Kolli­si­ons­kurs

Technisch und physi­ka­lisch nicht vorge­bil­dete Laien wie etwa Claudia Kemfert (siehe hier) und andere in der Sache unkun­dige Lobby­is­ten und Politi­ker behaup­ten regel­mä­ßig, die allfäl­li­gen Strom­ex­porte würden durch mit Braun­koh­len­strom „verstopfte“ Strom­lei­tun­gen verursacht.

Besser eine starke Behaup­tung als ein schwa­cher Beweis scheint die Maxime jener Damen und Herren zu sein, die Herrn Stein­mei­ers Klagen volle Berech­ti­gung geben.

In der Tat ist die gebets­müh­len­ar­tig wieder­holte These als kontra­fak­tisch zu erkennen:

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Fehlende Korre­la­tion der Strom­ex­porte mit der Strom­pro­duk­tion aus Braunkohle.

Bei genauem Hinse­hen zeigt sich, dass nicht einmal die jährli­chen Strom­ex­porte mit der Produk­tion aus Braun­koh­len­strom korre­lie­ren: Während die Strom­pro­duk­tion aus Braun­kohle zwischen 1990 und 2014 unver­än­dert geblie­ben ist, sind die Exporte gestie­gen. Und weil es eine solche Korre­la­tion nicht gibt, gibt es auch keinen kausa­len Zusam­men­hang zwischen dem Strom­ex­port und dem Strom aus Braunkohlekraftwerken.

Für das Niveau dieser Diskus­sion hat Herr Cem Özemir bereits 2011 ein trauri­ges Beispiel abgege­ben, als er in seiner vollmun­di­gen Erklä­rung wieder­holt Gigabyte und Gigawatt verwech­selt hat.

Das Niveau der Strom­preise ist seither massiv gestie­gen, das der Debatte leider kaum.

Um Abilfe zu schaf­fen, haben Dr.-Ing. Detlef Ahlborn und Profes­sor Hans Jacobi im Herbst 2016 die Zusam­men­hänge zwischen Rekord­mel­dun­gen um “erneu­er­bare Energien” und der Entwick­lung von Versor­gungs­si­cher­heit, Strom­ex­por­ten und Strompreisen

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mit statis­ti­schen Metho­den genauer untersucht.

Die Resul­tate sind so erhel­lend wie erschre­ckend: Die zufalls­ge­steu­erte Strom­pro­duk­tion aus Wind- und Solar­an­la­gen erzwingt, dass ein Drittel dieses Stroms im Ausland entsorgt werden muss. Die ebenso kühne These, die sogenann­ten erneu­er­ba­ren Energien wären mit 30% am Strom­ver­brauch betei­ligt, erweist sich als Makulatur.


Zwei Strom­erzeu­gungs­sys­teme kollidieren

2015 war ein Rekord­jahr für die Produ­zen­ten von Solar- und Windstrom. Es war vor allem ein „gutes Windjahr“. Nie zuvor wurde in Deutsch­land so viel Strom aus Wind und Sonne erzeugt. In der Summe waren es 125 TWh. Gemes­sen am Strom­ver­brauch liegt der Anteil des in Deutsch­land produ­zier­ten Wind- und Sonnen­stroms damit bei 19,3%. Diese Zahl wurde von der Presse und der Erneu­er­bare Energien (EE) – Lobby gefei­ert.  Es wurde der Eindruck erweckt, die EE (Wind, Sonne, Biogas, Wasser­kraft, Hausmüll und Sonstige) hätten damit tatsäch­lich 30 % zur Versor­gung in Deutsch­land beigetra­gen. Doch das ist nicht der Fall.

Rekorde und Nebenwirkungen

Es wurden zwar Rekord­men­gen an Strom produ­ziert, aber nicht im Lande verbraucht, sondern in großen Mengen ins angren­zende Ausland expor­tiert. Die Diskus­sion darüber, ob es sich bei den Expor­ten um Kohlestrom oder EE-Strom handelt, ist müßig. Auch der Hinweis darauf, dass der EE-Strom bei der Börse zu Grenz­kos­ten von Null herein­ge­nom­men wird, führt an den eigent­li­chen Proble­men vorbei. Unabhän­gig vom aktuel­len Börsen­preis zahlt der Kunde immer den durch das EEG garan­tier­ten Strom­preis, geht der Preis bei Überpro­duk­tion ins Negative, kommen diese Kosten noch hinzu.

