Am 19. Januar 2018 gab die WELT Herrn Dr. Patrick Graichen (als Anhänger schmutziger Irrtümer bekannt) die Gelegenheit, seine Meinung zu den durch Windenergieanlagen erzeugten Verwerfungen im Stromerzeugungssystem kundzutun:
Die in jenem Artikel aufgestellten Behauptungen des Denksportbehördenleiters entsprechen exakt dem Motto, das ein bekanntes Mitglied des Bundestages gut vier Jahre zuvor als a capella-Version zum Besten gegeben hatte (hier zum Nachhören).
Professor Albrecht Pfaud widerstand der Versuchung, mitzusingen.
Er zog es vor, die trickbetrügerischen Postulate näher zu prüfen und das Ergebnis am 19. Februar 2018 an VERNUNFTKRAFT. zu übermitteln:
von Albrecht Pfaud Am 19.1.2018 erschien in der Welt ein bemerkenswertes Interview des Direktors der Denkfabrik Agora Energiewende, Patrick Graichen, in dem er auf einen Artikel reagierte, der die Praxis aufs Korn nahm, überflüssigen Zappelstrom – vor allem aus Windkraft – gegen Bares im Ausland zu entsorgen. Er brachte dazu einleitend einige Beispiele von Rabatten und Werbeaktionen, bei denen Anbieter zum Vorteil der Kunden auf den „Normaltarif“ verzichten. Sinn der Ausführungen war darzustellen, dass die Vergeudung von Millionen eine Bagatelle sei, die der Verbraucher gerne aufbringen sollte, denn dadurch würden die Kraftwerke dazu angehalten, in Zukunft schneller und besser den Strom aus konventioneller Erzeugung abzuregeln. Offenbar fiel ihm dabei gar nicht auf, dass die fehlende Analogie seiner Beispiele zum Fall der mit Negativpreisen entsorgten Strommengen sein Anliegen nicht nur nicht stützt, sondern gerade unterstreicht, welchen Wahnsinn wir uns mit dem EEG und der vorrangigen Abnahme des Zappelstroms eigentlich leisten. Die Beispiele, die Herr Graichen nennt, haben alle eins gemeinsam: die Rabatte von Telefonanbietern und Fluggesellschaften werden von denen bezahlt, die sie gewähren. Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch, heißt die Devise normalerweise. Nicht so beim EEG, das den Spieß umdreht. Denn der Zappelstromaktionär will seine gesetzlich garantierte Vergütung einstreichen, egal wie hoch der Schaden ist, den sein Produkt verursacht. Die Kosten werden natürlich auf die Verbraucher abgewälzt, im Falle der Differenz von Börsenpreis und garantierter Vergütung durch die EEG-Umlage, im Falle der rasant wachsenden Ausgaben für Redispatch mit dem sog. Netzentgelt auf alle. Wenn in 2017 die Entsorgung des Zappelstroms 18 Millionen Euro kostete, wie Herr Graichen in dem Artikel behauptet, erschreckt das so Spießbürger wie uns, die wir brav unsere Steuern und Stromrechnungen bezahlen. Da fehlt uns einfach die Großzügigkeit des AGORA-Chefs. Denn man muss diese Summe dadurch relativieren, dass wir sie in Beziehung setzen zu dem, was wir an EEG-Umlage sowieso schon blechen müssen. Er hat natürlich Recht, dass “die paar Millionen” kein Aufreger sind, wenn man sie „in Beziehung zum Gesamtumsatz der Branche“ setzt. Wir reden immer mit den Zahlen von AGORA von 180 Millionen auf 18 Milliarden. Das ist ein Prozent, wie er auch richtig gerechnet hat. Wo die 18 Milliarden herkommen, verrät Herr Graichen übrigens nicht so genau. Das BMWi nennt im Bericht „EEG in Zahlen”: Vergütungen, Differenzkosten und EEG-Umlage 2000 bis 2018 (Stand 16.10.2017)“ immerhin 22,88 Milliarden für 2016 und 24,98 Milliarden für 2017 allein als Differenz der Vergütungen minus Marktwert des Stroms. Kleinlichkeit sei nicht unsere Sache, trotzdem bleiben drei Punkte offen:
In Zahlen nur für Monat Dezember 2017 (Achtung: Stellen zählen, es geht um Milliarden!): Das ist wohlgemerkt nur der Monat Dezember 2017. Hätte Herr Graichen sich dafür verwendet, wenigstens die (aufgerundet) 41 Millionen nur in diesem Monat den Zappelstromaktionären anzurechnen, dann wäre das zwar mit 5% kein besonders großzügiges Trinkgeld für Otto Stromverbraucher gewesen, aber wir hätten uns die glatte Zahl „eine Milliarde“ besser merken können. Für eine Institution wie AGORA, die immerhin wissenschaftlich vorgebildete Mitarbeiter beschäftigt, überrascht, wie unverfroren abgetan wird, wenn den Gebührenzahlern in die Tasche gegriffen wird. Auch kein Wort darüber, dass allein die Redispatch-Kosten, ausgelöst durch den kaum zu bändigenden Zappelstrom, ebenfalls die Milliardengrenze erklommen haben. Ein Pressesprecher der Zappelstromlobby hätte es nicht besser sagen können und wir sehen ein weiteres Mal, wie bitter nötig wir den Widerstand gegen ein EEG haben, das nicht nur teuer ist und die Umverteilung von unten nach oben forciert, sondern auch die Netzstabilität gefährdet und zur Versorgungssicherheit nichts beiträgt, denn für den Fall der Dunkelflaute müssen wir ohnehin den gesamten konventionellen Kraftwerkspark am Netz vorhalten. Wir zahlen also ein vollständiges Parallelsystem, um ein paar Ökoträumern die Sehnsucht nach einer risikolosen Geldanlage zu erfüllen. Zum Glück haben wir es ja. | ||||
VERNUNFTKRAFT. dankt Herrn Dr. Graichen für die implizite Gesangseinlage und Herrn Prof. Pfaud für den expliziten Kommentar.