Zu Ostern 2018 übermittelt uns VERNUNFTKRAFT.-Mitglied und Allgemeinmediziner Dr. med. Stephan Kaula einen sehr interessanten Aufsatz aus seiner Feder. Wir danken ihm und freuen uns, seinen Denkanstoß unverändert zu veröffentlichen.
von Stephan Kaula Dieser Aufsatz eines Allgemeinmediziners beleuchtet die vielleicht überraschende Frage, ob durch die politische Umsetzung der sog. Energiewende in Deutschland Windindustrieanlagen-Anwohner zu einer gesellschaftlich diskriminierten Minderheit geworden sind. Dies wird anhand der Definition von Minderheiten wie auch Mediendarstellungen und realen Begebenheiten betrachtet und letztlich eindeutig als zutreffend erkannt. Einleitung Auf den ersten Blick scheint es überraschend und gewagt zu sein, Anwohner von Windindustrieanlagen mit einer verfolgten ethnischen oder religiösen Gruppe zu vergleichen. Und irgendwie entsteht da auch ein Gefühl, ungerecht gegenüber wirklich Verfolgten zu sein. Um diesen auftretenden inneren Widerstreit zu versachlichen, ist es hilfreich, sich auf die wissenschaftliche Definition zu beziehen: Was ist eine gesellschaftlich benachteiligte Minderheit und wann sollte diese einen besonderen Schutz erfahren? Eine Minderheit ist ein zahlenmäßig kleinerer Teil einer Gesamtheit, der sich von ihr in einem bestimmten Aspekt unterscheidet, wie in Ethnie, Sprache, Verhalten, Religion, Moralvorstellungen, Sexualität. Unter dem Einfluss der amerikanischen Soziologie wurde der Begriff in den letzten 50 Jahren auf praktisch alle Gruppen erweitert, deren Auftreten von den vorherrschenden Verhaltensweisen abweicht, Ein Schutzbedarf dieser Minderheit besteht laut Völkerrecht, wenn die Mehrheit diese Minderheit dominiert, sie schlechter oder als minderwertig behandelt und ihr weniger Einfluss gewährt, als dem Rest der Bevölkerung.. Unter diesen Aspekten möchte ich im folgenden Aufsatz betrachten, ob Windindustrieanlagen-Anwohner (oder künftige Anwohner) zu einer schutzbedürftigen Minderheit in Deutschland gehören. Dabei bitte ich zu berücksichtigen, dass ich kein Soziologe oder Psychologe, sondern Allgemeinmediziner bin, der über 30 Jahre als Hausarzt tätig war und als künftiger Anwohner eines Windparks selbst ein Betroffener ist, also ein Windindustrieanlagen-Opfer und nicht Gegner. „Windkraftgegner“ ist ein unzutreffender Begriff, den die Politik dieser Gruppe aufgedrückt hat. Dass wir diese Bezeichnung zuließen, in der die Rollen von Täter und Opfer subtil vertauscht werden, zeigt wie weit der Prozess der Diskriminierung bereits weitgehend unbemerkt fortgeschritten ist. Dieser Aufsatz erhebt also nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit. Mein Wunsch ist es allerdings, dass Soziologen und Psychologen auf dieses Thema aufmerksam werden und vielleicht selbst eine solche Untersuchung auf wissenschaftlicher Grundlage vornehmen. Beabsichtigt ist auch deutlich zu machen, dass demokratisches Verständnis und die gebührende Achtung von Minderheiten etwas ist, um das eine Gesellschaft auch heute und in Zukunft immer wieder wird ringen müssen. Inwieweit wir das schaffen, ist ein Maßstab, an dem wir unsere Gesellschaft, vor allem aber unsere Politiker messen sollten. Und zuletzt ist es auch Absicht, den Menschen, die zwangsweise zu Windindustrieanlagen-Opfern werden oder geworden sind, ein neues Selbstverständnis zu geben: Ja, es ist ein erhebliches Unrecht, das da mit staatlicher Gewalt durchgezogen wird. Und es besteht nicht nur das Recht, sondern sogar die Verpflichtung der Politik und der Mehrheit der Bevölkerung mit deutlicher Stimme klar zu machen, dass das nicht einfach still hingenommen werden kann. Das Unrecht ist zu benennen wie auch die Verantwortlichen dafür. Vorgeschichte Im Rahmen der Diskussionen zur Abwendung der vom Weltklimarat festgestellten Klimaerwärmung und dem von der Mehrheit der beteiligten Wissenschaftler als Ursache ausgemachten globalen CO2 Anstiegs wurden, vor allem von der Grünen Bewegung Deutschlands, wichtige Kursänderungen in der Energiepolitik gefordert. Dieser Impuls, der in der ‑Energiewende- mündete, verlor dabei auf seinem Weg von naturwissenschaftlicher