Die Energie­wende kann klappen. Oder?

Eines der beiden zentra­len physi­ka­li­schen Probleme der Energie­wende – verstan­den, als das Vorha­ben, ein Indus­trie­land mit Strom aus Wind und Sonne zu versor­gen – ist die Wetter­ab­hän­gig­keit der Erzeu­gung. Energie­wende-Anhän­ger argumen­tie­ren hier gern mit Strom­spei­chern. Schon vor 10 Jahren nährte unred­li­che Werbung den Glauben, dass es “Akkus für grünen Strom” gäbe. Heutzu­tage sind solche Speicher für manche viel beach­tete Diskurs­teil­neh­mer bereits “noch und nöcher” vorhan­den.

Bereits 2013 hat sich unser Technik­vor­stand Dr.-Ing. Detlef Ahlborn zu diesem Thema geäußert und seither viele unbezahlte Stunden Denkar­beit in Frage­stel­lun­gen inves­tiert, die von stärker im Rampen­licht stehen­den “Exper­ten” gerne mit unkon­kre­ten, nicht überprüf­ba­ren Behaup­tun­gen (“wir schaf­fen das, weil wir jetzt ein anderes Mindset haben” – Patrick Graichen) beiseite gewischt werden.

Konkret und überprüf­bar sind dagegen die neues­ten Forschungs­er­geb­nisse von Dr.-Ing. Detlef Ahlborn und seinem Sohn, Dr. rer. nat. Felix Ahlborn. Nach stren­gem wissen­schaft­li­chem Review-Prozess wurden sie im Mai 2023 im European Physi­cal Journal veröffentlicht.

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Die Grund­frage, der die Autoren nachge­hen, lässt sich so zusammenfassen:

Welche Speicher­menge muss in Deutsch­land vorge­hal­ten werden, um einen Black­out mit einer hinrei­chend großen Sicher­heit ausschlie­ßen zu können?

Dazu haben die Autoren die Wind- und Solar­strom­pro­duk­ti­ons­men­gen der Jahre 2011 – 2020 als Grund­lage für eine Analyse des Wahrschein­lich­keits­ver­hal­tens dieser beiden Erzeu­gungs­for­men heran­ge­zo­gen. Dabei wiesen sie nach, dass der Speicher­in­halt den Regeln eines Random-Walk  folgt. Die Frage, ob aus Wind- und Solar­er­zeu­gung am nächs­ten Tag ein Anstieg oder Abfall des Speicher­in­halts resul­tiert, folgt densel­ben Regeln  wie die zufäl­lige Bewegung von Teilchen bei der Brown’schen Moleku­lar­be­we­gung. Eine Überpro­duk­tion ergibt eine Zufüh­rung in ein Speicher­sys­tem, eine Unter­pro­duk­tion entspre­chend eine Entnahme. Die Randbe­din­gung ist dabei, dass eine komplette Entlee­rung des Speicher­sys­tems vermie­den werden muss, schließ­lich muss der Speicher immer ausrei­chend Energie zur Überbrü­ckung einer Dunkel­flaute vorhalten.

Die Wahrschein­lich­keit, dass das Speicher­sys­tem nicht geleert wird, hängt dann bei einer gegebe­nen Wahrschein­lich­keits­ver­tei­lung der wetter­ab­hän­gi­gen Erzeu­gung von zwei Parame­tern ab: Der maxima­len Dauer einer Dunkel­flaute und den Schwan­kun­gen der Wind- und Solar­strom­pro­duk­tion. Beide Fakto­ren erhöhen natur­ge­mäß die System­sta­bi­li­tät, aber gleich­zei­tig auch die Kosten des Gesamtsystems.

Eine zentrale Erkennt­nis der Studie ist, dass man zwingend eine Überpro­duk­tion benötigt, um den Speicher immer verfüg­bar zu halten und damit einen Black-Out sicher ausschlie­ßen zu können. Für die Erzeu­gung haben die Autoren verschie­dene Fakto­ren der Überpro­duk­tion, definiert als das Verhält­nis der im Jahres­mit­tel erzeug­ten Strom­menge in Relation zur verbrauch­ten Strom­menge, simuliert – von 100 bis 140%. Dabei stell­ten sie fest, dass ab einem Überpro­duk­ti­ons­fak­tor von 20% der Speicher mit ausrei­chen­der Sicher­heit zur Verfü­gung steht. Auf Basis des Strom­ver­brauchs von 2020 braucht man bei einer Überpro­duk­tion von 10% einen Speicher­be­darf von 60 TWh elektri­scher Energie, bei 20% 48 TWh sowie bei 40% 42 TWh. Berück­sich­tigt man nun noch, dass bis 2045 für eine komplette Dekar­bo­ni­sie­rung der deutschen Indus­trie der Strom­be­darf sich auf über 1.000 TWh verdop­peln soll [1],  wäre dann die benötigte Speicher­größe im Bereich von 80 ‑90 TWh anzuset­zen, abhän­gig von zusätz­lich mobili­sier­ba­rer Strom­ver­sor­gung wie Wasser­kraft oder Biomasse. Jedes Defizit zu dieser Zahl wäre durch Importe aufzufangen.

