Am 5. Februar 2023 ist von Ankündigungen des Bundeskanzlers zu lesen, die dieser in einem Interview mit der Bild am Sonntag verlauten ließ. Demnach sollen bis 2030 weitere 10.000 Windkraftanlagen in Deutschland errichtet werden, und zwar durchschnittlich vier bis fünf am Tag.
Mit dieser Marschvorgabe gibt der Kanzler den Plänen seines grünen Wirtschafts- und Klimaschutzministers Rückendeckung und führt unser Land gewaltig auf den Holzweg. Wir haben dies in einer Pressemitteilung kommentiert.
Die Zielvorgabe bedeutet zwangsläufig eine erhebliche Schädigung von Fauna und Flora, eine weitere Gefährdung der Versorgungssicherheit und weiter steigende Strompreise.
Implikationen für die Preise…
Es müsse ein “Deutschland-Tempo zum Ausbau von Wind- und Solarenergie her, damit wir weniger Gas, Kohle und Erdöl importieren”, befand der Bundeskanzler. Wer in der Koalitionsvereinbarung nachliest, wird feststellen, dass bereits im Dezember 2021 ein massiver Gaskraftwerksausbau angekündigt wurde, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien überhaupt zu ermöglichen. Denn ohne Backup-Kraftwerke würde Deutschlands Stromversorgung bei Dunkelflauten, die durchaus über Wochen andauern können, zusammenbrechen.
Der in der Vorwoche veröffentlichte Bericht der Bundesnetzagentur (BNetzA) zur “Versorgungssicherheit Strom” zeigt, wie überarbeitungsbedürftig die Kanzler-Reden in Sachen Verringerung der Importabhängigkeit von Erdgas bei stärkerem Windkraftausbau sind. Die BNetzA hält es für erforderlich, 20.000 Megawatt an Gaskraftkapazität zusätzlich neu zu bauen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Klar ist: Das entspricht etwa 40 bis 50 neuen Gaskraftwerken. Völlig unklar ist: Wer baut diese Kraftwerke? Woher kommt das Gas, um sie zu betreiben? Zu welchen Preisen wird es geliefert und wie werden die Gaskraftwerke die Strompreise beeinflussen?
Wie wenig belastbar die gesamte Stromplanung bis 2030 ist, zeigen die Annahmen bezüglich der Preisentwicklung von CO2 – Zertifikaten und Erdgas.
(Quelle : Bundesnetzagentur).
Dass der Gaspreis in den nächsten Jahren wieder auf etwa 2,5 €ct/kwh fällt, ist ziemlich unwahrscheinlich. Und dass der CO2-Preis langfristig auf 200 € pro Tonne klettern soll, bedeutet nichts Gutes für die Strompreise: Ein Gaskraftwerk emittiert pro erzeugter Kilowattstunde 0,42 Kilogramm CO2. Ein Preis von 200 € pro Tonne lässt den Gasstrompreis um 8,4 €ct/kwh steigen. Selbst wenn der Gaspreis auf 2,5 €ct/kwh zurückginge, würde ein Strompreis von über 13 €ct/kwh resultieren – bei einem Wirkungsgrad des Gaskraftwerkes von 50%.
Man könnte entgegen, dass der Löwenanteil des Stroms durch Solar und Wind erzeugt werden soll. Allerdings steigen seit 2021 auch die Kosten für Solar und Windkraftanlagen deutlich an. Grund dafür sind die rasant steigenden Material- und Kapitalkosten. In einer großen Windkraftanlage stecken etwa 30 Tonnen Kupfer. Kupfer kostet mittlerweile 9000 US-Dollar pro Tonne. Um dem entgegenzuwirken, ließ der Bundeswirtschaftsminister kurz vor Weihnachten 2022 die Einspeisevergütung für Onshore-Windkraftanlagen von 5,88 auf 7,35 €ct/kWh anheben. Für Schwachwindstandorte wurde die Einspeiseregelung gar auf über 8,5 €ct/kwh erhöht. Diese um 25% höhere Einspeisevergütung wird für neue Anlagen auf 20 Jahre festgeschrieben. Ganz abgesehen von den systemischen Kosten (Netzausbau und ‑stabilisierung) wird der Ausbau damit die Strompreise weiter steigen lassen. Gleiches gilt für die Solarenergie. Zur Erzeugung einer Tonne Silizium benötigt man 15.000 kwh Strom. So erhöhte die Bundesregierung die Einspeisevergütung kurz vor Weihnachten von 6,33 €ct/kwh auf 8,2 €ct/kwh.
