Am 12. August 2020 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf für ein Investitionsbeschleunigungsgesetz beschlossen. Auf der Internetseite der Bundesregierung ist die offizielle Ratio nachzulesen – man glaubt mal wieder, etwas Wichtiges vollbracht zu haben.
Der offenbar unter hohem Zeitdruck erstellte Entwurf soll im Eiltempo durch das parlamentarische Verfahren gepeitscht werden. Dass an der Expertise und Meinung der Betroffenen kein wirkliches Interesse bestand, zeigt schon das unangemessen kurze Zeitfenster, in dem die Verbändeanhörung eingeleitet und abgeschlossen wurde. Die Veröffentlichung der Stellungnahmen kann man nur als Pflichtübung ohne wirkliche inhaltliche Beschäftigung auffassen. Unsere Eingabe wurde jedenfalls (bisher) nicht aufgegriffen.
Somit wurde dieses Gesetzesvorhaben auf ein völlig falsches Gleis (VöfalschG) gesetzt.
Im Interesse der Menschen, der Natur und des Wirtschaftsstandorts bleibt zu hoffen, dass der Kabinettsentwurf noch von verantwortungsvollen Volksvertretern (m/w/d) geändert oder in Gänze verworfen wird. Insbesondere sind alle Bezüge zu Windenergieanlagen zu streichen. Diese bedienen lediglich das Partikularinteresse der Windkraftindustrie und implizieren eine massive Entrechtung der Menschen und eine weitere Herabstufung des Natur- und Artenschutzes zugunsten jener Branche.
Zentrale Prämissen dieses Entwurfs beruhen auf Irrtümern:
Windkraftanlagen sind keine “wichtige Infrastruktur” !
Bei der Privatisierung der ehemaligen Energiemonopole in den frühen 1990er Jahren wurden die Bereiche Energieerzeugung, -transport und -vertrieb unterschieden. Die Erzeugung und der Vertrieb sind dabei rein privatwirtschaftlich zu erbringen, die Transportnetze und deren Bepreisung überwacht die Bundesnetzagentur. Im Sinne des InvestBeschlG (=VöFalschG) ist daher nur das Transportnetz als “wichtige Infrastruktur” zu bezeichnen. Eine Einbeziehung von Erzeugungsanlagen könnte daher nur erfolgen, wenn diese von den Netzbetreibern oder der Netzagentur ausschließlich zur Ausregelung von Stromangebot und ‑nachfrage betrieben würden. Dies könnten beispielsweise zukünftige Investitionen in Gaskraftwerke sein, die sich wegen der Vorrangregelung für Erneuerbare Energien betriebswirtschaftlich nicht rentieren, aber bei Nichtverfügbarkeit von Sonne und Wind sowie für die Regelenergie trotzdem gebraucht werden. Solche Kraftwerke wären dann aber auch ausschließlich über die Netzentgelte zu refinanzieren.
Selbst wenn man die Erzeugung von erneuerbarer Energie als “kritische Infrastruktur” ansähe (Konjunktiv!, dann wäre die einseitige Bevorzugung der Windkraft in diesem Gesetz gegenüber anderen erneuerbaren Energieformen, wie z.B. Solar, Geothermie oder Biogas weder rechtlich haltbar noch ökonomisch sinnvoll.
Tatsächlich sind Windkraftanlagen allerdings nicht Teil der Lösung, sondern das zentrale Problem, wenn es um die Gewährleistung einer sicheren, umweltfreundlichen und preiswerten Stromversorgung geht. Von übergeordnetem Interesse ist hier keine Be- sondern eine Entschleunigung.
Windkraftprojekte scheitern selten an klagenden Bürgern
Mit dem InvestBeschlG (=VöFalschG) folgt der Gesetzgeber 1:1 der seitens der Windkraftlobby (BWE) verbreiteten Legende, wonach renitente Bürger und Naturschutzgruppen dem vermeintlich so wichtigen Windkraftausbau durch vermeintlich “missbräuchliche” Klagen Steine in den Weg legen und somit Knüppel in die Speichen des Fortschritts schieben würden. Diese egoistischen, klagewütigen Spießbürger gelte es in ihre Schranken zu weisen. Sprich, ihnen den Rechtsweg zu verbauen und der weltenrettenden Windkraft freie Fahrt zu verschaffen.
