Bittgang in Sachen Windkraft
Kirche zeigt Rückgrat und besinnt sich der Schöpfung
Am Sonntag, den 23. März 2014 luden der katholische Diakon Markus Hildebrand (Jossa) sowie sein evangelischer Kollege Pfarrer Steffen Poos (Nieder-Moos) in Kooperation mit der Bürgerinitiative „Gegenwind Vogelsberg“ zu einem ökumenischen „Bittgang zur Bewahrung der Schöpfung in der Werschbach“ ein.
Bei der „Werschbach“ handelt es sich um einen Höhenzug im Vogelsbergkreis, der zwischen den Gemeinden Jossa und Metzlos-Gehaag liegt. Hier plant die OVAG-Tochter „hessen Energie“ im Wald der Freiherren von Riedesel zu Eisenbach, der erst vor einigen Jahren (zum Teil mit Fördermitteln) aufgeforstet wurde, den Bau von acht 200 Meter hohen Windkraftanlagen der Drei-Megawatt-Klasse. Dies hat in der Bevölkerung großen Widerstand ausgelöst, zumal der Abstand zu vier in der Nähe liegenden Höfen nur knapp 600 – 900 Meter und gerade einmal 1000 Meter zu allen umliegenden Ortschaften beträgt. Tatsache ist auch, dass im Vogelsbergkreis bereits die meisten Windkraftanlagen Hessens stehen.
Ausgehend von der katholischen Kirche St. Rochus in Jossa erstreckte sich der Bittgang über acht verschiedene Stationen hin zur Antoniuskapelle am Ebenhof, in der um 11.30 Uhr eine Andacht geplant war.
Wie vom Schicksal bestimmt, wurden die etwa 100 Bittgänger dabei von einem Rotmilan begleitet, der während des gesamten Weges seine Kreise über den Köpfen der staunenden Gruppe zog und einhellig als „gutes Omen“ verstanden wurde. Könnte doch ein Rotmilan-Vorkommen die Genehmigung der Windkraftanlagen letztendlich doch noch verhindern.
Um (be)greifbar zu machen, welche katastrophalen Auswirkungen der Bau der Windkraftanlagen auf Mensch, Tier und Natur haben wird, wurde während des Bittgangs der Fokus auf den ersten Teil der Bibel, das 1. Buch Mose, die Genesis gelegt. In sieben Tagen erschuf Gott die Welt und sieben Stationen widmeten sich in anschaulicher Weise der Schöpfungs-Thematik, während sich die achte Station mit der Litanei zum Sonnengesang des heiligen Franziskus als Dank an Gott verstand.
Jedes Innehalten an den einzelnen Stationen wurde nach der abwechselnden Lesung des jeweiligen Bibelabschnitts durch die beiden Geistlichen mit einem kleinen Auftrag für alle Teilnehmer bedacht, der sich mit der ganz bewussten Wahrnehmung der – noch intakten – Natur und Umgebung beschäftigte.
So sollte man zunächst das Licht auf sich wirken lassen, die Weite des Himmels erfassen, Bäume und Pflanzen besonders empfinden, die Wärme der Sonne spüren, auf das Gezwitscher der Vögel hören und zum Schluss alle Tiere in ihrer wunderbaren Einzigartigkeit begreifen.
Die größte Gefahr für die Erde sind wir Menschen selbst und die Schöpfung wurde uns nur als Leihgabe gegeben, die wir als „Haus des Lebens“ zum Wohle aller Lebewesen schützen und verteidigen müssen. Die Erde und ihr natürlicher Reichtum gehören nicht den Reichen und Mächtigen dieser Erde, schon gar nicht den Wirtschaftsunternehmen und Börsenspekulanten!
Mit diesen Worten eröffnete Diakon Hildebrand die Andacht in der Antoniuskapelle am Ebenhof.
Wir wollen in diesem Gottesdienst für die Entscheidungsträger bezüglich des Baus von acht Windkraftanlagen in der Werschbach beten und wollen um eine gute Entscheidung bitten
In einer außergewöhnlich couragierten Predigt drückte Hildebrand mit großem Nachdruck seinen Unmut über die politische Vorgehensweise in Bezug auf die Umsetzung der unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Fukushima im Sommer 2011 entstandenen Energiewende aus und scheute sich auch nicht davor, die Dinge „beim Namen“ zu nennen.
Das Vertrauen in die Politik ist verspielt und nicht mehr gegeben. Es wird keine Rücksicht genommen auf die Natur sowie die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Menschen durch Infraschall, Schall und Schattenschlag, indem Grenzwerte und Mindestabstände einfach unterschritten werden. Anscheinend gibt es Menschen zweiter Klasse, deren Wohlergehen auf dem Altar des Profits der Wirtschaft geopfert wird. Politiker und Investoren arbeiten Hand in Hand. Alte Seilschaften werden genutzt und Herren VON gutem Ruf sanieren sich auf Kosten ihrer Mitmenschen. Die Bürger hier spüren die Ohnmacht und fühlen sich hilflos.
Hildebrand forderte, irreversible Veränderungen der natürlichen Umwelt so weit wie möglich zu vermeiden, Belastungen fair zu verteilen, unwirtschaftliche Subventionierungen abzubauen und von Infrastrukturmaßnahmen betroffene Bürger in die öffentliche Planung mit einzubeziehen.
Hier in der Werschbach soll etwas durchgepeitscht werden – ohne, dass sauber recherchiert und gearbeitet wird bzw. Ergebnisoffenheit besteht. Bundeswirtschaftsminister Gabriel könnte in diesem Zusammenhang zum Engel Gabriel werden“,
so sein Fazit.
Als Sprecherin der Bürgerinitiative Gegenwind Vogelsberg Gruppe Jossa/Metzlos-Gehaag dankte Edith Thiesen den beiden Geistlichen für den bedeutsamen Bittgang.
Sie kritisierte, dass man noch nicht erfahren habe, wie die Entscheidungen der Flugsicherung ausgefallen seien, da man den Antrag auf Akteneinsicht nach dem Hessischen Umwelt-Informations-Gesetz verwehrt bekommen habe, mit der Bitte, doch einfach den Tag der Offenlegung im Herbst abzuwarten. Dies jedoch würde jegliche Gegenreaktionen unterbinden, da man in Ruhe die Fäden für eine Genehmigung ziehen könne, so die Rednerin. Man werde aber weiter auf sein Recht beharren und das notfalls mit juristischem Beistand untermauern.
Der Vorsitzende des NABU-Hosenfeld ließ abschließend eine Erklärung verlesen, in der darauf verwiesen wurde, dass der Staatlichen Vogelwarte in Frankfurt seit 2012 regelmäßig Rot- und Schwarzmilane, Schwarzstorch sowie andere Greifvogelarten in der Werschbach gemeldet worden seien. Die für das Genehmigungsverfahren zuständigen Institutionen hätten Kenntnis darüber, würden sich aber bisher nicht dazu äußern.
Gemeinsam kämpfen sie für die Vernunft, für das Wohl von Mensch und Natur.
Sie wollen Schöpfung bewahren.
Sie wissen, dass Subventions-Abschöpfung der Feind der Schöpfung ist.
Danke, Herr Diakon Markus Hildebrand.
Danke, Herr Pfarrer Steffen Poos.
Es reicht.
Im Vogelsberg und überall.
Hier finden Sie einen Artikel in der Fuldaer Zeitung