Am 11. Januar 2022 stellte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz seine „Eröffnungsbilanz“ in der Bundespressekonferenz vor. Mit dem etwas eigenartigen Satz „Wir starten nicht auf der Ziellinie“ beginnend wies er auf vermeintlich gewaltige Rückstände auf allen Feldern der Energiewende-Politik hin. Wir müssten „dreimal besser werden“, beschied er.
Zur Illustration nutzte der Minister Schaubilder, die einen zu geringen Zubau an Windkraft-Kapazitäten belegen und die suggerierte Notwendigkeit eines extrem beschleunigten Ausbaus unterstreichen sollten. Leider waren diese Abbildungen nicht geeignet, die energiewirtschaftliche Relevanz des bisherigen und des als Ziel beschriebenen Windkraftausbaus sinnvoll zu erfassen. Denn dass das Prinzip „viel hilft viel“ bei ihnen nicht gilt, haben die aktuell 31.200 deutschen Windkraftanlagen immer wieder deutlich gemacht – ein essentieller Fakt, den der Minister leider nicht hinreichend würdigte.
Unter aller Würde waren auch einige Aussagen, die Habeck in jenen 75 Minuten tätigte. Die bestehende und infolge des „Ultralaufs“ noch extrem zu steigernde Natur- und Landschaftszerstörung sowie das als Effekt der Pläne künftig noch zunehmende Leid der Anwohner wurden bagatellisiert und als Geschmacksfrage dargestellt. Die Reduzierung handfester Beschwerden und massiver Verluste an Lebensqualität auf einen „Spaziergang mit Waldi“ zeugt von Ahnungs- oder/und Geschmacklosigkeit.
Eine Ahnung davon, was mit Erreichen der anvisierten Ausbauziele im Hinblick auf Klimaschutz und Energiewende tatsächlich erreicht wäre, bekommt man jedenfalls, wenn man die Augen schließt:
Noch konkretere Impressionen von der Ziellinie liefert das empirisch fundierte Gedankenspiel: Was wäre, wenn wir bereits „sehr viel besser“ wären? Dazu dienen die realen Verbrauchs- und Produktionsdaten aus dem November 2021:
Die 31.200 Windkraftanlagen trugen lediglich an einigen Tagen nennenswert zur aktuellen Bedarfsdeckung bei, besonders am 7., 19. und 30. des Monats. An vielen Tagen war ihr gesamter Beitrag (von Flensburg bis an den Bodensee) allerdings sehr dürftig – am 3., 11.,14. und 17. trugen sie praktisch nichts zur Bedarfsdeckung bei. Der benötigte Strom wurde komplett aus konventionellen Kraftwerken (inklusive Kernkraft und Kohle aus dem benachbarten Ausland) bereitgestellt.
Bei einer – wie im KoaV vorgesehen – vervierfachten Erzeugungskapazität von Wind- (onshore und offshore) und Solarstrom hätte sich bei gleichem Wetter und gleichem Bedarf diese fiktive Situation ergeben:
In den windstarken Phasen hätte die Produktion um ein Vielfaches höher und weit über dem Bedarf gelegen. Damit wäre die Netzstabilisierung erheblich erschwert und die Notwendigkeit, Strom zu Negativpreisen zu verklappen oder Windstromproduzenten für Nicht-Produktion zu entschädigen, häufiger eingetreten. In den Phasen, in denen alle Windkraftanlangen mangels Wind so gut wie nichts produzierten, hätte auch bei einer vierfachen Kapazität nur unwesentlich mehr Windstrom zur Verfügung gestanden. Die Abhängigkeit von zuverlässig zur Verfügung stehendem Strom (sprich: aus Kohle‑, Gas- und Kernkraftwerken, ggf. im Ausland platziert) wäre nicht nennenswert verringert.
Die „Eröffnungsbilanz“ überzeichnet also den Nutzen des Windkraftausbaus und unterzeichnet die zu erwartenden Schäden – sie muss als grob fehlerhaft bezeichnet werden. Wohlwollend mag man die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen als Folgefehler werten – wichtig ist, sie zu revidieren.
Als Vertretung all’ derer, die von flächenintensiver und unstetiger Stromerzeugung immer stärker betroffen sind und als parteiunabhängige Partner jeder Politik, die vernünftige Veränderung bewirken möchte, sind wir von VERNUNFTKRAFT. jederzeit zum Gespräch bereit.
Wir sind überzeugt: Es muss auch in der medial omnipräsenten „Klimakrise“ bessere Wege geben, als unser Land und seine Menschen als Verfügungsmasse für zum Scheitern verurteilte Experimente zu missbrauchen. Henryk M. Broder brachte dies sehr gut auf den Punkt:
Zwingender Teil jedes besseren Weges ist die Stärkung des Natur- und Artenschutzes, wie im tagesspiegel vom 16.1.2022 richtig bemerkt wird:
Die Kommentierung der Habeck’schen Eröffnungsreden durch WELT-Wirtschaftsredakteur Daniel Wetzel ist ebenfalls lesenswert:
Etwas Erbauliches zum Abschluss liefert die Beobachtung eines Lyrikers, an die sein ministerialer Kollege freundlicherweise erinnerte:
Wo aber Gefahr ist, da wächst das Rettende auch.
(Hölderlin nach Habeck)
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