Kernpro­blem sind die immer größer werden­den Schwan­kun­gen der EE-Strom­pro­duk­tion, die von den vorhan­de­nen thermi­schen Kraft­wer­ken vor allem aus physi­ka­li­schen und techni­schen Gründen nicht mehr kompen­siert werden können. Im Netz ist der Strom aus EE-Anlagen ein Unruhe­stif­ter, dessen Schwan­kun­gen ohne die erfor­der­li­chen Speicher nicht mehr beherrsch­bar sind. Mit der Rekord­pro­duk­tion an EE-Strom stiegen in 2015 auch die Kosten für die Notmaß­nah­men zur Verhin­de­rung eines Netzzu­sam­men­bruchs: So schrieb DER SPIEGEL am 17. Januar, dass die Eingriffe zur Abwehr eines größe­ren Strom­aus­falls im vergan­ge­nen Jahr zu Rekord­kos­ten von etwa einer Milli­arde Euro geführt haben. Über die Netzent­gelte gehen diese Kosten zu Lasten der Verbrau­cher. Unsere Nachbarn errich­ten Strom­sper­ren an ihren Grenzen, um die eigenen Netze vor unserem Überschuss­strom zu schüt­zen. Die erfor­der­li­chen Phasen­schie­ber­trans­for­ma­to­ren lassen sie sich ebenfalls vom deutschen Strom­kun­den bezah­len. Kosten für die Verbrau­cher: 200 Millio­nen Euro.

Der Kern des Problems und seine Hintergründe

Dieses Debakel ergibt sich aus funda­men­ta­len techni­schen und physi­ka­li­schen Zusam­men­hän­gen und schon vor Jahren wurde davor gewarnt: In einer Unter­su­chung [1] hat das ISE Fraun­ho­fer Insti­tut in Freiburg schon im August 2013 davor gewarnt, dass ein weite­rer Ausbau der erneu­er­ba­ren Energien zu anwach­sen­den Export­über­schüs­sen und zu länger andau­ern­den Zeiten mit niedri­gen oder gar negati­ven Börsen­prei­sen und zu einem langfris­tig unüber­wind­ba­ren System­kon­flikt führen wird.

Aus Sätzen der mathe­ma­ti­schen Statis­tik wurde bereits im Jahre 2014 abgelei­tet, dass die Leistungs­spit­zen durch den Ausbau der Windkraft weiter anstei­gen und die bekann­ten Probleme wie Überstrom­pro­duk­tion und Negativ­preise an der Börse weiter verschär­fen werden [2].

Der Konflikt entsteht durch zwei vonein­an­der unabhän­gige Strom­erzeu­gungs­sys­teme in Deutschland:

  1. Das konven­tio­nelle Strom­erzeu­gungs­sys­tem, bestehend aus Kernkraft­wer­ken, Braun­koh­le­kraft­wer­ken für die Grund­last, Stein­koh­le­kraft­wer­ken für die Mittel­last und Gaskraft­wer­ken für die Spitzen­last. Diese Klassi­fi­zie­rung ergibt sich zwangs­läu­fig aus dem technisch mögli­chen und wirtschaft­lich sinnvol­len Regel­po­ten­zial dieser Kraftwerke.

Zum konven­tio­nel­len Strom­erzeu­gungs­sys­tem kann auch die Biogas­an­la­gen zählen. Diese lassen sich konti­nu­ier­lich betrei­ben und gehören damit auch zu den regel­ba­ren Strom­erzeu­gern. Die konven­tio­nel­len Anlagen lassen sich bedarfs­ge­recht betrei­ben. Aufgrund der Regel­bar­keit der Kraft­werke folgt die Strom­pro­duk­tion auf die Milli­se­kunde genau dem Bedarf. Dieser momen­tane Ausgleich von Nachfrage und Erzeu­gung ist die physi­ka­li­sche Grund­be­din­gung für ein stabi­les Stromnetz.

  1. Das zweite System sind Windkraft­an­la­gen mit ca. 45 GW instal­lier­ter Leistung und Photo­vol­ta­ik­an­la­gen mit ca. 40 GW instal­lier­ter Leistung. Die Strom­erzeu­gung aus Sonne unter­liegt dem Tag-Nacht-Rhyth­mus. Die Perioden­dauer beträgt 24 Stunden, der Strom­ein­trag beginnt nach Sonnen­auf­gang mit gerin­gen Werten und erreicht um 12:00 das Maximum. Der Leistungs­be­darf schwankt auch im 24 Stunden Rhyth­mus, jedoch nicht deckungs­gleich mit dem Sonnen­ein­trag. Er beginnt früher als die Sonnen­strom­lie­fe­rung, geht gegen Mittag zur Zeit der höchs­ten Sonnen­aus­beute leicht zurück, steigt danach wieder an und endet gegen Abend später als der Sonneneintrag.