Was bedeu­tet eine Zahl von 80 – 90 TWh Speicher­be­darf für die Praxis?

Sie stellt eine schier unüber­wind­bare Hürde dar, denn sie übersteigt die derzeit instal­lierte Speicher­ka­pa­zi­tät in Deutsch­land, die haupt­säch­lich aus Pumspei­cher­kraft­wer­ken (35 GWh [2]) und Batte­rie­spei­chern (7 GWh [3]) besteht, um den Faktor 2000!

Um ein solches Pumpspei­cher­kraft­werk zu reali­sie­ren, wäre das vierfa­che Volumen des Boden­sees erfor­der­lich, wobei zwei davon auf eine Höhe von 400m gepumpt werden müssten. Wir reden hier also nicht über eine kurz- oder mittel­fris­tig schließ­bare Lücke.

Ein weite­res Ergeb­nis der Studie besteht darin, dass das tatsäch­lich erfor­der­li­che Volumen eines Speichers noch größer ist, weil es schlechte Jahre mit ausge­prägt unter­durch­schnitt­li­cher Wind- und Solar­strom­pro­duk­tion gibt.

Das Poten­zial, Pumpspei­cher­kraft­werke in Deutsch­land weiter auszu­bauen, stößt auf geogra­phi­sche Grenzen.

Für Batte­rie­spei­cher ist die Größen­ord­nung von 80–90 TWh eine utopi­sche Strom­menge. Betrach­ten wir den derzeit größten Batte­rie­spei­cher Europas [3], der in East Yorkshire in Großbri­tan­nien gebaut wurde, so hat dieser eine Kapazi­tät von 196 MWh, d.h. man bräuchte davon 500.000 Anlagen, um diese Strom­menge speichern zu können.

Zu guter Letzt bleibt die Frage, ob wir unsere Gasspei­cher zur Speiche­rung von überschüs­si­gen Strom­men­gen in Form von elektro­ly­tisch erzeug­tem Wasser­stoff benut­zen können. Unabhän­gig vom gerin­gen Gesamt­wir­kungs­grad und den damit verbun­de­nen hohen Kosten dieses Prozes­ses.  Hierzu hat sich der Branchen­ver­band „Initia­tive Energie­spei­cher“ INES dieser Tage geäußert und die maximal speicher­bare Menge auf 32 TWh bezif­fert [4]. Diese Wasser­stoff­menge muss noch verstromt werden, womit selbst bei einem optimis­ti­schen Wirkungs­grad von 50% nur 16 TWh als Speicher­menge zur Verfü­gung stehen, nur ca. 1/5 dessen, was für eine hypothe­ti­sche Produk­tion von 100 TWh aus Wind- und Solar­kraft benötigt wurde.

Eine der Schluss­fol­ge­run­gen der Studie besteht darin, dass die Energie­wende theore­tisch funktio­nie­ren könnte, wenn solche gewal­ti­gen Speicher­be­darfe reali­siert werden könnten.

Da diese gegen­wär­tig und auch in Zukunft aber nicht reali­sier­bar sind, bleibt nur die Schluss­fol­ge­rung, dass dieser Weg so nicht fortge­setzt werden darf, sondern wetter­ab­hän­gige Versor­gung nur so weit ausge­baut werden dürfte, wie adäquate Speicher abseh­bar zur Verfü­gung stehen.


Der derzei­tige Weg des Landes lässt sich nur so reali­sie­ren, dass wir nach wie vor eine doppelte Struk­tur aufbauen – mit regel­ba­ren Erzeu­gern wie neu zu errich­ten­den Gaskraft­wer­ken, die die Schwä­chen der EE-Erzeu­ger ausglei­chen. Der damit verbun­dene Kosten­auf­wand wird das Land jedoch teuer zu stehen kommen. Es wird Zeit, dass diese Erkennt­nis zu einer kriti­schen Reflek­tion der Energie­po­li­tik Deutsch­lands führt.

In der momen­ta­nen Situa­tion ist es keines­falls zielfüh­rend, voll auf Wind zu setzen und dafür immer mehr Segel zu hissen. 

 

 


 

[1] Klima­neu­tral bis 2045: “Sprit wird teurer, Strom billi­ger” – n‑tv.de

[2] Liste von Batte­rie-Speicher­kraft­wer­ken – Wikipedia

[3] Europe’s largest battery energy storage system launched in the UK

[4] Gasspei­cher reichen offen­bar nicht für erwar­tete Wasser­stoff-Mengen | tagesschau.de

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