgung des Landes mit Strom nicht einmal berücksichtigt. Die Leistungsschwankungen von 100.000 Windrädern würden in der Spitze bei 50.000 MW pro Stunde liegen, nach heutigen Maßstäben ist das ein kontrollierter Blackout des gesamten Stromnetzes. Diesen zu beherrschen, überlassen wir gern den Fachleuten in der Audi- Entwicklungsabteilung.
Aus diesen Größenordnungen ergibt sich, dass von unserem Land außer einem einzigen gigantischen Windindustriegebiet nichts mehr übrig bliebe und alles Natürliche und Lebenswerte zigtausenden weiteren Windenergieanlagen weichen müsste, wenn man einen substantiellen Anteil der Mobilitätsbedürfnisse mit “Windautos” abdecken wollte – insofern handelt es sich bei den “wegweisenden Konzepten” um Albträumereien. Derlei Absurditäten unter dem Motto „Vorsprung durch Technik“ zu vermarkten, ist der ingenieurwissenschaftlichen Tradition unseres Landes geradezu unwürdig.
Die Wahl des Vergleichsgetränks Schnaps ist jedenfalls nicht ganz zufällig – als Attribut für die Idee, dass es sich um einen „Weg in die Zukunft“ handele, lässt es sich umweltfreundlich wiederverwenden.
Schnappsidee hin oder her, als “Win-Wind-Situation” ist die Kampagne insofern treffend beschrieben, als sie sowohl der Windenergie-Lobby als auch der in Verruf geratenen Automobilbranche zupass kommt:
Die unhaltbare Behauptung der Ingolstädter, dass ihr Konzept den Zappelstrom endlich in großem Stil speicherbar mache,
nährt die Lösbarkeitsillusion – Herr Albers dankt.
Das Experiment mit “klimafreundlichem” Gas wiederum dient Audi als “klimapolitisches” Feigenblatt:
Die immer strengeren europäischen Flottenrichtwerte machen den Herstellern größerer und stärker motorisierter Fahrzeuge schließlich das Leben bzw. regelkonforme Produzieren schwer. Auch wenn die CO2-Einsparung durch “Audi-Gas“aus globaler Sicht lächerlich ist, so kann dieses Feigenblatt im Dschungelbuch der EU-Bürokratie von großem Nutzen sein: Womöglich findet sich ein offenes Ohr für den Vorschlag, die “nachhaltige Technologieentwicklung” auf einschlägige Vorgaben anrechnen zu lassen.
Ökologisch oder ökonomisch wünschenswert wäre dies nicht – im Gegenteil. Wenn es um die Reduktion der Belastung von Mensch und Natur durch individuelle Mobilität geht, so sind offene Ohren weder Wind- noch Autolobbyisten, sondern vielmehr unabhängigen Fachleuten zu wünschen. Einer davon sei hier zitiert:
Dem verträumten Jungen aus dem Werbefilm wünschen wir, dass er sich noch viele eigene Gedanken machen kann, die ihm nicht durch ein trickreiches Drehbuch vorgeben werden. Verglichen mit windigen Feigenblättern sind die in trickreichen Zeichenfilmen dargestellten Antriebe nämlich mindestens ebenso “zukunftsweisend”, dabei aber wesentlich ressourcenschonender:
Die erfolgreich erprobte Konzeptstudie des Herrn F.F. erscheint gegenüber der von R.S. ersonnenen Windmaschine in der Gesamtschau deutlich überzeugender.
Sehr bedauerlich, dass weltweit anerkannte Unternehmen durch falsche, auf Detailsteuerung fixierte, Politik und Regulierung auf derartige Holzwege gezwungen werden.
Die VERNUNFTKRAFT. – Redaktion meint: Lieber Vorsprung im Trickfilm als Vorsprung durch Tricksen.