Die Windaus­beute hängt von den Wetter­be­din­gun­gen ab. Wind- und Sonnen­strom sind daher in hohem Maße volatil. Bedarfs­ge­rechte Strom­erzeu­gung ist mit diesem System physi­ka­lisch nicht möglich. Die Kombi­na­tion aus Wind- und Sonnen­strom verur­sa­chen für das konven­tio­nelle Versor­gungs­sys­tem unter­schied­lich schwie­rige und unter­schied­lich teure Regelsituationen:

Der einfachste und kosten­güns­tigste Fall ist Windstille bei Nacht. Dann liegt der Regelungs­be­darf bei Null. Der teuerste Fall ist viel Wind (beispiels­weise bei einer Ost-Wetter­lage) und tagsüber ein hohes Angebot an Solar­strom. Hier müssen konven­tio­nelle Kraft­werke vormit­tags schnell abgere­gelt  und nachmit­tags genauso schnell wieder herauf­ge­re­gelt werden. Nur so können Netzaus­fälle vermie­den werden.

Die Volati­li­tät von Wind- und Sonnen­strom ist das bisher ungelöste Kernpro­blem der Energie­wende. Liegt die Lösung in noch mehr Windrädern?

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Tabelle 1: Statis­ti­sche Kennzah­len Windkraft

Ein Blick auf statis­ti­sche Kennzah­len bringt Klarheit: Die Standard­ab­wei­chung – ein Maß für die Volati­li­tät – hat von 2010 bis 2015 gleich­zei­tig mit dem Anstieg der instal­lier­ten Wind- und Sonnen­leis­tung zu- und nicht etwa abgenom­men. Offen­sicht­lich erhöhen noch mehr Windrä­der ledig­lich die Spitzen­er­zeu­gung, ohne eine sichere Grund­last zur Verfü­gung stellen zu können. Eine sichere und unter­bre­chungs­freie Strom­ver­sor­gung ist unabhän­gig von der Anzahl der Wind- und Sonnen­kraft­werke nicht möglich. Einen Ausgleich der Erzeu­gung zu einer sicher zur Verfü­gung stehen­den Leistung durch noch mehr Windkraft­an­la­gen (WKA) gibt es in Deutsch­land nicht. Dies ist inzwi­schen hinrei­chend belegt [3], obgleich Studien zu erneu­er­ba­ren Energien immer wieder das Gegen­teil behaup­ten und damit die Politik zu nachweis­bar falschen Entschei­dun­gen drängen.

Strom aus Wind und Sonne hat gemäß Erneu­er­bare Energien Gesetz (EEG) Vorrang in den Netzen und wird von der Börse zu Grenz­kos­ten von Null herein­ge­nom­men. Dadurch ist das volatile und für den Strom­ver­brau­cher teure Strom­erzeu­gungs­sys­tem gegen­über dem konven­tio­nel­len System bevor­zugt. Das bedeu­tet in letzter Konse­quenz, dass die konven­tio­nel­len Kraft­werke bei Nacht und Windstille die gesamte nachge­fragte Leistung decken können müssen – und dies unabhän­gig von der Anzahl der instal­lier­ten WKA. Die gesamte Sonnen- und Windleis­tung muss zu 100 % der nachge­frag­ten Leistung ausrei­chend schnell durch regel­bare Kraft­werke ersetz­bar sein. Die maximale Residu­al­last - die Diffe­renz zwischen der benötig­ten Leistung und der Leistung, die die nicht regel­ba­ren Wind- und Sonnen­kraft­werke erbrin­gen, – beträgt in diesem Fall 100% der nachge­frag­ten Leistung.

 Die minimale “Residu­al­last” – Grenze der Belastbarkeit 

Wenn ausrei­chend Sonnen- und Windleis­tung vorhan­den ist, müssen die konven­tio­nel­len Kraft­werke den Schwan­kun­gen der Wind- und Sonnen­strom­erzeu­gung schnell folgen und soweit herun­ter­ge­fah­ren werden, wie dies technisch und wirtschaft­lich vertret­bar ist. Diese Schwelle bestimmt die mögli­che minimale Residu­al­last, auf die die konven­tio­nel­len Kraft­werke herun­ter­ge­fah­ren werden können, ohne dass sie die Fähig­keit verlie­ren, bei Nachlas­sen von Wind und Sonne die Leistung kurzfris­tig wieder herauf geregelt zu werden. Welche Residu­al­last darf also nicht unter­schrit­ten werden?

