In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 12. Juli 2013 ist auf S. 13 ein Gastbeitrag des Bundeswirtschaftsministers Dr. Phillip Rösler und FDP-Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle zu lesen. Unter dem Titel:
Energiewende – ja, aber richtig!
erläutern die beiden zentralen Akteure der Liberalen ihre gemeinsame Position. Direkte Zitate sind grau unterlegt, gelbe Hervorhebungen durch uns.
“Die Energiewende begann vor zwei Jahren als großes Gemeinschaftswerk. Durch Subventionsinteressen von Lobbyisten und Standortinteressen besonders rot-grün regierter Bundesländer ist sie aktuell gefährdet. Es müssen jetzt alle zur Vernunft kommen.”
Andernfalls seien Arbeitsplatzverluste in Industrie, Handwerk und Gewerbe und immer höhere Stromkosten für die Bürger zu erwarten. Die christlich-liberale Koalition habe bereits viel gegen die Spätfolgen der rot-grünen Subventionspolitik getan. Die Vergütung für Solarstrom sei kräftig reduziert worden. Das genüge jedoch nicht. Jeden Tag gingen neue subventionierte Anlagen ans Netz, für die alle Stromkunden 20 Jahre lang zahlen müssten. Die Energiewende brauche einen Neustart.
“Um den Kernenergieausstieg und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern, müssen wir uns von der Vielzahl der zum Teil widersprüchlichen Zielvorgaben verabschieden und auf ein Ziel, nämlich die C02-Reduzierung, konzentrieren. Dieses Ziel müssen die Energieversorger umsetzen.Wie sie das erreichen, sollen sie künftig selbst entscheiden, damit sich die wirtschaftlich beste Lösung durchsetzt und Strom bezahlbar bleibt.”
Folgende Maßnahmen seien erforderlich:
1. Europa müsse die Realitäten wieder in den Blick nehmen:
Energiepreise seien ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit. Allein in Deutschland hingen rund 800 000 Arbeitsplätze bei energieintensiven Unternehmen davon ab. Auch die Wertschöpfungsketten des industriellen Mittelstands seien betroffen. Einer schleichende Deindustrialisierung müsse entgegengetreten werden. Der Wirtschaftsstandort dürfe international nicht ins Hintertreffen geraten. Auch die Bürger dürften nicht überstrapaziert werden.
„Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn die Strompreise hierzulande Jahr für Jahr steigen, während sie in anderen Erdteilen neue Tiefststände erreichen. Denn anders als früher allgemein angenommen, sind fossile Energieträger auf den Weltmärkten nicht zur teuren Mangelware geworden. Im Gegenteil: Wo neue Technologien wie Schiefergas und Ölsand zum Einsatz kommen, sinken die Energiepreise für die kommenden Jahre drastisch. Dem Anstieg der Energiepreise in Europa muss ein Ende gemacht werden.“
2. Die Energiewende sei eine Gelddruckmaschine für wenige:
Immer mehr Partikularinteressen wollten mit der Energiewende Geld verdienen. Solarlobbyisten, Grundstücksspekulanten, Landesregierungen – alle wollten ein möglichst großes Stück vom Subventionskuchen. 20 Milliarden Euro zahlten Deutschlands Stromverbraucher allein in 2013 dafür. Da die EEG-Umlage weiter steige, habe die Energiewende eine soziale Schieflage. Millionen Mieter bezahlten, einige hunderttausend verdienten.
3. Bei der Energiewende seien Prioritäten zu setzen:
Die Vielzahl an Zielen habe sich als Fehler erwiesen. Alle diese Ziele gleichzeitig zu verfolgen sei teuer und führe zu immer mehr Planwirtschaft. Gesetzt seien nur der Kernenergieausstieg und die Reduzierung des C02-Ausstoßes. Die Installation von Solarmodulen sei ebenso wenig Selbstzweck wie unsinnige Isoliervorschriften für Bestandsbauten. Einige Ziele stünden zueinander im Widerspruch. So seien Minderungsziele für den Stromverbrauch unsinnig, solange gleichzeitig durch den Ausbau der Erneuerbaren immer mehr Strom produziert wird. Viel wichtiger sei es, den erzeugten Strom effizient zu vermarkten und wirtschaftlich sinnvoll zu verwenden.
