Bürgerbeteiligung gilt als politisches Wundermittel zur Steigerung der Akzeptanz von “Energiewende”-Projekten aller Art. Insbesondere die finanzielle Beteiligung am Windkraftausbau wird den Bürgern von verschiedenen Seiten angepriesen. |
Welche Sicherheit bieten Bürgerbeteiligungen? Was sind finanzielle Versprechungen wirklich wert? - Eine Betrachtung von Dipl.-Kfm. Dr. Karl-Heinz Glandorf - |
„Bürgerbeteiligung“ wird häufig als Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende gesehen. „Die Energiewende gelingt nur als Gemeinschaftsprojekt“, heißt es auf Internetseiten der Bundesregierung.
Für Die Grünen, Interessenvertreter der regenerativen Energiewirtschaft und scheinbar unabhängige Institutionen wie Umweltverbände und Kirchen wird Bürgerbeteiligung aus unterschiedlichen Gründen angestrebt.
Zwei Aspekte von Bürgerbeteiligung sind zu unterscheiden:
- Zum einen wird Bürgerbeteiligung als Einbindung der Bevölkerung in den politischen Willensbildungs- und Planungsprozess verstanden. Man hofft, durch offene und frühzeitige Information den Bürger einzubinden und von notwendigen Investitionen zu überzeugen. Gegen solches Handeln, wenn es denn wirklich offen ist und dem Bürger wirklich Mitsprache gewährt, gibt es nichts einzuwenden.
- Zum anderen wird Bürgerbeteiligung als finanzielle Beteiligung verstanden. Der Bürger soll sich an Investitionen beteiligen und einen wirtschaftlichen Nutzen erzielen. Auch dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Bedenklich wird es aber, wenn über hohe Renditeversprechungen den Bürgern ihre Zustimmung abgekauft werden soll. Das ist ethisch zumindest dann fragwürdig, wenn der Geldvorteil mit gesundheitlichen Risiken und Einbußen beim Naturschutz verbunden ist. Auch der eigene wirtschaftliche Vorteil zu Lasten anderer ist ethisch fragwürdig. Schließlich muss hinterfragt werden, ob ein finanzieller Vorteil für den einzelnen Investor wirklich zu erwarten ist und welche Risiken damit verbunden sind.
Unterschiedliche finanzielle Beteiligungen bedingen unterschiedliche Risiken
Dass finanzielle Bürgerbeteiligung wirtschaftliche Risiken beinhalten kann, hat schon die Diskussion über die Bürgerdividende für die Beteiligung am Trassenbau gezeigt, deren Verlauf die Frankfurter Allgemeine Zeitung dokumentiert hat:
- „Anwohner sollen an Stromtrassen verdienen“, unter dieser Überschrift wird das Projekt am 06.07.2013 vorgestellt.
- „Sichere Renditen lassen Gegner des Netzausbaus kalt“ lautet die Überschrift eines Betrags vom 12.07.2013 über die Ergebnisse einer Befragung des Forschungszentrums Jülich zur Akzeptanz an den Beteiligungen.
- Im Leitartikel „Nicht mit leeren Händen“ vom 17.07.2013 wird die Herausforderung der Bürgerdividende umfassend analysiert. Die „Bürgerdividende“ wird als eine Rechnung mit vielen Unbekannten bezeichnet, „ganz ein Kind der Energiewende.“
- Im Beitrag „“Bürgerdividende“ für Netzausbau birgt hohe Risiken“ vom 22.07.2013 wird über die Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bei Analysten und Fondsmanagern berichtet, die die Beteiligung einhellig für Kleinsparer als nicht empfehlenswert einstufen.
- Im Beitrag „Auch Anlegerschützer skeptisch“ vom 23.07.2013 werden Vorbehalte der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) erwähnt.
- Schließlich warnen auch die Verbraucherzentralen von Hamburg und Baden-Württemberg. „Warnung vor Bürgeranleihe für Stromleitungen“, so die Überschrift vom 06.08.2013.