Zur Erinne­rung: es sind bereits 85 GW Wind- und Sonnen­leis­tung instal­liert. Als Maximal­wert wurden bisher im Rahmen des Netzma­nage­ments 50 % der Nennleis­tung zugelas­sen. Das sind etwa 42 GW. Bei weite­rem Ausbau der Windener­gie wird zumin­dest in Schwach­last­zei­ten sehr bald mit negati­ven Residu­al­las­ten zu rechnen sein, d.h. es kann theore­tisch mehr EE-Strom produ­ziert als verbraucht werden. Eine Prognos-Studie [4] geht davon aus, dass als Folge eines weite­ren Ausbaus von Sonnen- und Windkraft in 2030 an ca. 1100 Stunden eine negative Residu­al­last anfal­len wird:

Beispiels­weise am Sonntag den 8. Mai 2016 betrug der Leistungs­be­darf in Deutsch­land gegen 12:00 Uhr ca. 50 GW. Wind und Sonne liefer­ten zur gleichen Zeit 42 GW, damit betrug die auf den Strom­be­darf in Deutsch­land bezogene Residu­al­last nur 8 GW. Eigent­lich würde man hier erwar­ten, dass die verblei­ben­den Kraft­werke auf diese Leistung zurück­ge­fah­ren werden. Warum war das nicht der Fall? Die regel­ba­ren Kraft­werke wurden auf 23 GW abgere­gelt. Der Überschuss von 15 GW wurde in auslän­di­sche Netze „entsorgt“. Dafür waren zwischen 10:00 Uhr und 17:00 Uhr Entsor­gungs­ge­büh­ren von 21 Mio. € fällig. In der Statis­tik werden die Entsor­gungs­ge­büh­ren beschö­ni­gend „negative Strom­preise“ genannt.

Das Kernpro­blem der Energie­wende ist die bedarfs­ge­rechte Bereit­stel­lung der Residu­al­last. Wie weit und wie schnell kann man die vorhan­de­nen Kraft­werke auf- und abregeln und sind die Kraft­werke dann überhaupt noch wirtschaft­lich zu betreiben?

Für die Ermitt­lung der minimal zuläs­si­gen Residu­al­last sind folgende Fakto­ren zu berücksichtigen:

  • Welches ist die maximal mögli­che Abregel­ge­schwin­dig­keit, damit die konven­tio­nel­len Kraft­werke den witte­rungs­be­ding­ten Schwan­kun­gen der EE-Strom­ein­spei­sung und damit den steilen Lastgra­di­en­ten folgen können?
  • Welches ist der Minimal­wert, von dem aus die konven­tio­nel­len Kraft­werke ihre Leistung bis zur Nennleis­tung wieder schnell herauf­re­geln können?
  • Welche minimale genera­tor-basierte Leistung muss zur Bereit­stel­lung der Frequenz stabi­li­sie­ren­den Schwung­masse vorge­hal­ten werden?

Die Leistungs­än­de­rung erfolgt in einem technisch bestimm­ten Leistungs­spek­trum – nämlich zwischen der minima­len – und technisch sinnvol­len – im Normal­be­trieb fahrba­ren Leistung und der (maxima­len) Nennleis­tung des Kraftwerks.

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Tabelle 2 Leistungs­kenn­werte von Kraft­wer­ken [5]

Thermi­sche Kraft­werke lassen sich schnell auf ca. 40 % ihrer Nennleis­tung herunterfahren.

Zur Deckung der stark schwan­ken­den Residu­al­last nutzt man die Regel­kraft­werke, nämlich Pumpspei­cher-Kraft­werke, Gastur­bi­nen- (soweit verfüg­bar) und Stein­koh­le­kraft­werke. KKWs sind aus wirtschaft­li­chen Gründen zunächst nicht für die Regel­re­serve geeig­net. Nach Abschal­tung der verblie­be­nen 8 KKWs in 5 Jahren stehen diese ohnehin nicht mehr zur Verfügung.

Unter­stellt man eine Mindest­leis­tung von 40 % für einen gesicher­ten Betrieb, kann man die Produk­tion aus o.a. Kraft­wer­ken auf ca. 20 GW absen­ken. Dabei sind KKWs und Laufwas­ser­kraft­werke nicht berück­sich­tigt. Danach sind etwa 25 bis 30 GW die Mindest­leis­tung, auf die man die konven­tio­nelle Erzeu­gung absen­ken kann, ohne Kraft­werke komplett „kalt“ fahren zu müssen. Ein Kaltstart dauert bei Gaskraft­wer­ken min. 30 min. Bei einem Kohle­kraft­werk dauert ein Kaltstart hinge­gen 7 bis 15 Stunden.