Mit diesen Preisen für Gas, Wind und Solarenergie entfernt sich die Bundesregierung meilenweit vom Ziel des Bundeskanzlers, der im Wahlkampf einen Industriestrompreis von 4 €ct/kwh forderte. Dieser liegt in den USA und China bei 3–4 €ct/kwh. Der französische Industriestrompreis auf Basis Kernenergie liegt bei 4 €ct/kwh.
Seit Einführung des EEG im Jahr 2000 haben sich die Strompreise in Deutschland für Privathaushalte verdreifacht, für die Industrie verneunfacht.
Quelle: BDEW.
Die Vorgaben des Kanzlers werden diese Entwicklung fortsetzen und verstärken.
…und für die Versorgungssicherheit
Die Bundesnetzagentur weist ferner darauf hin, dass die Stromversorgung in den nächsten Jahren nur gesichert ist, wenn steigende Importe aus Frankreich, Tschechien und Polen stattfinden und wenn “Lastmanagementpotentiale zur Lastreduktion in Knappheitssituationen” erfolgen. Die vernebelnde Sprache bedeutet im Klartext, dass Versorgungssicherheit nur gewährleistet ist, wenn industrielle und private Verbraucher jederzeit abgeschaltet werden können. Eine beeindruckende Neudefinition von Versorgungssicherheit!
Dieser Logik folgend schlägt die BNetzA vor, nötigenfalls die Leistung von E‑Auto-Ladestationen und Wärmepumpen zu drosseln. Wie berichtet wurde, sollte in Mangelsituationen lediglich eine Reichweite von 50 km durch die Ladestation ermöglicht werden. Die Energiewende zeigt die Symptome des Scheiterns bereits bei 900.000 E‑Autos und 1 Million Wärmepumpen, also bei 2 % Zielerfüllung. In Baden-Württemberg mussten die Bürger bereits zweimal zum Stromsparen aufgefordert werden.
Wie die wetterabhängige Einspeisung vor allem aus Windkraft die Stabilität des Stromnetzes bereits jetzt unter Druck setzt, lässt sich in der Tendenz auch an den Kosten zur Stabilisierung des Netzes (sog. Engpassmanagement) ablesen. Diese haben sich in den letzten 5 Jahren verdreifacht.
Implikationen für den Natur- und Artenschutz
Mit seiner Zielvorgabe unterstützt der Bundeskanzler die “Beschleuniger”-Maßnahmen des Ministers Habeck. Demnach sollen die Umwelt- und Artenschutzprüfungen für Windkraftanlagen entfallen, wenn für das ausgewiesene Gebiet bereits eine “strategische Umweltprüfung” vorgenommen wurde.
Eine strategische Umweltprüfung ist eine allgemeine Prüfung auf der Ebene der Raumordnung oder der Bundesplanung wie der Verkehrswegeplanung. Wenn beim Bundesverkehrswegeplan eine strategische Umweltprüfung stattgefunden hat, käme niemand auf die Idee, die Genehmigung eines einzelnen Autobahnabschnittes ohne Umweltverträglichkeitsprüfung zu erteilen. Bei der Windkraft soll es nun so passieren: Im Juli 2022 wurde in das Erneuerbare Energiegesetz der Passus eingefügt, dass der Windkraftausbau dem überragenden öffentlichen Interesse dient. Nun soll für 18 Monate auf die Prüfung nach UVP, Vogelschutzrichtlinie, Artenschutz- und FFH-Verordnung komplett verzichtet werden. Der Bau der A20 in Schleswig-Holstein wurde seit nun 10 Jahren wegen möglicher Beeinträchtigungen von Fledermäusen nicht vollendet. Bei Windkraftanlagen wissen wir, dass daran durchschnittlich 10 Fledermäuse pro Jahr und Anlage verenden. Das sind 240.000 Tiere im Jahr.
