Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der Industrie Gewerkschaft Berbau, Chemie, Energie weist auf die unsozialen Verteilungswirkungen durch des Erneuerbare Energien Gesetz hin. Manche Nebenwirkung der Energiewende hält der Gewerkschaftsführer für inakzeptabel. In einem Gastkommentar für das Handelsblatt (Ausgabe vom 22.7.2013, S. 48) unter dem Titel
Beispiellose Umverteilung
übt Herr Vassiliadis dezente aber deutliche Kritik an der „Energiewendepolitik“. In unserer Wiedergabe der Kritik sind direkte Zitate grau unterlegt:
Deutschland habe sich ein umfangreiches und tiefgreifendes Modernisierungsprojekt vorgenommen. Ein Industrieland, das stolz auf seine Exportweltmeisterschaft sei, lege sich im immer Wettbewerb zusätzliche Gewichte durch höhere Kosten auf die Schultern.
In der Bevölkerung stoße das Vorhaben auf hohe Zustimmung und auch unsere Nachbarn vermuteten, dass es perfekt geplant und kalkuliert sei. Die Idee, langfristig eine Energieversorgung auf erneuerbarer Basis aufzubauen, also unabhängig von Kernenergie und fossilen Rohstoffen zu werden, und zugleich die Umwelt zu entlasten, übe zu Recht eine große Faszination aus.
“Aber gut gedacht ist noch lange nicht gut gemacht. Wird die Energiewende ohne wirtschaftliche Vernunft und sozial nicht ausbalanciert betrieben, steht der Erfolg infrage. (…) Soziale Verwerfungen werden sichtbar. Breite Bevölkerungsschichten – vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner und die sozial Schwächeren – haben kaum eine Chance, von den erneuerbaren Energien zu profitieren. Aber sie alle zahlen dafür kräftig und immer mehr.”
Die Beschäftigten in der Industrie seien gleich mehrfach betroffen. Als Steuerzahler, als Stromkunden und als Mieter trügen sie die volle Last der Energiewende. Zusätzlich kämen Arbeitsplatzrisiken, die aus den hohen Energiekosten im Wettbewerb entstehen.
Steigende Energiekosten belasten Haushalte mit niedrigen und durchschnittlichen Einkommen in der Relation besonders stark. Zu den Gewinnern der Energiewende gehören dagegen die einkommensstarken Schichten. Wer in eine Solaranlage investieren konnte, der kassiert staatliche Subventionen und auf Jahre garantierte Renditen, wie sie mit kaum einer anderen Anlageform erzielt werden können.
Herr Vassiliadis macht auf die Differenz zwischen den EEG-induzierten Einnahmen der „Ökostromerzeuger“ i.H.v. 20 Milliarden Euro und dem Wert dieses Stromes von nur 2,9 Milliarden Euro aufmerksam. Die Differenz zahlten die Stromverbraucher per Umlage, was zu einer beispiellosen Umverteilung. Auch für eine gute Sache seien Umverteilung und Ineffizienz auf Dauer nicht akzeptabel.
“Sicher, es war zunächst durchaus richtig, mit dem EEG Schwung in die Energiewende zu bringen. Jetzt aber, nach der Anschubphase, werden die konstruktiven Mängel dieses Instruments immer deutlicher. In der Steuerungs- und Verteilungswirkung ist das Gesetz schlicht fatal – unter sozialen und volkswirtschaftlichen Aspekten. Kurskorrekturen sind erforderlich, weiteres Zuwarten wird teurer.”
Deutschland müsse innovativer und effizienter in Energieerzeugung und ‑verbrauch werden. Erforderlich sei eine Debatte über die optimale Vorgehensweise und die Finanzierung der Energiewende. Die Modernisierung müsse als „Gemeinschaftswerk“ angegangen werden. Eine Steuer statt Abgaben auf den Stromverbrauch würde an den Kosten beteiligen.
Neben Mehrwertsteuern auf die EEG-Umlage bemängelt Herr Vassiliadis weiterhin die Besteuerung von Energieträgern und Rohstoffen. So würden Energiekosten hochgetrieben, sodass weniger Mittel für Investitionen – auch in energieeffizientere Produkte – zur Verfügung stehen und die Wettbewerbsfähigkeit geschwächt werde. Am Ende ginge es um Standorte und Arbeitsplätze. Ständig anziehende Energiepreise dürften nicht zu einem Politikziel werden.
Der Gewerkschaftsvorsitzende plädiert stattdessen dafür, nach dem Grundsatz “Erst entlasten, dann bei Erfolg besteuern” zu verfahren. Unternehmen, denen Investitionen und Innovationen ermöglicht werden, sollten erst nach Erfolg steuerlich belastet werden. Damit Investitionen in eine energieeffizientere Technik vorgezogen werden, möge die Politik über verkürzte Abschreibungsfristen in entsprechende Sachanlagen und die Einführung der steuerlichen Absetzbarkeit der Forschungskosten erwägen.
Das Schlussstatement lautet:
“Darüber hinaus ist die Energieversorgung dauerhaft nur im europäischen Maßstab verlässlich zu sichern. Was wir brauchen, ist eine Energiewende mit mehr Weitblick und mit Stabilität über Wahltermine hinaus.”
VERNUNFTKRAFT. dazu:
Wenn man das Wort „Energiewende“ durch „Energiepolitik“ ersetzt, ist Herrn Vassiliadis‘ Schlussbemerkung uneingeschränkt beizupflichten.
Abgesehen von einigen Details
- eine steuerliche Finanzierung des EE-Ausbaus ist nur wenig besser als der Status Quo – sie würde zwar dem Finanzminister die Kontrolle über das Subventionsvolumen geben und somit das irrsinnige Ausbautempo etwas dämpfen. Erforderlich ist aber keine Verringerung sondern eine Streichung der Subventionen, also keine Verlangsamung, sondern eine Vollbremsung beim Aufbau von nicht sinnvoll nutzbaren Stromerzeugungskapazitäten.
und dem Grundtenor
- unsere „Faszination“ für die „Idee“ der „Energiewende“ hält sich angesichts der erlebten Naturzerstörung und des Wissens um die Unsinnigkeit und Unmöglichkeit der Erreichung der proklamierten Ziele in sehr engen Grenzen. So, wie dieses Schlagwort aktuell verstanden wird, hat es für uns einen sehr negativen Klang, mehr dazu hier
zeugen diese Ausführungen des Gewerkschaftsführers von sehr viel Realitätssinn.
Fazit: Ziemlich vernünftig.