Immer wieder verkünden schlecht informierte und/oder böswillig täuschende Entscheidungsträger und Meinungsbildner, dass die “Energiewende” dem Schutz des Klimas diene und daher “alternativlos” sei. Wider alle Vernunft wird mit dieser Begründung dem weiteren, gar beschleunigten Windkraftausbau das Wort geredet. Exemplarisch seien mit Angela Dorn, Priska Hinz und Ingrid Nestlé drei Politikerinnen der Grünen angeführt.
Die schlichte Argumentationskette, die diese Damen (und ebenso viele Herren) bemühen, haben wir bereits 2013 auf die einzig mögliche Art – als “schlechten Witz” – interpretiert.
Unzählige Male haben wir dargelegt, warum die “Energiewende”, soweit sie auf den Ausbau der Windkraft setzt, dem vorgeblichen Klimaschutz nicht dient und warum alle durch den Windkraftausbau der Natur und den Menschen abverlangten Opfer sinnlos sind. Die ökonomischen, technischen, ökologischen, sozialen und medizinischen Risiken und Nebenwirkungen des sinnlosen Opferkults haben wir im Kompendium zusammengefasst.
Am 5. September 2018 wurde uns darüber hinaus eine juristische Sichtweise erläutert, derzufolge die plumpe Logik à la “Wälder brauchen Windräder” und die Predigt von der “alternativlosen Energiewende” nicht nur geschmacklos, sondern sogar verfassungswidrig ist:
Am Berliner Gendarmenmarkt erläuterte der Münsteraner Verwaltungsrechtler Norbert Große Hündfeld zwei Mitgliedern des VERNUNFTKRAFT.-Vorstands, warum der gegenwärtige Windenergieausbau in Verletzung des Grundgesetzes geschieht. Anknüpfungspunkt seiner Argumentation ist Artikel 20a GG und die zwingend notwendige, aber notorisch unterlassene Güterabwägung.
Seit Oktober 1994 enthält das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland dieses Schutzversprechen:
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
Art. 20a GG
Das, so erläuterte RA Große Hündfeld unter kenntnisreicher Schilderung erster Fälle aus den 1990er Jahren, bedeutet:
Wenn die Staatsziele Nachhaltigkeit und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen tangiert sind, ist die Güterabwägung zwingend für die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns. Staatliches Handeln wird angreifbar, wenn ohne Güterabwägung vorgegangen wird.
Dass die Ansiedlung von Windkraftanlagen – insbesondere im Wald – Schäden an der Natur hervorruft, ist offenkundig und wird von keinem ernst zu nehmenden Akteur bestritten. Es wird jedoch implizit oder lautstark unterstellt, dass dies im Vergleich zum Nutzen bzw. eines dadurch verhinderten anderweitigen Schadens das “kleinere Übel” sei. In der Politik mag eine solche unkritische ad hoc Unterstellung praktikabel sein. Im Bereich des Verwaltungsrechts ist sie es nicht. Hier ist, so Große Hündfeld, zwingend eine differenzierte Güterabwägung vorzunehmen.
Sollen naturschädigende Windkraftplanungen einer solchen Güterabwägung standhalten und somit verfassungskonform sein, so müsste gezeigt werden, dass
- die Maßnahmen zur CO2-Absenkung tatsächlich dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen dienen. Was sich trivial anhört, ist es in Wahrheit nicht. Das IPCC schreibt im fünften Sachstandsbericht von 2013 (WG II Part A, S. 67 und 275), dass noch keine einzige Art wegen des bisherig beobachteten Klimawandels ausgestorben sei. Dies sei auch nicht zu erwarten, solange der Anstieg der Weltmitteltemperatur im Bereich weniger Grad bliebe. Insbesondere seien die nördlicheren Breiten weniger vom Klimawandel betroffen als die Tropen. Als Begründung wird angeführt, dass Biosysteme flexibel auf Änderungen von Witterung und Klima reagierten durch eine Verschiebung von Habitaten entlang sich verschiebender Klimazonen.
