Mal als “Krisen-Gespräch”, mal als “Akzeptanz-Gipfel”, mal als “Wind-Gipfel” angekündigt, fand am 5. September 2019 im Bundeswirtschaftsministerium das mit Spannung erwartete Treffen statt, zudem auch VERNUNFTKRAFT.-Akteure eingeladen waren.
Letzteres gefiel der Windkraftlobby überhaupt nicht. Sie hatte im Vorfeld Forderungen und Thesen verbreitet, die wir nur als “menschenverachtend” und “dem Grundgedanken einer ökologischeren Energieversorgung zuwiderlaufend” beschreiben können.
Den für den 5.9.2019 geplanten Angriff auf den Artenschutz hat u.a. Herr Daniel Wetzel in der WELT treffend beschrieben:
Das zweite “Hindernis”, das die Windkraftlobby bei jenem Treffen aus dem Weg geräumt haben wollte, waren Bestimmungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit:
Abstände von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung sollten reduziert – bzw. Annäherungen an das gesundheitlich Gebotene verhindert – und lästige Dinge wie die Flugsicherung zur Disposition gestellt werden.
Bei ihren Angriffen auf Natur- und Gesundheitsschutz erhielt die Windkraftlobby bereits im Vorfeld Schützenhilfe aus den Reihen der Landespolitik:
In dieser Ausgangslage hatten unsere Vertreter keinen leichten Stand.
Zahlenmäßig waren sie der Phalanx aus Lobbyisten und deren politischen Unterstützern um den Faktor 10 unterlegen. Mit guten Argumenten und im Wissen darum, dass es in dieser Konstellation an ihnen ist, die Interessen der ideologisch und finanziell unabhängigen Bevölkerung einzubringen, gaben sie ihr Bestes.
Dr. Susanne Kirchhof schilderte ihre Eindrücke gegenüber den Mitgliedern des Landesverbandes Vernunftkraft Schleswig-Holstein in diesen Worten:
Liebe Mitstreiter, ich danke allen, die mich/uns gestern durch ihre Briefe vorab an den Bundeswirtschaftsminister unterstützt haben. Nach dem gestrigen – und zumindest für mich – aufregenden Tag in Berlin bei Bundeswirtschaftsminister Altmaier will ich kurz meine Eindrücke für Euch zusammenfassen. Meine Eindrücke und Interpretationen sind subjektiv und ich will nicht ausschließen, dass die anderen ebenfalls beim Minister anwesenden Vernunftkraft-Mitglieder zu anderen Schlussfolgerungen kommen. Bei dem Krisengespräch zur Windkraft waren laut Liste 58 Teilnehmer anwesend (davon 8 Frauen – damit Ihr Euch das Bild in etwas vorstellen könnt). Der Zeitrahmen war auf 2 Stunden begrenzt, nach einer etwa siebenminütigen Ansprache des Ministers gab es ein ausführliches Intro von Herrn Albers (BWE-Vorstand) von etwa 10 Minuten. Danach wurden verschiedene Themenblöcke aufgerufen (z.B. Akzeptanz, Natur- und Artenschutz), wozu es begrenzte Redekontingente gab. Jeder Redner hatte exakt drei Minuten und durfte einmal sprechen. Unsere Forderung nach anteilig mehr Redezeit wurde abgelehnt. Der Moderator war sehr stringent aber fair – nur dem unsäglichen Umweltminister Lies aus Niedersachsen, der sich als knallharter Lobbyist darstellte, hat er aus Versehen zweimal das Wort erteilt. Ich habe mich gleich zu Anfang zum Thema Akzeptanz zu Wort gemeldet, und habe zunächst einem Projektierer von Windparks mit Bürgerbeteiligungsmodell aus Dithmarschen widersprochen, der für Dithmarschen volle Zufriedenheit und Akzeptanz proklamierte. Danach habe ich mein Statement zum Immissionsschutz abgegeben, kam aber nicht ganz bis zum Schluss (Redezeit – ich hatte, weil ich als erste von uns sprach, noch darauf gepokert, dass man uns doch ausreden lässt). Die Botschaft „Akzeptanz hat was mit Abständen” zu tun, ist aber angekommen. Darauf kam die Gegendarstellung einer UBA-Mitarbeiterin, sowie verschiedene Angriffe der anwesenden Branchenvertreter, die den Anwohnern mit Gesundheitsbeschwerden psychische Probleme unterstellten. Nun war ja nicht zu erwarten, dass die Branche anders reagiert. Der Minister hat sich mein