- Über die Akzeptanz beim Pilotprojekt Westküstenleitung in Schleswig-Holstein heißt es am 12.08.2013 „Bürgeranleihe kaum nachgefragt“.
- Der Beitrag „Tennet floppt mit Projekt Bürgerleitung“stellt am 17.10.2013 das Scheitern des Projekts fest.
- Im Kommentar „Daseinsvorsorge“ heißt es am 05.11.2013: „Die politischen Energiemanager haben sich in ein Dilemma manövriert. Sie möchten die Energiewende dezentral und „bürgernah“ durchsetzen und begrüßen deshalb „Bürgerwindparks“ oder „Bürgeranleihen“. Das hört sich nach Freiheit an, doch bei näherer Betrachtung ist es nichts anderes als die Erfüllung staatlicher Ziele mit subventionierten Mitteln“.
Risiken bergen beileibe nicht nur die geplanten neuen Beteiligungsformen für den Trassenbau.
Auch die bestehenden Beteiligungsformen an Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen sind grundsätzlich mit erheblichen Risiken verbunden. Risiken, die durch die Technik, die tatsächliche Wind- und Sonnenleistung sowie die Förderbedingungen bedingt sind. Diese Risiken gelten unabhängig von der Rechtsform der Beteiligung. Da bei den angebotenen Beteiligungen die Rechtsform im Vordergrund steht, soll zunächst auf die besonderen Risiken der unterschiedlichen Rechtsformen eingegangen werden. Risiken bergen auch Anleihen z. B. von Herstellern regenerativer Energieanlagen.
Energiegenossenschaften und ihre Risiken
Die Energiegenossenschaft ist wird oft als ideale und nahe liegende Lösung dargestellt. So auch auf den entsprechenden Internetseiten der Bundesregierung.
Die Grünen propagieren das Genossenschaftsmodell, um den Energiekonzernen dezentrale Strukturen entgegenzusetzen.
Schließlich sieht der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) die Chance, über Energiegenossenschaften der Genossenschaftsidee neue Impulse zu geben.
Ist die Energiegenossenschaft also eine Ideallösung?
Der Begriff “Energiegenossenschaft” wirkt zumindest Vertrauen erweckend. Viele schätzen die besondere Sicherheit von Volksbanken und Raiffeisenbanken, die mit ihrem Institutsschutz über den Einlagenschutz anderer Banken hinausgeht. Doch: Wer davon ausgeht, dass es eine entsprechende Sicherungseinrichtung für Energiegenossenschaften gibt, irrt.
- Es gibt keine Sicherungseinrichtung von Energiegenossenschaften, die bei Insolvenz einer Einzelgenossenschaft einspringen könnte. Solche Sicherungseinrichtungen gibt es zwar auch bei klassischen Warengenossenschaften nicht. Die Beteiligung in einer Energiegenossenschaft ähnelt aber eher dem Bankgeschäft als dem Warengeschäft. Wer sich bei einer Energiegenossenschaft engagiert, investiert Geldbeträge über eine lange Zeit und sollte daher auf Sicherheit achten und sich sorgfältig informieren.
- Wer einer Energiegenossenschaft beitreten will, ist in dieser Hinsicht in einer schlechteren Situation als bei anderen Anlagemöglichkeiten in regenerative Energien. Die Prospekthaftung, die bei der Zeichnung von Genussscheinen und Fondsbeteiligungen gilt, schließt Beteiligungen in Energiegenossenschaften nicht ein. Es gibt also für die Beteiligung in Energiegenossenschaften keine entsprechend rigorosen Vorgaben für die Risikoinformation.
Aus der Genossenschaftsorganisation wird dagegen argumentiert, eine Prüfung von Energiegenossenschaften durch die Finanzaufsicht BaFin sei nicht notwendig. Genossenschaften hätten bereits eine sehr strenge und gründliche Prüfung durch die Genossenschaftsverbände erfahren (§2 Abs.1 VermAnlG). Eine doppelte Prüfung durch die BaFin und ein Verkaufsprospekt seien somit nicht erforderlich. Genossenschaften hätten keine feste Investitionsstrategie in ein Projekt sondern betrieben meist viele Projekte unter einem Dach. Ein projektbezogener Prospekt wäre somit irreführend. Genossenschaftsmitglieder beteiligten sich nicht an einem Projekt oder einem Fond sondern an einem operativ tätigen Unternehmen.