- die Windkraft überhaupt dazu in der Lage ist, zu einer Absenkung der CO2-Emissionen beizutragen. Auch hier ist die Beweislage weitaus weniger eindeutig, als es in der veröffentlichten Meinung den Anschein hat. Immerhin sind die Emissionen der deutschen Stromproduktion seit 2009 kaum abgesunken. Dennoch geht das Umweltbundesamt von einer merklichen rechnerischen Entlastung der deutschen CO2-Bilanz durch “Ökostrom” aus, allerdings werden diese Rechnungen in der Praxis nicht ansatzweise erreicht. Ursächlich ist die stark schwankende Einspeisung aus Solar- und Windkraftwerken.
- die Nutzung der Windenergie nicht im Gegenteil zu einer Steigerung der CO2-Emissionen beiträgt. Wind- und Solaranlagen, aber auch Wasserkraftwerke verschlingen etwa 10 – 20 Mal mehr Rohstoffe je produzierter Terawattstunde als Kernkraftwerke. Diese Rohstoffe müssen unter Emissionen von CO2 gewonnen werden und auch der Bau der Windkraftanlagen, erzeugt CO2-Emissionen, etwa wenn große Waldflächen dafür gerodet werden. Hierin noch nicht eingerechnet sind die erheblichen Emissionen, die bei der Produktion von Stromspeichern freigesetzt werden, die für eine Stromversorgung aus Sonne und Wind unbedingt nötig sind. Eine ehrliche und umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung hierüber steht noch aus.
- die Eingriffe in die natürlichen Lebensgrundlagen durch die Nutzung der Windenergie die positiven Folgen ihrer Nutzung aus (1) bis (3) nicht übersteigen und sich dadurch rechtfertigen lassen. Gerade beim Anbau von Biomasse wie Raps und Mais in großen landwirtschaftlichen Monokulturen und bei der Nutzung der Windenergie im Wald dürfte dieser Nachweis schwierig zu führen sein, da die Eingriffe für Insekten, Greifvögel und Fledermäuse oft tödlich enden.
Zu einer Güterabwägung gehört auch, Alternativen zur Erfüllung des Staatsziels Nachhaltigkeit zu überprüfen. So ist ein wirtschaftlich effizientes Mittel zur Absenkung von CO2-Emissionen der Handel mit Emissionszertifikaten. Frankreich und Schweden, die beide die Kernenergie zur Stromerzeugung nutzen und dies auch langfristig tun werden, emittieren pro Kopf viel weniger CO2 als die Deutschen. Ein Ausbau der Nutzung der Kernenergie wäre also auch ein wirksames Mittel, um wie angestrebt die CO2-Emissionen abzusenken.
Bisher hat es der Gesetzgeber eindeutig versäumt, eine Güterabwägung vorzunehmen.
Käme eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen des EEG im Zusammenspiel mit Artikel 20a GG zustande, hätte sie vermutlich Aussicht auf Erfolg. Allerdings sind die Hürden für eine Normenkontrollklage hoch. Dem einzelnen Bürger ist dieses Instrument verwehrt. Klageberechtigt sind jedoch die Bundes- und die Landesregierungen sowie ein Viertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestags (Art. 93 Abs. 2 Grundgesetz).
Für Bürgerinitiativen bieten sich allerdings erhebliche Angriffsflächen, sofern Windkraft-Projekte im Wald durch Pachtverträge der öffentlichen Hand ermöglicht werden. Vielleicht findet sich ja auch eine Landesregierung für eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Verfassungsmäßigkeit des EEG oder einzelner Aspekte hierzu. Der Vitalität unseres Rechtsstaats sowie dem Wohl von Mensch und Natur wäre dies sehr dienlich. Rechtsanwalt Norbert Große Hündfeld bietet seine Expertise gerne an.
VERNUNFTKRAFT. wird seine Aktivitäten weiter unterstützen und wünscht seiner Argumentationskette vollen Zug. Für deren Aufbereitung und Präzisierung danken wir Dr. Björn Peters – ebenso für die freundliche Überlassung von Passagen seiner Kolumne zum selben Thema.
Eine sehr lesenswerte und detaillierte Abhandlung zu allen oben genannten vier Elementen einer Güterabwägung ist das Verdienst des Herrn Professor Werner Mathys (Erstunterzeichner des Johannisberger Appells):
Auf dieser Seite (externer Link) finden Sie Professor Mathys’ Einlassungen zum Thema regelmäßig aktualisiert.