Am 27. August 2014 luden der Chef der Staatskanzlei des Landes Brandenburg, Herr Albrecht Gerber, und der Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten, Herr Ralf Christoffers, zu einem Diskussionsabend in die brandenburgische Landesvertretung nach Berlin-Mitte ein.
„Erneuerbarer Strom ist anders – Speicher und Netze als Voraussetzung der Energiewende“
lautete das Thema des Abends, das zunächst in einer Podiumsrunde behandelt wurde.
Dabei zu referieren war den Herren
- Jörg Müller (Vorstandsvorsitzender Enertrag AG),
- Dr. Andreas Reichel (E.DIS AG) und
- Minister Ralf Christoffers
vorbehalten.
Deren Impulsreferate und anschließende Fragen wurden durch Herrn Dr. Peter Ahmels (Deutsche Umwelthilfe, ehemals Bundesverband Windenergie) moderiert.
Aus Sicht des Netzbetreibers legte Dr. Reichel dar, welchen Stress die brandenburgische Energiewendepolitik, insbesondere der massive Ausbau der Windkraft, den Mitarbeitern seines Unternehmens bereiten. Sehr anschaulich belegte er, wie häufig große Mengen überschüssigen Stroms „entsorgt“ werden müssen, damit die Netzstabilität nicht gefährdet wird. Zu Beginn seiner Tätigkeit seien derartige Notoperationen zweimal pro Jahr notwendig gewesen. Mittlerweile müsse man zweimal pro Tag eingreifen, Tendenz steigend. Das Speicherproblem veranschaulichte Herr Dr. Reichel mit einem Vergleich: Man benötige Speicher von der Größe des Bodensees. Was man jetzt habe, entspräche einem Glas Wasser.
Als Gründer eines Unternehmens, welches sich als Pionier der Power-to-Gas – „Technologie“ versteht, von staatlichen „Forschungs“-subventionen lebt und daher ein vitales Interesse an einem weiteren Ausbau der Windkraft hat, erläuterte Herr Müller seine Visionen von einer Vollversorgung auf Basis erneuerbarer Energien. Im Unterschied zu Politikern, sei er darin geübt, „in Lösungen zu denken“. Wind wehe schließlich „in 90 Prozent der Zeit“, es gelte, diese unerschöpfliche Quelle verstärkt für Mobilität und Gasversorgung zu nutzen.
Die Chuzpe, mit der Herr Müller Zahlen aus der Luft griff und vehement den falschen Eindruck erweckte, dass „es kein Speicherproblem gibt“ und die “Vollversorgung mit Windkraft gar kein Problem” ist, war für Kenner der Materie sehr erstaunlich.
Herr Minister Christoffers machte deutlich, dass das Zusammenspiel zwischen den Bundesländern und auch zwischen den Mitgliedstaaten der EU dringend verbessert werden müsse. Viel von dem, was euphorische Befürworter der Energiewende als Erfolge feierten, seien tatsächlich „eher Phänomene des Problems als Teile von dessen Lösung“.
Unter detaillierter Bezugnahme auf steigende Strompreise, von denen Brandenburg besonders betroffen ist, auf die zunehmend unbeherrschbare Einspeisung aus Windkraft sowie auf weitere technische und ökonomische Probleme, wies der Minister deutlich darauf hin, dass es an den gegenwärtigen Entwicklungen sowohl im Land als auch im Bund erheblichen und kontinuierlichen Korrekturbedarf gibt.
In auffälligem Kontrast zur ziemlich akuraten Problemanalyse stand allerdings das ministeriale Bekenntnis zum weiteren Ausbau der Windkraft. Den zahlreich vertretenen Vernunftbürgern ergab sich der Eindruck einer Inkongruenz zwischen Erkenntnis und Umsetzung.
Im Anschluss an diese Podiumsdiskussion folgte das Highlight der Veranstaltung: Der noch amtierende EU-Kommissar für Energie, Herr Günther Oettinger, hielt einen Grundsatzvortrag über
„Die Energiewende aus der europäischen Perspektive“
In einem unterhaltsamen und fachlich fundiertem Rundumschlag stellte der Kommissar dar, was an der deutschen Energiewende-Politik falsch läuft und wie Gutgemeintes systematisch zu Schlechtem führt. Auch Wege, tatsächlich Gutes zu erreichen, wurden anschaulich beschrieben.