Dieser Einschätzung zu projektbezogenen Risiken muss widersprochen werden.
Die Energiegenossenschaft Starkenburg, auf die in der Broschüre „Energiegenossenschaften“ des DGRV hingewiesen wird, spricht beim Bau einer Windkraftanlage in Ober-Beerbach selbst von einem „Projekt WindSTARK1“ und erwähnt in der Broschüre auch Risiken. Die Risikobeschreibung ist aber sehr kurz gefasst und wenig konkret.
Die Projektplanung wurde mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt. Alle Angaben und Entwicklungsprognosen beruhen auf dem heutigen Stand der Planungen und den vorbereiteten Verträgen. Alle Berechnungen und Prognosen stellen den aus heutiger Sicht wahrscheinlichen Verlauf des Projekts dar. Abweichungen von den erwarteten Ergebnissen sind dennoch möglich. Ursachen hierfür können u. a. Änderungen in der Gesetzgebung oder Rechtsprechung sein, Abweichungen des Windpotentials oder sonstige Unwägbarkeiten. Eine Garantie und Haftung für den tatsächlichen Eintritt der prognostizierten Ergebnisse kann daher nicht übernommen werden.
Unter dem Punkt „Rechtliche Risiken“ folgt noch ein konkreter Hinweis auf Risiken des Genehmigungsverfahrens. Unter dem Punkt „Finanzielle Risiken“ wird betont, dass die Windprognosen belastbar seien und für die Gesamtbetrachtung wichtig sei, dass die Laufzeit des Windrades über 20 Jahre hinausgehe. Das sind Informationen, die eher Chancen als Risiken andeuten.
Dann wird noch darauf hingewiesen, jedes Genossenschaftsmitglied hafte in Höhe seiner Geschäftsanteile und Nachrangdarlehen hätten wie der Name schon sage Nachrangcharakter. Theoretisch sei ein Gesamtverlust in Darlehenshöhe möglich. Diese Informationen zeigen sicherlich das Ausmaß des Risikos auf. Für eine angemessene Einschätzung des Risikos fehlen aber eine detaillierte Übersicht über sämtliche Risikofaktoren und deren spezifische Auswirkungen, wie sie die Prospekthaftung fordert.
Wer sich an einer Energiegenossenschaft beteiligen will, sollte daher vorher einen Blick in die umfangreichen Risikobeschreibungen von Windfonds werfen. Eine Reihe der dort beschriebenen Risiken sind fondsbezogen und daher auf Energiegenossenschaften nicht übertragbar. Andere Risiken wie das der Gutachten‑, Planungs- und Genehmigungsrisiko, Bauherrenrisiko, Einspeisevergütungsrisiko, Risiko der Stromeinspeisung, Rückbaukostenrisiko und nicht zuletzt das Windertragsrisiko gelten auch für Beteiligungen an Energiegenossenschaften.
Die Anleger einer Energiegenossenschaft gehen Risiken ein, indem sie Eigenkapital einbringen und nachrangig gesicherte Darlehen gewähren. Die Sicherheit von Dividendenzahlungen und Zinsen auf Nachrangdarlehen hängt davon ab, ob die angenommenen Windleistungen wirklich erzielt werden. Bleibt die Windleistung unter den Annahmen und der wirtschaftliche Erfolg aus, kümmert das Grundstücksverpächter und andere Projektbeteiligte wenig. Verpächter und Dienstleistungsunternehmen, die für die Wartung und Instandhaltung der Anlagen zuständig sind, die Planer und die Geschäftsführer erhalten ihr Geld. Das Risiko trägt der Anleger mit Eigenkapital und nachrangigem Darlehen. Darauf hat das Deutschlandradio in der Sendung Umwelt und Verbraucher am 10.07.2013 hingewiesen.