Ein weite­rer funda­men­ta­ler Grund, der eine Mindestein­spei­sung konven­tio­nel­ler Kraft­werke erfor­dert, ist die Aufrecht­erhal­tung der System­sta­bi­li­tät, da Erzeu­gung und Verbrauch sich zu jedem Zeitpunkt in einem stabi­len Gleich­ge­wicht befin­den müssen. Ein Abwei­chen von diesem Gleich­ge­wicht äußert sich in einer Änderung der Frequenz (ein Überan­ge­bot führt zu Frequenz­an­stieg und ein Mangel zu Frequenz­ab­fall). Dieses stabile Gleich­ge­wicht wird durch die kineti­sche Energie der Turbo­ge­nera­to­ren gewähr­leis­tet, die im Netz als Kurzzeit­spei­cher wirken. Bereits bei einer Frequenz­än­de­rung von 0,01 Hz wird zu Maßnah­men der Primär­re­ge­lung gegrif­fen.  Zu Abwei­chun­gen gegen­über dem geplan­ten Gleich­ge­wicht kann es kommen, da es Progno­se­feh­ler bei der Last und bei der Windein­spei­sung geben kann und konven­tio­nelle Kraft­werke ungeplant vom Netz gehen können. Dann sind sogenannte Redis­patch Maßnah­men erfor­der­lich. Hierzu die Erklä­rung von Amprion [6]:

In allen europäi­schen Kraft­wer­ken drehen sich die Genera­to­ren 50 Mal pro Sekunde und erzeu­gen den Wechsel­strom mit einer Frequenz von 50 Hertz. Sinkt oder steigt die Frequenz im Netz, so wird die Funktion zahlrei­cher elektri­scher Geräte wie Compu­ter, Fernse­her oder Motoren beein­flusst. Aber auch die Genera­to­ren können beschä­digt werden, sofern die Frequenz auf unter 47,5 Hertz sinkt. Die dann auftre­ten­den Resonanz­schwin­gun­gen führen zu einer Zerstö­rung. Deshalb soll im europäi­schen Verbund­netz die Netzfre­quenz nur wenig vom Sollwert abwei­chen. Die Netzre­ge­lung greift bereits bei einer Abwei­chung von 0,01 Hertz automa­tisch ein. Starten in den Fabrik­hal­len morgens die Maschi­nen gleich­zei­tig oder werden am Abend zu den Nachrich­ten die Fernse­her im selben Moment einge­schal­tet, so steigt die Belas­tung der Genera­to­ren und sie werden für einen kurzen Augen­blick etwas langsa­mer. Das Resul­tat: die Frequenz sinkt ab. Die automa­tisch einset­zende Leistungs-Frequenz-Regelung im Netz sorgt dafür, dass die Kraft­werke neue Leistungs­soll­werte erhal­ten und dadurch die Turbi­nen mehr Dampf bekom­men und die Genera­to­ren wieder mit 50 Hertz (Hz) rotie­ren. An dieser Regelung sind kontra­hierte Kraft­werke im UCTE-Verbund betei­ligt, die dafür ein verein­bar­tes Leistungs­band ihrer Erzeu­gungs­leis­tung als Reserve bereithalten.

Die Übertra­gungs­netz­be­trei­ber haben in einer Studie zur Ermitt­lung der Mindes­ter­zeu­gung des konven­tio­nel­len Kraft­werk­parks folgende Ergeb­nisse veröf­fent­licht [7]:

Bei einer durch­schnitt­lich bereit­ge­stell­ten Regel­leis­tung für die Primär­re­ge­lung in Höhe von 3 % der Nennleis­tung ergibt sich eine instal­lierte Leistung von knapp 20 GW, die konti­nu­ier­lich am Netz sein muss. Auf Basis dieser Mindes­ter­zeu­gung wird im folgen­den Abschnitt der dadurch gesicherte Beitrag zur Schwung­masse im Regel­block Deutsch­land bezif­fert und dessen Bedeu­tung für die Frequenz­sta­bi­li­tät abgeleitet. 

Die zuvor genannte Mindes­ter­zeu­gung von 20 GW stellt eine bestimmte mindes­tens am Netz befind­li­che Schwung­masse für den Regel­block Deutsch­land sicher. Da die Regel­leis­tung haupt­säch­lich durch thermi­sche und hydrau­li­sche Erzeu­gungs­ein­hei­ten bereit­ge­stellt wird, kann als konser­va­ti­ver Wert eine mittlere Anlauf­zeit­kon­stante der Turbo­sätze angenom­men werden. Somit ergibt sich abhän­gig von der Netzlast im Regel­block Deutsch­land die minimale Netzan­lauf­zeit. Für eine Netzlast zwischen Schwach­last von ca. 35 GW und Starklast von ca. 85 GW liegt die minimale Netzan­lauf­zeit­kon­stante für den Regel­block Deutsch­land zwischen 5,7 s und 2,4 s. Hierbei sind alle Kraft­werke vernach­läs­sigt, die nicht an der Primär­re­ge­lung teilneh­men. Selbst bei hoher Netzlast stellen die primär­ge­re­gel­ten Kraft­werke annähernd die minimal erfor­der­li­che Schwung­masse bereit. Darüber hinaus sind u. a. Laufwas­ser­kraft­werke und KWK nahezu das ganze Jahr am Netz. Es ist davon auszu­ge­hen, dass bei mittle­rer und hoher Netzlast weitere konven­tio­nelle Erzeu­gungs­ein­hei­ten am Netz sind, sodass die o.g. Empfeh­lung für die minimale Schwung­masse ohne zusätz­li­che Maßnah­men erfüllt werden kann.

