Am letzten Maiwochenende 2023 – über Pfingsten – befand sich die Stromversorgung in Deutschland in einer Ausnahmesituation. Leider ist davon auszugehen, dass diese immer mehr zur Regel wird, wenn an der aktuellen Energiepolitik mit ihrer Fixierung auf den Ausbau von wetterabhängiger Erzeugungskapazität bei Abbau gesicherter Leistung festgehalten wird. So amüsant wie die in Berliner Mundart besungenen Erlebnisse des Bolle dürfte die auf diesem Kurs beharrende Reise allerdings nicht werden.
An den Tagen vor Pfingsten sah die Stromerzeugung so aus:
Wegen der Mittagsspitzen der Solarenergie waren viele Anhänger der aktuellen Energiewende-Politik “stolz wie Bolle”. Dass nach Sonnenuntergang regelmäßig Windflaute herrschte, wurde dabei gerne übersehen. Diese Flauten konnten nur durch Importe von bis zu 13 GW, also von ca.10 Kernkraftwerken, gedeckt werden.
Hätte der geplante Ausbau weiterer Wind- und Solarkraftwerke hier Abhilfe schaffen können, wie die Befürworter dieser Maßnahmen immer wieder in Aussicht stellen?
Um dies abschätzen können, ist in der nächsten Abbildung die hypothetische Stromerzeugungssituation bei einem vorweggenommenen Ausbau nach Plan dargestellt:
Der Ausbau vergrößert die Überproduktion zur Mittagszeit, die tiefen Täler gerade nachts bleiben und stellen immer wieder die Frage, ob sie durch inländische Kohlekraftwerke oder mittels Import gefüllt werden sollen. Die klimapolitische Verbesserung gegenüber dem Status Quo erkennen geneigte Leser am dicken grünen Balken (im eigenen Auge).
Nun möchte die Regierung zusätzlich Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen voranbringen und damit den Stromverbrauch bis 2045 verdoppeln. Dies bedeutet, dass die Überproduktion im Mai zur Mittagszeit geringer wird, dafür aber der Strommangel nachts zunimmt. Ob unsere Nachbarn diesen stets werden beheben können?
Energiewende-Anhänger argumentieren hier gern mit Stromspeichern, die für manche professoralen Aktivisten heute schon “noch und nöcher” vorhanden sind. Zu diesem Thema hat unser Technikvorstand Dr. Ahlborn dieser Tage eine Publikation im European Physical Journal veröffentlicht, die an anderer Stelle zu würdigen sein wird. Hier möge “nie und nimmer” als Quintessenz genügen.
Betrachten wir nun die wirtschaftliche Seite. In der Nacht auf Donnerstag, den 25.5., betrug die Residuallast – also die Differenz zwischen Verbrauch und Wind- und Solarstromerzeugung – satte 50 GW. Deutschland musste 12,7 GW importieren. Zum Spitzenpreis von 18,27 ct/kWh. Ähnlich verhielt es sich am folgenden Samstagabend.
Die Exporte der Erzeugungsspitzen am Pfingstwochenende erfolgten hingegen zu Preisen bis ‑13 ct/kWh. Ein teures Zubrot, um den verbrauchsinkongruent erzeugten Strom loszuwerden.
Energiewende-Anhänger würden nun argumentieren, dass man dafür in der Mittagszeit von günstigeren Strompreisen profitiere. Das Problem ist hier, dass die EEG-Umlage greift, auch wenn sie nun der Steuerzahler statt des Stromkunden bezahlt. Letzterer muss Preise unterhalb der Mindestvergütung auffangen, und diese hat die Bundesregierung gerade um 25% erhöht – und dies für die nächsten 20 Jahre.
Unsere französischen Nachbarn, die hauptsächlich auf verlässliche Kern- und Wasserkraft setzen, wissen von den Schwächen der hiesigen Energiewende-Politik zu profitieren: Electricité de France hat vom 27. bis 29. Mai jeweils mittags die Kernkraft heruntergefahren, um vom negativ bepreisten Solarstrom zu profitieren.
Hiesige Ideologen werden nicht müde zu unterstellen, die Kernkraft sei so unflexibel und würde angeblich die Netze verstopfen. Französische Pragmatiker beweisen das Gegenteil und können aus der deutschen Energiewende bestens Kapital schlagen.
Es gäbe zu verwandten und resultierenden Phänomenen wie bspw. zu den ausufernden Netzeingriffskosten in Deutschland noch mehr zu sagen. Aber das heben wir uns für einen Folgebeitrag auf, wenn die diesbezüglichen Daten für Mai vorliegen. So köstlich amüsant wie der eingangs erwähnte Pfingstausflug nach Pankow wird es für deutsche Stromkunden auch dann sicher nicht.