Es ist eine Anmerkung wert, dass die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen am 13.08.2013 eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Thema „Anlegerschutz am Beteiligungs- und Finanzierungsmarkt“ gerichtet hat und dabei auch die Problematik von Nachrangdarlehen angesprochen hat. Die Anfrage richtet sich gegen Gefahren, die vom sog. grauen Kapitalmarkt ausgehen. Die Grünen haben dabei wohl übersehen, dass Nachrangdarlehen gerade auch von Energiegenossenschaften angeboten werden. Die Grünen weisen damit ungewollt auf eine Problematik des grauen Kapitalmarkts hin, die grundsätzlich auch Energiegenossenschaften betrifft.
Genussscheinanlagen und ihre Risiken
Anders als die Beteiligung an Energiegenossenschaften, deren Risiken bisher wenig thematisiert wurden, wird das Risiko von Genussscheinanlagen breit diskutiert. So wird schon bei Wikipedia darauf hingewiesen, dass Genussscheine kein gesetzlich geregeltes Wertpapier sind. Die Vertragsgestaltung müsse daher intensiv geprüft werden. Der Rat eines Anwalts oder Steuerberaters sei angesagt. Außerdem sei eine Genussscheinanlage nur nachrangig gesichert.
Das Verbraucherportal Baden-Württemberg, das vom Verbraucherschutzministerium des Landes, der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und dem Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e. V. getragen wird, warnt vor der Möglichkeit des Totalverlustes.
Unter “Hohe Gewinnchancen bedeuten auch ein höheres Risiko“ heißt es dort u. a.:
Manche Anbieter werben mit sehr hohen Renditen für Investitionen in Windkraft, z. B. 8% Zins pro Jahr. Verbraucher sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass eine hohe Renditeerwartung meist auch mit einem erhöhten Risiko der Kapitaleinlage einhergeht. So besteht etwa bei einer Investition in sogenannte Genussrechte das Risiko, dass Verbraucher bei einem Scheitern des Windprojektes ihr investiertes Kapital vollständig verlieren können.
Auch wenn ein Unternehmen jahrelang die versprochene Rendite gezahlt hat, bedeutet das keine Sicherheit für die Zukunft. Dies zeigt das Beispiel des führenden Genussscheinanbieters für Windkraftinvestment, Prokon. Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte gegen irreführende Werbung des Unternehmens geklagt und Recht erhalten. Mehr dazu hier.
Prokon hat sich gegenüber der Verbraucherzentrale Hamburg rechtlich verbindlich verpflichtet, widersprüchliche Angaben zu Vertragslaufzeit und Kündigung seiner angebotenen Genussrechte zu unterlassen.
Auch die Stiftung Warentest hat schon vor längerer Zeit vor Prokon gewarnt (siehe Finanztest 7/2011 „Prokon macht zu viel Wind“). Die Stiftung Warentest hat diese Warnung vor Prokon-Genussrechten aktuell wiederholt (Finanztest 9/2013 „Prokon dreht ein großes Ding“).
Den grundlegendsten Verdacht hat am 14.8.2013 das Fernsehmagazin Plusminus erhoben. Prokon mache gar nicht genug Gewinn, um die Zinsen an Anleger zu zahlen und greife stattdessen auf Einzahlungen neuer Kunden zurück.
Eine lesenswerte Einschätzung über Prokon-Anleger und die Merkwürdigkeiten des Prokon-Geschäftsmodells hat Spiegel-online am 03.11.2013 veröffentlicht.
Geschlossene Fonds und ihre Risiken
Anleger können sich außerdem über Geschlossene Fonds an Windparks beteiligen. Davor warnen Verbraucherschützer grundsätzlich. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert ein Verbot des aktiven Vertriebs an Privatanleger, wie es in den allermeisen EU-Staaten besteht. Anleger dürfen nicht davon ausgehen, dass geschlossene Fonds für die Anlage in Windparks weniger riskant sind. Die Prospekte der Anbieter beschreiben die Risiken der Anleger sehr deutlich.