Betrachtung und Theorie hin zu praktischer politischer Umsetzung immer mehr an wissenschaftlicher Nüchternheit und bekam Aspekte eines Medienfeldzugs mit stark propagandistischem Beiklang. In die immer schwerer zu führende wissenschaftliche Diskussion mischte sich die deutsche Regierung in der Weise ein, dass sie selbst mit z.B. sog. Faktenpapieren von durch sie ausgewählten Fachleuten, die Grundlagen all dessen bestimmte, was wissenschaftliche Wahrheit sei. Von da an war es erlaubt, mit eigentlich sinnleeren Begriffen wie „Klimaleugner“ oder „Verschwörungstheoretiker“ jede kritische Stimme eines Wissenschaftlers zu Boden zu ringen und mundtot zu machen. Solche Kritik wurde auf dem Scheiterhaufen der „fake news“ geächtet und aus den Medien verbannt. Entscheidende Fehlentwicklungen:
In Deutschland werden also zunehmend mehr Windkraftwerke aufgestellt und deshalb müssen gleichzeitig immer mehr abgestellt werden. (Siehe Kompendium zur Energiewende auf: www.Vernunftkraft.de.) Windkraft bekommt Vorrang. Im „Kampf gegen den Klimawandel“ kam es 2004 zur Novellierung des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer Energien. Damit gab sich die Regierung selbst das Recht, sich bei der konkreten Umsetzung der „Energiewende“ so zu verhalten, als lebten wir in einem Ausnahmezustand, der eine Beschneidung der Bürgerrechte zu rechtfertigen schien. So durfte der Staat nun selbst gegen den ausdrücklichen Willen großer Teile der Bevölkerung, ja sogar gegen die geschlossenen Interessen ganzer Gemeinden und halber Regionen unter Aushebelung des Naturschutzes und mitten im Wald, seine Windkraftprojekte ohne Wenn und Aber durchsetzen. Die Akzeptanz der Grundstücksbesitzer, Flächen zur Windkraftnutzung zur Verfügung zu stellen, wurde und wird mit Pachtzahlungen gewonnen, die fünfzig bis hundertfach (50 bis 70.000 Euro/Jahr und Windrad) über dem realen Ausfallschaden liegen und für 20 Jahre garantiert sind. Diese „Akzeptanz Fördermaßnahme“ muss man daher eher als staatliche Bestechung einordnen. Gesellschaftliche Folge war die Spaltung ganzer Landgemeinden in Profiteure und Opfer der Windkraft. Damit wurde ein formierter Widerstand dieser Minderheit von Windkraftanlagenanwohnern sehr früh im Keim erstickt. Die aktuelle Version dieser Bestrebungen des Staates, den zunehmenden Widerstand gegen den weiteren Windkraftausbau mit Geld aufzuhalten, sind „Bürgerwindparks“ bei denen die Bürger zu Betreibern werden sollen. Welchen destruktiven Zündstoff die Regierung mit all ihren Maßnahmen hinab in die ländliche Bevölkerung und die damit massiv überforderte lokale Politik gebracht hat und bringt, davon bekommt die in den Städten und Ballungszentren wohnende Mehrheit der Bevölkerung nichts mit. Richterliche Urteile folgten auch den staatlichen Zielen. Hinzu kam, dass Windkraft-Planungen regelmäßig vor den betroffenen Anwohnern verdeckt und schnell vorangetrieben wurden, sodass ihnen nahezu jede Möglichkeit genommen wurde, auf diesen Prozess Einfluss zu nehmen. Zwischenbilanz: Die Opfer des Ausbaus der Windindustrieanlagen werden fast ausschließlich den Anwohnern im ländlichen Raum abverlangt, fern von den Großstädten und Ballungszentren, in denen die gesellschaftliche Mehrheit wohnt. Diese gesellschaftliche Mehrheit dominiert und bestimmt den Umgang mit dieser Minderheit von Windindustrieanlagen Anwohnern, die gegen ihren Willen und ohne wesentliche Möglichkeiten sich dagegen zu wehren, gesundheitlich psychisch und physisch beeinträchtigt oder sogar verletzt werden, ihrer Lebensqualität und ihres Besitzes beraubt und in ihren Rechten deutlich eingeschränkt wurden und werden. Damit sind dem Grunde nach alle Kriterien einer schutzbedürftigen Minderheit laut Völkerrechts-Definition erfüllt. Wollte man den Schaden, der dieser Minderheit zugefügt wird, finanziell bemessen, so würde er sich in Milliardenhöhe beziffern. Zeichen der Diskriminierung Jedoch noch mehr als die Auflistung der Benachteiligungen, die eine Minderheit erfährt, beweist die Art und Weise, wie man mit dieser ungeliebten Bevölkerungsgruppe umgeht, dass es sich tatsächlich um eine benachteiligte