Die Systematik des Erneuerbare Energien Gesetzes haben wir an mehreren Stellen beschrieben. In unserer Kritik an diesem Subventionsgesetz wissen wir uns u.a. mit dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, dem wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums, der Bundestags-Expertenkommission Forschung und Innovation sowie der Monopolkommission im Einklang.
Unsere Hoffnung, dass sich mit Amtsantritt des Ministers Gabriel an den bekannten Missständen etwas ändern würde, wurde bereits durch die Bekanntgabe stark getrübt, dass die “Windkraftlobby Staatssekretär” würde, wie in der WELT zu lesen war. In der Tat hatte der im Herbst 2013 in dieses Amt berufene Grünen-Politiker Rainer Baake sich zuvor mit wissenschaftlich unhaltbaren Thesen hervorgetan und eine ausgeprägte Affinität zur Windkraftindustrie erkennen lassen. Gleichwohl schien gegen Ende des Jahres 2013 eine dringende Reform des EEG und insbesondere der Windkraft-Subventionierung unausweichlich.
Unsere Hoffnung war, dass zumindest die dem bis dato gültigen § 29 Abs. 2 EEG innewohnende besondere Irrationalität beseitigt würde.
Jene Vorschrift ist schließlich eine zentrale Triebfeder des Subventionswettlaufs zulasten von Allgemeinheit und Natur. Dass dies politisch als Problem erkannt war, war offenkundig. Eine Abschaffung dieser Extra-Subventionierung besonders schlechter Standorte lag in der Luft. Nicht von ungefähr war die Windkraftlobby durch erste Referentenentwürfe zum “neuen EEG” in heller Aufruhr. “Wenn das so kommt, wird südlich von Hannover kein einziges Windrad mehr gebaut”, unkte ein Branchenvertreter. Diese Sorge des Lobbyisten = Hoffnung aller Vernunftbürger erfüllte sich nicht.
Eine erste Ahnung davon, wie die schwarz-rote (de facto durch besagten Herrn Baake energiepolitisch jedoch grüne) Bundesregierung dem unausweichlichen Reformbedarf begegnen würde, vermittelten die Meseberger Beschlüsse im Januar 2014, die wir hier ausführlich kommentiert haben.
Das trotz unseres konzertierten Bemühens um Aufklärung beschlossene Gesetz, dessen Entstehen wir mit dieser Stellungnahme (leider erfolglos) begleitet haben, hat indes gegenüber dem EEG 2012 hinsichtlich der besonderen Irrationalität des ehem. § 29 (2) noch an Irrationalität hinzugewonnen. Dies versteckt sich hinter der bekannten schwer verständlichen Formulierung
(1) Für Strom aus Windenergieanlagen an Land beträgt der anzulegende Wert 4,95 Cent pro Kilowattstunde (Grundwert). (2) Abweichend von Absatz 1 beträgt der anzulegende Wert in den ersten fünf Jahren ab der Inbetriebnahme der Anlage 8,90 Cent pro Kilowattstunde (Anfangswert). Diese Frist verlängert sich um einen Monat pro 0,36 Prozent des Referenzertrags, um den der Ertrag der Anlage 130 Prozent des Referenzertrags unterschreitet. Zusätzlich verlängert sich die Frist um einen Monat pro 0,48 Prozent des Referenzertrags, um den der Ertrag der Anlage 100 Prozent des Referenzertrags unterschreitet. Referenzertrag ist der errechnete Ertrag der Referenzanlage nach Maßgabe der Anlage 2 zu diesem Gesetz. |
Anstatt Nachteile zu streichen (wie eine teure Kampagne suggerierte), hat man genau diesen Nachteil unterstrichen.
Bei der “grundlegenden Reform” hat man sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die Nummerierung der Paragrafen (aus 29 wurde 49) zu ändern und die “Anfangs- und Grundvergütung” in “Anfangs- und Grundwert” umzubenennen. Ansonsten wurden die Vergütungssätze zwar marginal gesenkt – diese Senkung geht nur unwesentlich über die ohnehin vorgesehene Degression hinaus – die grundlegenden Systemfehler hingegen beibehalten. Das Prinzip – je schlechter der Standort, desto höher die Subvention pro kWh – wurde noch verstärkt, wie aus den letzten Spalten der beiden Tabellen ersichtlich ist.
Dort gibt der “Irrationalitätszuschlag” die standortabhängige durchschnittliche Subventionshöhe in Relation zu einem “130-Prozent-Standort” an:
Nach dem EEG 2012 erhielt ein “80-Prozent-Standort” demnach einen Irrationalitätszuschlag von 34 Prozent. Nach dem EEG 2014 beträgt dieser Zuschlag 50 Prozent.
Dieses Ergebnis heftet sich die Windkraftlobby als Erfolg an die Fahne. So verkündet der Bundesverband Windenergie:
| Auszug aus einer Lobbybroschüre (farbliche Hervorhebung durch uns.) In vielen Punkten konnte der BWE noch Verbesserungen im Laufe der Diskussion erreichen, die nun im EEG 2014 verabschiedet wurden. Referenzertrag § 49 Die im Koalitionsvertrag formulierte Zielsetzung zur Kostensenkung bei der Windenergie an Land wurde vom Bundeswirtschaftsministerium anfänglich mit einem Vergütungsvorschlag über die verschiedenen Standortqualitäten hinterlegt, der einen dynamischen Ausbau der Windenergie an Land in Deutschland an massiv ausgebremst und an vielen Standorten unmöglich gemacht hätte. Durch die intensive Diskussion mit dem Ministerium erreichte der BWE eine Abflachung der Vergütungskurve zu einer fast linearen Kurve. Dabei war die Vorarbeit, die durch die vom BWE gemeinsam mit dem VDMA in Auftrag gegebene Kostenstudie der Deutschen WindGuard GmbH leistete, essentiell. Nur durch diese fundierte wissenschaftliche Grundlage konnte ein massiver Ausbaustopp wegen fehlender Wirtschaftlichkeit verhindert werden. |
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Dieser “Kniefall vor der Windradlobby” (MdB Helmut Heiderich) wurde durch die Personalentscheidungen auf Seiten der “Diskussionspartner” des BWE vermutlich nicht erschwert. Die “dramatische Überschreitung des Ausbaukorridors” (Verband der hessischen Unternehmer) ist jedenfalls maßgeblich diesem “Irrationalitätszuschlag” geschuldet.
Die im Mai 2015 von sechs grünen Landesministern erhobene Forderung zielt auf eine weitere Erhöhung dieses Zuschlags.