Der Prospekt der Green City Energie für den Windpark Bayerischer Odenwald widmet den „wesentlichen Risiken der Vermögensanlage“ 14 Seiten. Wer diese Seiten liest, weiß worauf er sich einlässt. Die Frage ist nur, ob Windenergieanleger dies ernst nehmen oder als gesetzliche Vorschrift abtun, die für ein gutes Investment, projektiert von guten Menschen, unnötig ist.
Unternehmensanleihen und ihre Risiken
Statt sich an Windparks oder Energiegenossenschaften, also an örtlichen Energieerzeugern zu beteiligen, können interessierte Anleger auch Unternehmensanleihen von Anlagenherstellern und Projektierungsgesellschaften zeichnen. Hier gelten die Risikohinweise, die Anleger allgemein bei Unternehmensanleihen beachten sollten.
Das FAZ.NET-Börsenlexikon schreibt:
„Anleihen gehören für eine Unternehmung zu den klassischen Mitteln der Beschaffung von Fremdkapital. Sie verbriefen einen Rückzahlungsanspruch und Zinszahlungen in bestimmter Höhe als Entgelt für die Überlassung des Kapitals. Während ein Investor durch den Kauf von Aktien (Mit-)Eigentümer der Unternehmung wird, sind die Inhaber von Anleihen Gläubiger.“
Was dies für für Anleger bedeuten kann, soll beispielhaft an der Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufgezeigt werden:
- „Anleger wehren sich gegen Verluste in Mittelstandsanleihen“ lautet die Überschrift eines Beitrags vom 24.01.2013, in dem auf den Solarzulieferer Sic Processing GmbH und den Hersteller von Windkrafttürmen Siag Schaaf verwiesen wurde.
- „Vorsicht vor Unternehmensanleihen“, so die Überschrift eines Beitrags vom 16.02.2013, in dem es weiter heißt: „ Nach einem sehr guten Jahr 2012 wächst die Gefahr einer spekulativen Blasé besonders im Segment der Mittelstandsanleihen.“
- Drei Monate später, am 16.05.2013, folgte ein Beitrag über Anleihen der PNE Wind AG mit der Überschrift „Erneuerbare Energien werden gemieden“.
- „Rund 25 Milliarden Euro Solarkapital einfach weg“ lautete eine Überschrift in der Ausgabe vom 18.06.2013. In der Unterzeile heißt es: „Konzerne und Privatanleger verlieren seit 2007 viel Geld.“
Die vielen Veröffentlichungen um den Skandal bei „Windreich“ wurden bewusst weggelassen, weil sie den Rahmen dieser Übersicht sprengen würden. Einen Überblick vermittelt dieser Link. Dort heißt es unter „Vorsicht Pleite“: „Die Anleihen insbesondere einiger Windkraft- und Solaranbieter haben sich in den letzten Monaten als riskante Luftnummern erwiesen. Geht ein Unternehmen pleite, ist davon auch die ausgegebene Anleihe betroffen.“ Es folgen die krassesten Beispiele.
Die generellen Risiken von Windkraftinvestments
a) das Windrisiko
Grundlage jeder Risikoeinschätzung von Windkraftinvestments unabhängig von der Rechtsform der Anlage ist die Windleistung. Bleibt die tatsächliche Windleistung hinter den projektierten Werten zurück, wird auch den Renditeversprechungen die Grundlage entzogen.
Der Bundesverband Windenergie, der Interessenverband der Windindustrie, kommt zu einer ernüchternden Aussage:
Nach Auswertung von 1.150 Windpark-Jahresabschlüssen haben die Anleger in den Jahren 2002 – 2011 Ausschüttungen erhalten im Durchschnitt von 2,5 % p.a. Über die Summe der Jahre waren dies 25 % ihrer Einlage, während nach den Prospekten zwischen 60 bis 80 % versprochen wurde.
Sie können dies hier
nachlesen.
b) das Steuerrisiko und Folgen für vorgezogene Altersrenten und staatliche Leistungen
Die steuerliche Behandlung von Erträgen aus Windkraftinvestments hängt von der Rechtsform der Beteiligung ab.