PV-Anlagen und Windkraft­an­la­gen verfü­gen nicht über Schwung­mas­sen. Diese müssen auch in Zeiten hoher Wind- und Sonnen­strom­aus­beute von konven­tio­nel­len Kraft­wer­ken bereit­ge­stellt werden.

Aus diesen Gründen darf die Residu­al­last nicht nennens­wert unter 20 GW sinken. Das hat zur Folge, dass auch und gerade in Schwach­last­zei­ten bei hohem Aufkom­men an Sonnen- und Windstrom konven­tio­nelle Kraft­werke zur Stabi­li­sie­rung der Netze in Betrieb gehal­ten werden müssen, will man die Netzsta­bi­li­tät nicht gefähr­den. Daraus ergibt sich, dass überschüs­si­ger EE-Strom expor­tiert oder abgere­gelt werden muss. Um teure Exporte zu vermei­den, müssen Windkraft- und Solar­an­la­gen abgere­gelt werden. Es gibt also einen kausa­len Zusam­men­hang zwischen der Überpro­duk­tion von EE-Strom und den Strom­ex­por­ten. Das deutsche Strom­netz ist also aus Gründen der System­sta­bi­li­tät schon heute nicht mehr in der Lage, die Erzeu­gungs­spit­zen aus EE-Strom in vollem Umfang aufzunehmen.

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Abbil­dung 1 Strom­ex­porte zwischen 2010 und 2015 [8]

In der Tat haben sich die Export­men­gen seit 2010 nahezu verdop­pelt. Bevor­zugte Export­län­der sind Öster­reich, Nieder­lande und Belgien. Eine Reduzie­rung der Leistung unter 25 GW ist technisch und wirtschaft­lich nicht möglich. Der in der Folge entste­hende Überschuss­strom muss in auslän­di­sche Netze gelei­tet werden.  Ein typisches Beispiel ist die 45. Woche 2015.

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Abbil­dung 2: Last und Strom­erzeu­gung in KW 45 2015

Am Sonntag, den 8. Novem­ber 2015 betrug die EE-Strom­pro­duk­tion um 00:00 Uhr knapp 26 GW, die nachge­fragte Last 42 GW. Die Residu­al­last wurde aber nicht auf die eigent­lich erfor­der­li­chen 16 GW gedros­selt, sondern nur auf 26 GW, um genügend Schwung­masse für die Netzsta­bi­li­tät zur Verfü­gung zu stellen und um die Regel­fä­hig­keit für den weite­ren inter­es­san­ten Lastver­lauf des Tages zu sichern. Von 00:00 Uhr bis 02:00 Uhr gingen 10 GW in den Export. Mit steigen­der Nachfrage in Deutsch­land verrin­gerte sich der Export auf ca. 2 GW. In der Nacht gab es wieder mehr Windstrom und um Mitter­nacht gingen wieder 12 GW in den Export.

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Abbil­dung 3: Korre­la­tion der Strom­ex­porte mit Wind- und Solar­pro­duk­tion im Februar 2015 (Stunden­werte)

Wertet man die zugäng­li­chen Daten mittels Regres­si­ons­ana­ly­sen aus, kommt man zu vergleich­ba­ren Ergebnissen:

Abbil­dung 3 zeigt einen eindeu­ti­gen Zusam­men­hang zwischen der stünd­li­chen EE-Strom­pro­duk­tion und den Strom­ex­por­ten: Je höher die EE-Leistung, desto höher sind die Strom­ex­porte. Dies gilt nicht nur für die Stunden­werte, sondern auch für die summa­ri­sche jährli­che Stromproduktion.

Die Regres­si­ons­ana­lyse der Jahres­da­ten zeigt einen signi­fi­kan­ten Zusam­men­hang zwischen EE-Strom­erzeu­gung und ‑export (Abbil­dung 4). Der Regres­si­ons­ko­ef­fi­zi­ent liegt mit 0.92 nur unwesent­lich unter dem höchs­ten mögli­chen Wert 1. Zahlen­mä­ßig hat das Anwach­sen der EE-Strom­erzeu­gung auf jährlich 120 TWh eine Erhöhung des Strom­ex­ports um rund 40 TWh zur Folge gehabt. Ein Drittel der EE-Strom­pro­duk­tion wurde nicht in Deutsch­land verbraucht, sondern ins Ausland expor­tiert. Die verbrei­tete Behaup­tung, erneu­er­bare Energien hätten einen Beitrag von 30% zur deutschen Strom­ver­sor­gung geleis­tet, hält daher einer kriti­schen Prüfung nicht Stand.