Werden die negativen Wirkungen auf Fledermäuse, Greifvögel und Insekten immer deutlicher und treten die Umweltrisiken im Zusammenhang mit der Freisetzung toxischer Stoffe und ungelösten Entsorgungsproblemen langsam ins Bewusstsein, so wird der Effekt einer mit Ausbreitung der Windkraftanlagen verbundenen lokalen Erwärmung bislang noch nicht breit diskutiert.
Ungeprüfte Implikationen für das Mikroklima
Im Verhältnis zur Landesfläche ist Deutschland bereits jetzt das am dichtesten mit Windkraftanlagen überzogene Land der Welt. Seit 2008 hat sich die Anlagen-Dichte mehr als verdoppelt. In etwa innerhalb dieses Zeitraums erlebte Deutschland immer länger anhaltende Dürren sowie ein auffällig verändertes Niederschlagsmuster: Angekündigte Niederschläge blieben oftmals aus oder kamen nur als Nieselregen und kurze Schauer. Der ergiebige sommerliche Landregen blieb über Jahre nahezu aus. Zumeist wird diese Entwicklung allein dem Klimawandel zugeschrieben. Weitere Ursachen werden selten in Betracht gezogen. Dabei ist mittlerweile unstrittig, dass gruppierte Windenergieanlagen über die Vermengung von Luftmassen das Mikroklima beeinflussen und vor allem nachts zu einer lokalen Erwärmung beitragen. Ohne hier tiefer in diese Thematik einsteigen zu können, sei unser Unterstützer Professor Fritz Vahrenholt zitiert:
Ein Windkraftwerk entnimmt immerhin die Hälfte der Energie des Windes und verwandelt diese in Strom. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Geochemie in Jena haben berechnet, dass der geplante Ausbau der Windenergie die zu erwartende Windleistung der Anlagen um 8 bis 10 % reduzieren wird. Die Offshore-Planung, die den relativ kleinen Raum der deutschen Nordsee, der von Schifffahrtswegen, Sandabbau, Naturschutzgebieten und militärischen Übungsgebieten übrig geblieben ist, bis zum letzten Quadratkilometer mit 10.000 großen Anlagen vollstopft, führt zu einem erheblichen Ertragsverlust. Sage und schreibe 40 % weniger Ertrag kommen bei der Planung der Bundesregierung am Ende heraus.
Die Windparks werden zum Opfer einer atmosphärischen Windberuhigung, die sie selbst erzeugt haben. An Land ist die alte Windstärke erst nach vier bis fünf Kilometern wieder hergestellt, offshore kann sich das bis zu 70 Kilometer weit auswirken. Es stellt sich durchaus die Frage, ob die mit einem großflächigen Ausbau der Windenergie verbundene Energieentnahme meteorologische Folgen hat. Verändern sich die Regenereignisse durch Verringerung der regionalen Windgeschwindigkeiten? Systematisch ist das noch nicht untersucht worden. Warum nicht?
Dieses Zitat und viele interessante Fakten und Hintergründe sind in Professor Vahrenholts neuem Buch
zu lesen, das am 17. Februar 2023 erscheinen wird. Auch dem Bundeskanzler weist der Parteifreund und Mit-Hamburger damit einen Ausweg aus der Krise.
Es bleibt stark zu hoffen, dass der Holzweg schnell verlassen wird. Sonst
- sieht unser Land bald flächendeckend so aus, wie der Ort Struth in Thüringen (s.u. – keine Fotomontage!)
- verfehlen wir unsere Biodiversitäts-Ziele um Längen
- werden die sozialen Auswirkungen hoher Energiepreise immer drastischer
- wird unser Wirtschaftsstandort erheblich geschwächt.