- Dividenden und Zinserträge von Nachrangdarlehen bei Energiegenossenschaften werden als Kapitaleinkünfte versteuert und unterliegen der Abgeltungssteuer.
- Bei Einkünften aus Genussscheinen ist zu unterscheiden: Bis zum 31.12.2008 galt die Regelung, dass Einkünfte mit dem individuellen Steuersatz belegt werden. Diese Regelung gilt weiter für Genussscheine, die vor dem 1.1.2009 gekauft wurden. Für ab dem 1.1.2009 gekaufte Genussscheine gilt die Abgeltungssteuer.
- Während für Kapitalerträge bei Banken die Abgeltungssteuer mit einen niedrigen Steuersatz von 25 Prozent plus 5,5 Prozent Soli = 26,38 Prozent (gegebenenfalls plus Kirchensteuer) gilt, werden Einkünfte aus Fonds mit dem individuellen Steuersatz belegt.
Die besonderen steuerlichen Risiken wie z. B. die Behandlung von Veräußerungsgewinnen werden im „Ratgeber für Windparkanleger“ vom Anlegerbeirat des Bundesverbandes Windenergie beschrieben.
Die deutliche Sprache ist für einen Lobbyverband auf den ersten Blick überraschend. Andererseits werden mit einem solch ausführlichen Problembeschreibung Haftungsrisiken begrenzt. Der Ratgeber wird vom Bundesverband Windenergie nicht offen angeboten, wie die taz am 20.02.2010 schrieb.
Der Ratgeber beschreibt auch Konsequenzen für vorgezogene Altersrenten und sonstige Leistungen beim Anleger. “Mit einer Windparkbeteiligung in der Rechtsform der GmbH & Co. KG (die absolut übliche Rechtsform) wird er Mitunternehmer und erzielt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (keine Einkünfte aus Kapitalvermögen wie z.B. bei einer GmbH)”.
- Im Gegensatz zu Kapitaleinkünften können diese gewerblichen Einkünfte zu Abstrichen bei der vorgezogenen Altersrente führen. Ab 2013 ist diese Grenze auf 450 € im Monat erhöht worden. Wichtig: Nicht die jährliche Ausschüttung wird berücksichtigt. „Maßgeblich für die persönliche Einkommensteuer ist … das von der Gesellschaft ausgewiesene und dem einzelnen Kommanditisten zugewiesene steuerliche Ergebnis (die Ausschüttungen, die geleistet wurden, sind Liquiditätsentnahmen und spielen steuerlich keine Rolle!).“
Die Übertragung von Anteilen auf Familienmitglieder ist oft keine Lösung, wie der Ratgeber vermerkt.
- „Der Gesellschafter geht das Risiko ein, dass das Finanzamt ihm die früher verrechneten Windpark-Verluste streicht wegen »Wegfall der Gewinnerzielungsabsicht«”.
- „Denkbar ist auch die Einräumung eines Nießbrauchsrechtes zu Gunsten Dritter. Hier verbleibt der Windparkanteil beim Gesellschafter, die Erträge fließen dem Nießbrauchsberechtigten zu und sind von ihm zu versteuern. Allerdings lauert hier schon die nächste Gefahr, diesmal von der Krankenversicherung: Ehepartner oder Kinder, die im Rahmen der Familienversicherung mitversichert sind (da sie keine oder nur geringe Einkünfte haben) verlieren diesen Vorteil, sobald sie durch Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Hinzuverdienstgrenze .…überschreiten. Auch hier ist die Folge fatal: der Ehepartner bzw. das Kind werden selber krankenversicherungspflichtig!).“
- Der Ratgeber für Windparkanleger nennt noch eine Zuverdienstgrenze von 400 € im Monat bzw. von 4.800 € pro Jahr. Ab 2013 gilt auch hier eine Zuverdienstgrenze von 450 € im Monat, allerdings nur bei geringfügiger Beschäftigung. Für sonstige Einkünfte beträgt die monatliche Zuverdienstgrenze für die kostenlose Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse 385 €. Auf diese Zuverdienstgrenze werden sämtliche anderen Kapitalerträge und Mieterträge angerechnet, so dass zusätzliche Erträge aus Beteiligungen leicht zu einem Überschreiten führen können.
c) das Renditerisiko
Der Ertrag von Windkraftanlagen wird grundlegend durch die tatsächliche Windleistung bestimmt (siehe Punkt a) “Windrisiko”). Unabhängig davon muss sich der Anleger fragen, was ihm überhaupt unter den Bezeichnungen „Verzinsung“, „Rendite“ oder „Ausschüttung“ versprochen wird.