Daher ist die EE-Strom­erzeu­gung unter den gegebe­nen techni­schen und wirtschaft­li­chen Randbe­din­gun­gen die Ursache für den Export und für die Entsorgungsgebühren.

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Abbil­dung 4: Zusam­men­hang zwischen Strom­ex­port und Strom­pro­duk­tion aus Wind- und Solarkraftwerken

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Tabelle 3: Entwick­lung von negati­ven Strompreisen

In 2015 haben die abneh­men­den Länder 44,2 Mio. € Entsor­gungs­ge­bühr erhal­ten, obwohl Windrä­der in zuneh­men­dem Maße abgeschal­tet wurden. Die sogenannte Ausfall­ar­beit [9] hat sich von 1,5 TWh in 2014 auf  3 TWh in 2015 fast verdop­pelt. Ohne diesen Anstieg wären die Export­men­gen und damit die Entsor­gungs­ge­büh­ren entspre­chend höher gewesen.

Folgende Gesetz­mä­ßig­keit lässt sich ablei­ten: Sinkt die Residu­al­last unter die minimale Regel­leis­tung, dann muss Strom expor­tiert werden oder die Wind- oder PV-Anlagen müssen vom Netz genom­men werden. Eine weitere Schluss­fol­ge­rung: wird der vorge­se­hene weitere Ausbau der Sonnen- und Windkraft nicht gestoppt, muss es zu noch höheren Expor­ten kommen mit der Folge noch höherer Entsor­gungs­kos­ten und / oder die neuen Anlagen müssen bei viel Sonne und Wind abgeschal­tet werden mit der Folge noch höherer Kosten für die Ausfallarbeit.

Eine im Auftrag des BMWi durch­ge­führte Studie [10] geht davon aus, dass es für Deutsch­land mit seinen „elektri­schen Nachbarn“ bei weite­rem Ausbau der Windkraft Ausgleichs­ef­fekte durch unter­schied­li­chen Lastgang und durch schwan­kende natio­nale Produk­tio­nen geben wird. Den Beweis für die Ausgleichs­ef­fekte erbringt die Studie nicht. Einen Ausgleich bei der Windkraft, und das ist hinrei­chend bewie­sen, gibt es zwischen Deutsch­land und seinen „elektri­schen Nachbarn“ nicht. Ein Ausgleich beim Lastgang ist höchst unwahr­schein­lich: In allen europäi­schen Ländern beginnt der Indus­trie­tag am frühen Morgen, die Mittags­pause gegen Mittag und das Ende der Produk­tion gegen Abend. Die Lastgang­kur­ven sind in allen europäi­schen Ländern im Wesent­li­chen identisch.

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Tabelle 4: Gleich­zei­tig­keits­fak­to­ren der Netzlas­ten [12]

Die in Tabelle 4 darge­stell­ten Gleich­zei­tig­keits­fak­to­ren zeigen, dass große Netzlas­ten in ganz Westeu­ropa im Wesent­li­chen zum gleichen Zeitpunkt auftre­ten. Ein ausge­bau­tes westeu­ro­päi­sches Strom­netz kann daher keinen Ausgleich bewirken.

Schluss­fol­ge­run­gen  

  1. Die Export­über­schüsse und die Stunden mit negati­ven Börsen­prei­sen sind, wie in der Fraun­ho­fer ISE Studie aus dem Jahr 2013 vorher­ge­sagt, tatsäch­lich weiter gestie­gen und sie werden mit weite­rem Ausbau von Wind- und Sonnen­strom notwen­di­ger­weise exponen­ti­ell weiter steigen, wenn dies nicht durch Abrege­lung begrenzt wird.
  2. Die System­kon­flikte zwischen konven­tio­nel­lem Erzeu­gungs­sys­tem und dem Wind- und Sonnen­strom-System sind bereits einge­tre­ten. Deren Beherr­schung wird immer teurer.
  3. Bereits jetzt schal­ten energie­in­ten­sive Indus­trie­be­triebe die Produk­tion ab, wenn die konven­tio­nel­len Kraft­werke den steilen Lastgra­di­en­ten nachmit­tags und abends nicht schnell genug folgen können. [11]
  4. Die durch das EEG geför­derte Energie­wende ist an den Grenzen der Physik gescheitert.
  5. Nur INNEHAL­TEN UND NACHDEN­KEN kann die Kolli­sion verhindern.