gesellschaftliche Minderheit handelt. Dabei werden alle Register gezogen, die eine Gesellschaft dazu benutzt, um sie an den Rand zu drängen, zu diskriminieren und mundtot zu machen. Stufe 1: Ignorieren ist die Devise „Es existiert kein Problem“ ist die einfachste Möglichkeit aus Sicht der Mehrheit mit dem unbequemen Hilferuf einer Minderheit umzugehen. Dieser Ruf wird von der Mehrheit ausgeblendet. Man gibt keine Antwort, zeigt keine Reaktion, schenkt keine Aufmerksamkeit. So verhält sich die Presse, die Medien, die Politik. Den Anwohnern geht es hier wie der Natur, die für die Entwicklung nicht verantwortlich ist und dennoch für die Windkraft die Opfer bringt und weiter erbringen soll. Und wenn die „Grünen-Bewegung“ und die großen Naturschutzverbände unserer Natur ihren Schutz verweigern, wer sollte dann jemals die Klagen der Natur hören und vertreten? Hier eine kleine Auswahl von Beispielen über die Praxis der Ignoranz, mit denen die überall in unserem Land betroffenen Windkraftanlagen-Anwohner ganze Bände füllen könnten:
Stufe 2: Herabwürdigen, lächerlich und unbedeutend machen. Wenn Windindustrieanlagen-Anwohner (oder künftige Anwohner) dann immer noch nicht stillhalten und sich weiterhin beschweren und wehren, geht man fließend zur nächsten Stufe der Eskalation über. Die Minderheit wird offen herabgewürdigt, ihre sachlichen Anliegen weiterhin möglichst ignoriert. Hilft das nicht, so werden die inhaltlichen Anliegen verdreht und pauschaliert, um sie lächerlich zu machen. So sind Windkraftanlagen-Anwohner und Kritiker auch nicht generelle „Gegner aller Windkraftanlagen“, wie es gerne vereinfachend dargestellt wird, um sie im Vorhinein dumm dastehen zu lassen. Ein paar Beispiele:
Diese Diskriminierung der Minderheit dient dazu, weiter auf diese herabsehen zu können und ihr nicht auf Augenhöhe begegnen und sich mit ihr und den vorgebrachten Inhalten auseinandersetzen zu müssen. Dass es sich hier aber um ein ernst zu nehmendes Anliegen handelt, mag man zum Beispiel am hohen Anteil von Medizinern in den entsprechenden Bürgerinitiativen ablesen, die sich offen kritisch mit den Folgen der Windenergienutzung auseinandersetzen. Vermutlich hat das damit zu tun, dass wir Ärzte uns mit der ganzen Spannbreite von naturwissenschaftlichen Fakten über gesellschaftliche Aspekte bis hin zu rein persönlich-menschlichen Belangen befassen, was der Breite des Themas Windkraft entspricht (siehe Ärzte für Immissionsschutz: aefis.jimdo.com ). Stufe 3: Opfer werden zu „Tätern“ gestempelt Diese Eskalationsstufe des Konfliktes der Mehrheit mit der Minderheit ist von immer offeneren Angriffen gekennzeichnet. Typisch ist dabei, dass die Mehrheit auf subtile Weise dabei Opfer und Täterrolle vertauscht und den Opfern, die ja primär nur auf das ihnen zugefügte Unrecht aufmerksam machen wollen, aggressive Absichten unterstellt. Sie werden zu Unruhestiftern und Windkraft-Gegnern abstempelt, zu Aggressoren erklärt, gegen die man sich wehren und die man bekämpfen muss.
Ohne weiteren Kommentar : Welt.de von Daniel Wetzel, 20.03.2018 : „Das peinliche Zeugnis für die deutsche Energiewende: Deutschland, ökologischer Vorreiter und Musterschüler im Klimaschutz? Das stimmte wahrscheinlich nie. Im ersten globalen Energiewende-Ranking kommt die Bundesrepublik aber noch nicht einmal in Europa unter die Top Ten.“ Fazit: Auch und gerade die Analyse, wie die deutsche Gesellschaft der Minderheit von Windindustrieanlagen-Anwohnern, künftigen Anwohnern und ihren Unterstützern gegenübertritt, macht deutlich, dass die Annahme dieses Aufsatzes, es handele sich hier um eine öffentlich und auch politisch diskriminierte Minderheit, eindeutig zutreffend ist. Schlussgedanken: Folgende Fragen möchte ich abschließend in den Raum stellen: Wie konnte unser demokratisches System zulassen, dass es zu dieser Entwicklung kam? Wie konnte man so lange verkennen, dass der Anspruch und die Wirklichkeit der Energiewendepolitik so weit auseinandergedriftet sind? Und haben die hehren Ziele wirklich das dirigistische Vorgehen der Politik gerechtfertigt? |
Den Aufsatz können Sie hier als PDF herunterladen.