- Vom Bankgeschäft her versteht der Anleger unter Verzinsung eine Ausschüttung oder Gutschrift, die auf den eingezahlten Betrag hinzugerechnet wird. Bei Banksparplänen bleibt der eingezahlte Betrag erhalten. Zinsen erhöhen das Guthaben. Für den Begriff Rendite bleibt ebenfalls die Einzahlung erhalten, Zinsen kommen hinzu, Gebühren und sonstige Kosten werden abgezogen.
- Bei Windkraftinvestments bleibt der Wert des Investments aber gerade nicht erhalten. Wie bei jeder industriellen Anlage muss eine Abschreibung berücksichtigt werden. Wenn die Windkraftanlage nach 20 Jahren nur noch einen Schrottwert hat, führt eine jährliche Ausschüttung von 8 Prozent über 20 Jahre daher nicht zu einer Verzinsung von 8 Prozent oder einer Rendite von 8 Prozent. Der Finanzanalytiker Volker Looman, der jeden Samstag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Vermögensfrage stellt, hat dies in der Ausgabe vom 27. Juli 2013 klargestellt. Hat die Anlage nach 20 Jahren Schrottwert, führt eine jährliche Nettoausschüttung von 8 Prozent nur zu einer Rendite von 5 Prozent. „Windräder sind nicht für jedermann“ lautet die Überschrift des Beitrags.
- Diese finanzmathematische Erkenntnis muss sich jeder klarmachen, der in Windkraft investieren will. Ob die in der Berechnung von Looman angenommene Netto-Ausschüttung von 8 Prozent als Basis der Berechnung realistisch ist, muss nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie zusätzlich hinterfragt werden.
Fazit
Windkraftinvestments sind hoch riskant.
Die Gefahren, die Anleger bei Prokon-Genussscheinen eingegangen sind oder weiter eingehen, sind sicherlich besonderer Art und dürfen nicht verallgemeinert werden. Doch auch allgemein werden Genussscheine und Geschlossene Fonds als Anlageform für Windkraftinvestments von Verbraucherschützern kritisch beurteilt.
Aber auch Energiegenossenschaften sind kein Hort der Sicherheit. Anleger riskieren auch hier grundsätzlich ihre Einlage und ein gegebenenfalls nachrangig gesichertes Darlehen, das zusätzlich zur Einlage eingebracht wird. Dennoch ist das Risiko geringer als bei Genussscheinen und Geschlossenen Fonds.
Energiegenossenschaften unterliegen aber nicht der Prospekthaftung, so dass nicht so hohe Anforderungen an die Risikodarstellung bestehen wie bei Fonds. Wer sich an einer Energiegenossenschaft beteiligen will, muss sich selbst ein Bild von möglichen Risiken machen oder einen Anwalt bzw. Steuerberater einschalten.
Außerdem, dass muss klargestellt werden, gibt es keine Sicherungseinrichtung bei Energiegenossenschaften. Vom hohen Sicherheitsstandard, die genossenschaftliche Banken bieten, kann also nicht auf Energiegenossenschaften geschlossen werden.
Versprochene Verzinsungen und Renditen sind zu hinterfragen. Bei Verschleiß unterliegenden Anlagen kann eine jährliche Ausschüttung nicht als Verzinsung bezeichnet werden.
Letztlich bleibt immer das Windrisiko. Die Windleistung hat sich nach der Erhebung des Bundesverbandes Windenergie in der Vergangenheit immer als wesentlich geringer erwiesen, als prognostiziert worden war.