Litera­tur­ver­zeich­nis

[1] Johan­nes N. Mayer, Niklas Kreifels, Bruno Burger: „Kohle­ver­stro­mung zu Zeiten niedri­ger Börsen­strom­preise“ Fraun­ho­fer ISE, August 2013 https://www.ise.fraunhofer.de/de/downloads/pdf-files/aktuelles/kohleverstromung-zu-zeiten-niedriger-boersenstrompreise.pdf

[2] Ahlborn, D.: „Korre­la­tion der Einspei­sung aus Windkraft­an­la­gen macht Grund­last­fä­hig­keit in Deutsch­land unmög­lich“ in: Herbert Nieder­hau­sen, Andreas Burkert: Elektri­scher Strom: Geste­hung, Übertra­gung, Vertei­lung, Speiche­rung und Nutzung elektri­scher Energie im Kontext der Energie­wende Sprin­ger, Vieweg 2014

[3] Ahlborn, D.: „Glättung der Windein­spei­sung durch Ausbau der Windkraft?“ in Energie­wirt­schaft­li­che Tages­fra­gen 65. Jg. (2015) Heft 12 S.37–39

[4] Ess, F. et al.: „Bedeu­tung der inter­na­tio­na­len  Wasser­kraft-Speiche­rung für  die Energie­wende“ www.worldenergy.ch/file/Publikationen/Aktuell/prognos_wec_20121009.pdf

[5] http://www.alt.fh-aachen.de/downloads/Vorlesung%20EV/Hilfsb%2060% 20Regelleistungsbereiche%20Lastgradienten%20Kraftwerke.pdf

[6] http://www.amprion.net/netzfrequenz

[7] „Auswir­kun­gen reduzier­ter Schwung­masse auf einen stabi­len Netzbe­trieb“ Studie im Auftrag der deutschen Übertra­gungs­netz­be­trei­ber, Abschluss­be­richt, 20. Januar 2012

[8] Agora Energie­wende Denkfa­brik, BDEW Energiebilanzen

[9] Bundes­netz­agen­tur, Monito­ring­be­richt 2015

[10] „Versor­gungs­si­cher­heit in Deutsch­land und seinen Nachbar­län­dern: länder­über­grei­fen­des Monito­ring und Bewer­tung“ Consen­tec GmbH, r2b energy consul­ting GmbH 06.03.2015 Unter­su­chung im Auftrag des Bundes­mi­nis­te­ri­ums für Wirtschaft und Energie

[11] Dipl.-Ing. Heribert Hauck: „Netzsta­bi­li­sie­rung durch flexi­ble Produk­tion“ Vortrag auf dem Tag der Metall­ur­gie, Goslar, 04.03.2016

[12] Bericht der deutschen Übertra­gungs­netz­be­trei­ber zur Leistungs­bi­lanz 2015 nach EnWG § 12 Abs. 4 und 5, Stand 30.09.2015


Die “Fachpo­li­ti­ker” der Grünen und der Linken, die am 1. Juni 2016 im deutschen Bundes­tag anläss­lich der EEG-“Reform” den schnel­le­ren Ausbau der erneu­er­ba­ren Energien forder­ten, sind im Lichte dieser Tatsa­chen als ahnungs­arme Agita­to­ren zu erken­nen. Hier können Sie die Reden nachhö­ren und sich ein Bild von der Kompe­tenz der Energie­fach­leute der jewei­li­gen Parteien machen. Frau Bulling-Schrö­ter, vehemente Kämpfe­rin für die Windin­dus­trie, wäre ein Gespräch mit ihrem physi­ka­lisch gebil­de­ten Partei­kol­le­gen Lafon­taine zu empfeh­len. Dem eingangs zitier­ten Herrn Krischer gibt die VERNUNFTKRAFT.-Physi­kern Dr. Julia Uwira einen Rat:

Lieber Herr Krischer,
besuchen Sie doch bitte eine Elektro­dy­na­mik-Vorle­sung der Physik. Dort lernen Sie: Beim Wechsel­strom “fließen” nicht die Elektro­nen (Drift­ge­schwin­dig­keit von Elektro­nen in Metal­len: Zehntel mm/s), – damit  “verstopft” also so gut wie jedes Elektron den metal­li­schen Leiter/Draht, weil es verdammt langsam ist und nur um seinen Platz im Metall hin- und herschwingt – obwohl sich das Signal (z.B. Einschal­ten des Stromes durch Umlegen eines Schal­ters) mit Licht­ge­schwin­dig­keit fortpflanzt. Siehe z.B:
https://de.wikipedia.org/wiki/Driftgeschwindigkeit
http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher/physik/online_material/e_lehre_2/teilchenfeld/geschwelektronen.htm

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