Statement und die der anderen VK-Mitstreiter wohlwollend angehört. Die Branche trug erwartungsgemäß ihre Forderungen vor: mehr Ausbau, mehr Fläche, weniger Abstand und weniger Artenschutz. Letztlich hat Herr Altmaier die Verringerung des Abstands zu Flugsicherungseinrichtungen vertieft (das ist nicht unser vorrangiges Thema, da haben schon die zuständigen Stellen vehement dagegen geschrieben) sowie die Aushebung des Offshore-Deckels. Außerdem sagte er, dass die Regierung am 20.9.2019 festlegen will, mit welchen Anteilen von Wind onshore, offshore oder PV die Ziele – 65 % EE bis 2030 erreicht werden sollen. Darauf schließe ich, dass er der onshore-Branche keine Zusagen bezüglich ihrer Forderungen machen wollte, sondern sich die Wahl der Mittel zur Erreichung der 65% offen lässt. Außerdem hat er uns direkt aufgefordert, jetzt alle Anliegen/Vorschläge/Anregungen bei ihm noch schriftlich einzureichen […] Mein Fazit: Wir dringen mit unserer Botschaft durch. Auch wenn das nicht überall gleich sichtbar wird. Ein Besuch bei Minister Altmaier in Berlin ist schon viel, aber wichtiger bleibt der Widerstand vor Ort. Wir dürfen uns nicht ausruhen und müssen weiter vor Ort gegen jede Fläche, gegen jede Ausnahmegenehmigung kämpfen. Zeit gewinnen und zeigen: Wir akzeptieren die Vergewaltigung unserer Landschaft, die Vernichtung unserer Lebensqualität und Gesundheit nicht. Briefe an Herrn Minister Altmaier können auch jetzt noch geschrieben und verschickt werden. Er hat uns dazu aufgefordert. Peter Altmaier – Bundeswirtschaftsministerium – Scharnhorststraße 34–37 – 10115 Berlin Soviel fürs Erste. Viele Grüße Susanne |
Der Ausgang des Treffens ist in der Schlagzeile des tagesspiegels treffend wiedergegeben.
Er erinnert an das Hornberger Schießen.
Einen kurzen Ausschnitt des Nachhalls der abgegebenen Salven gibt dieses Video wieder:
Wenn sich Dr.-Ing. Detlef Ahlborn in unserer anschließenden Pressekonferenz angesichts der erlebten Ignoranz gegenüber naturwissenschaftlichen Fakten auch deprimiert zeigte, so ist mit etwas Abstand doch sehr positiv zu resümieren, dass wir unsere Positionen darlegen und den “Angreifern” Paroli bieten konnten.
Für diese Möglichkeit sei dem Bundeswirtschaftsminister und den Organisatoren des Treffens gedankt.
Unsere Hand bleibt ausgestreckt.
Unser Fahrplan bleibt gültig.
Ungültig und unverschämt sind in indes die Forderungen und das Auftreten der Windkraftlobby und ihrer Hilfsschützen Untersteller und Lies.
Bleibt zu hoffen, dass deren faktischer Einfluss schwindet. In einem Hause, das das Erbe Ludwig Erhards verwaltet, sind diese Vertreter von Partikularinteressen nicht gut aufgehoben. Bereits 2014 mahnte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an:
Wer die Energiewende zum Erfolg führen will, muss den politischen Widerstand der größten Profiteure des Subventionssystems überwinden
Inwieweit es dabei hilfreich ist, eben jenen Profiteuren das öffentlichkeitswirksame Vergießen von Krokodilstränen zu ermöglichen, sei dahingestellt.
Unserem zunächst etwas deprimierten 2. Vorsitzenden darf jedenfalls bescheinigt werden, dass seine Kernbotschaft nicht nur im ehrwürdigen Eichensaal des Ministeriums ein- und den Windkraftlobbyisten die Sprache ver-, sondern sich auch im Handelsblatt niederschlug:
Herr Stefan Kapferer, Präsident des BDEW, befand nach dem Treffen, dass es bei der Energiewende kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem gäbe.
Das genaue Gegenteil ist richtig.
Wir arbeiten weiter daran, die Erkenntnisse zu verbreiten.
Übrigens: Neben dem badischen Städtchen Hornberg, an das der Ausgang des “Gipfeltreffens” erinnerte, erregte auch die bayerische Großstadt Regensburg an jenem 5. September 2019 unsere Aufmerksamkeit: Die dort ansässige mittelbayerische Zeitung veröffentlichte eine Außenansicht.