4. Prozesse müssten synchronisiert werden:
„Netzausbau, Speicherforschung und Ausbau der Erneuerbaren gehören zwingend zusammen. Wenn der Ausbau der Erneuerbaren immer schneller der Planung davoneilt, können Netzausbau und Speicherforschung nicht folgen. Deshalb brauchen wir ein Moratorium für die Erneuerbaren.“
5. Das „Kirchturmdenken“ müsse beendet werden
“Deutschland ist in allen Wirtschaftsbereichen erfolgreich, weil wir global denken. Nur bei der Energiepolitik dominiert Kirchturmdenken. Autarkie der Energieversorgung ist aber unsinnig und teuer. Mit Kleinstaaterei kommen wir nicht weiter. Statt Ausbauplänen im Liliputformat brauchen wir den Blick auf das europäische Ganze.”
Die Energiewende müsse stärker europäisch gedacht werden. Sowohl beim Netzausbau als auch bei den notwendigen Back-up-Kapazitäten, beim konventionellen Kraftwerkskapazitäten ebenso wie bei der Förderung der sogenannten „Erneuerbaren“.
6. Planwirtschaft müsse reduziert, dem Markt mehr Geltung verschafft werden:
Fast ein Viertel der in Deutschland erzeugten Strommenge werde über das EEG mit staatlich garantierten Abnahmepreisen bezuschusst. Dies führe zu immer mehr Planwirtschaft in anderen Bereichen: Man sei gezwungen, das Abschalten unrentabler Kraftwerke zu untersagen, um das Stromnetz stabil zu halten. Einige forderten lautstark Subventionen für Gas- oder Kohlekraftwerke. Dieser Weg in die Planwirtschaft müsse verlassen werden. Auch in Europa seien Marktinstrumente für Energie- und Klimapolitik nötig. Statt drei Zielen für Energieeffizienz, Erneuerbaren-Ausbau und CO2-Ausstoß reiche ein CO2-Minderungssziel.
Dies müsse, neben der Bezahlbarkeit von Energie, alleiniger Maßstab des Handelns sein. Die Energieversorger hätten dann eine klare C02-Reduzierungsvorgabe und könnten den Weg dorthin selbst festlegen. So käme die wirtschaftlich vernünftigste Lösung zum Zug.
“Noch ist die Energiewende zu retten. Aber die Zeit wird knapp. Wenn weiter die den Ton angeben, die nur ihre eigenen Interessen statt des großen Ganzen verteidigen, dann gibt es ein böses Erwachen. Wir brauchen dringend einen Neustart für die Energiewende. Es ist höchste Zeit für alle Beteiligten, die Barrikaden zu räumen.”
Von ein paar politisch erklärlichen Formulierungen abgesehen, sind diese Aussagen aus unserer Sicht eine regelrechte Wohltat.
VERNUNFTKRAFT. ist parteipolitisch unabhängig.
Dass diese Statements unseren Positionen für mehr Weitsicht – zum Wohl von Mensch und Natur erstaunlich nahe kommen, registrieren wir jedoch mit großem Wohlwollen.
Besonders bemerkenswert daran ist, dass
- die “Erneuerbaren” zum ersten Mal nicht mehr als Selbstzweck definiert
- die korrumpierenden Wirkungen des Subventionssystems klar benannt
- die mangelnde Kohärenz der unterschiedlichen Ziele thematisiert
werden. Siehe dazu auch unseren Programmpunkt 5.
Bleibt zu hoffen, dass diese vernünftigen Statements Eingang in Programme finden und
-wenn auch mit anderem Wortlaut, so doch zumindest inhaltlich -
auch in anderen Bereichen des politischen Spektrums Widerhall erfahren.
Wir werden weiterhin massiv dafür werben und unabhängig von der politischen Couleur all diejenigen unterstützen, bei denen das Werben für ökonomische=ökologische Vernunft auf fruchtbaren Boden fällt.