Eine Überprüfung dieser Behauptung fand nie statt. Unserer gesammelten Erfahrung nach ist sie eine dreiste Lüge. Die Windlobby verhält sich wie der “haltet den Dieb” rufende Bankräuber.
Es stimmt zwar, dass Windkraftprojekte immer häufiger am Widerstand gut informierter und gut organisierter Vernunftbürger scheitern. Nur in seltenen Fällen ziehen Betroffene jedoch vor Gericht – in den allermeisten Fällen obsiegen sie (sofern sie obsiegen) durch Überzeugungsarbeit. Akzeptanz genießt die Windkraft nämlich nur noch dort, wo das Wissen um ihre Auswirkungen fehlt.
Auch die Naturschutzverbände klagen keineswegs “wild drauf los” und um des Klagens willen. Der niedersächsiche Landesvorsitzende des NABU erklärte im August 2019, dass sein Verband in den letzen 10 Jahren bundesweit ganze 0,5 Prozent aller Windkraftprojekte beklagt habe – in allen Fällen aus sehr triftigen, artenschutzfachlichen Gründen.
Klagewut kennzeichnet die Windbranche, nicht die Bürger!
Tatsächlich sind es die Projektierer und Planer von Windkraftprojekten, die regelmäßig Justiz beschäftigen. Sie klagen wegen abgelehnter Genehmigungsanträge, auf “Befreiung vom Schutzstatus” und auf Gewährung von “substantiellem Raum”. Kein Gemeinderat und kein Kreistag ist vor ihnen sicher. Über die Aggressivität der Branchenvertreter wurde leider noch zu selten berichtet.
Die Klagewut der Windbranche ist dabei – unserer Erfahrung nach, gesicherte Zahlen zu finden, wäre eine verdienstvolle journalistische Aufgabe – in den letzten Jahren immer größer geworden.
Erklärlich ist dies insofern, als mittlerweile bereits ein Viertel aller Windkraftanlagen in einem Schutzgebiet errichtet ist, wie das Bundesamt für Naturschutz (2019) bedauernd feststellte. D.h. in einem ökologisch, naturschutzfachlich und/oder landschaftlich sensiblem Gebiet, wo – dem Schutzzwecke nach – derartige Industrieanlagen eigentlich niemals genehmigungsfähig wären. Einem Viertel aller Anlagen liegt also bereits jetzt eine Ausnahmegenehmigung zugrunde.
Dort, wo Gemeinden, Kreise oder andere Gebietskörperschaften sich nicht zu einer Kompromittierung hinreißen lassen und die Ausnahmegenehmigung verweigern, können sie damit rechnen, die Klagewut der Sauberstrom-Branche auf sich zu ziehen.
Schutzgebiete müssen Tabuzone bleiben, nicht Gewinnzonen werden!
Das primäre Ansinnen der Windlobby, dem der Gesetzesentwurf voll entspricht, ist nicht, weniger oft und weniger langwierig beklagt zu werden. Es geht vielmehr darum, bei den vom Zaun gebrochenen eigenen Klagen schneller durch die Instanzen und damit zum Ziel zu kommen: Zu einer Ausnahmegenehmigung, die es bei Beibehaltung des bisherigen Arten- und Naturschutzes niemals gegeben hätte.
Dass sich das Geschäftsinteresse der Windbranchen immer mehr auf Schutzgebiete konzentriert, kommt nicht von ungefähr. Der Flächenfraß dieser Energieform ist enorm – konfliktfreie, lukrative Standorte gibt es schon lange nicht mehr. Zudem liegen Naturschutzgebiete oft in höheren Lagen – dort, wo die Windstromerzeugung betriebswirtschaftlich am rentabelsten ist.
Der Gesetzentwurf leistet der Windkraftbranche bei deren Angriff auf letzte Bastionen von Natur- und Landschaftsschutz massive Schützenhilfe. Damit ist er nicht nur unmoralisch sondern auch diametral zum vernünftigen Zeitgeist, wie die am 14. August 2020 veröffentliche Naturbewusstseinsstudie erkennen lässt:
Auch beim ZDF wurde die Botschaft verstanden:
Dieses völlig falsch aufgegleiste Gesetz können verantwortungsvolle Volksvertreter so nicht passieren lassen.
Weisen Sie Ihre Vertreter (m/w/d) gerne darauf hin.