Die Tragfähigkeit der „Säulen der Energiewende“ wurde kritisch geprüft, die Absurdität und Singularität der deutschen Förderpolitik gekonnt und amüsant auf’s Korn genommen. Auch die seitens diverser Profiteure der Energiewende-Politik vorgeschlagenen „Lösungen“ wie „Lastverschiebung“ und Power-To-Gas unterzog Herr Oettinger einem Plausibilitäts-Check.
Insbesondere mit dem kleinstaatlichen Denken ging der Europäer hart ins Gericht. Derzeit gebe es 18 Energiewende-Politiken in Deutschland. Jedes Bundesland verfolge eine eigene, dazu kämen jene der (ehem.) Minister Rösler, Altmaier und Gabriel. Alle diese Konzepte passten nicht zusammen. Jedes Bundesland wolle „Erneuerbaren“ Strom im Überschuss produzieren ohne sich die geringsten Gedanken zu machen, „wer den Sch… kaufen will“.
Die Dänen seien jedenfalls nicht an deutschem Windstrom interessiert. Überhaupt erfreue sich die deutsche Energiewende-Politik in Europa äußerst geringer Beliebtheit. Mit Verwunderung und Sorge beobachte man, wie „im Schweinsgalopp“ neue Anlagen für die Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik errichtet würden, derweil es an den Grundvorraussetzungen für eine sinnvolle Verwendung – Speichern und Netzen – vollkommen fehle.
Viel Applaus erntete Herr Oettinger für seinen Vorschlag, die Straße der Ministergärten (dort befindet sich der Veranstaltungsort sowie die meisten anderen Landesvertretungen) abzuriegeln und „niemanden herauszulassen, bis sich die Herrschaften auf ein in sich stimmiges Gesamtkonzept geeinigt haben“.
Die deutsche Politik bewege sich ziellos und hektisch auf dem falschen Feld, lasse auf den unter Klimaschutzaspekten wesentlich wichtigeren Gebieten der Effizienzsteigerung und der Förderung der europaweiten Gebäudesanierung jedoch Engagement vermissen. Den Gebäudebestand in Osteuropa oder auch Großbritannien energetisch auf das Niveau von Berlin-Mitte zu bringen, sei wesentlich effektiver, als in Deutschland neue „erneuerbare“ Stromerzeugungsanlagen zu errichten, für deren Produkt es überhaupt keinen Bedarf gibt.
Die Rede des Energie-Kommissars entsprach in weiten Teilen den von uns vertretenen Positionen. Den anwesenden Vernunftkraft-Mitgliedern sprach Herr Oettinger jedenfalls aus dem Herzen. VK-Gründungsmitglied Detlef Gurczik brachte dies in seiner Frage zum Ausdruck:
Ob sich der Kommissar die Leitung einer Bürgerinitiative vorstellen könne, wollte der Vorsitzende der BI Freier Wald e.V. wissen. Herr Oettinger bedauerte, aus Zeitmangel absagen zu müssen.
Unbeschadet dieser Absage zeigte sich Herr Oettinger jedoch für die im Rahmen der „Energiewende“-Politik in ganz Deutschland verübten Gewalttaten an Natur und Landschaft sensibilisiert. Nikolai Ziegler war es eine Ehre, Herrn Oettinger die Grüße von Vernunftbürgern aus dessen Heimat-Ländle nebst Dank und Positionspapier zu übermitteln.
Das Wissen darum, dass hinsichtlich der Energiewende medial veröffentlichte Meinung und Lebenswirklichkeit der Menschen – insbesondere im ländlichen Deutschland – weit auseinanderklaffen, dürfte bei Kommissar Oettinger an diesem Abend nicht geschwächt worden sein.
Dass mittlerweile über 420 Bürgerinitiativen deutschlandweit gegen die ökologischen Auswirkungen der von ihm dargelegten ökonomischen und technischen Absurditäten ankämpfen, stieß bei Herrn Oettinger auf Interesse. Schließlich ist er schon länger auf Vernunft gebürstet.
Dass sich auch andere Teilnehmer der Veranstaltung von der klaren kommissarischen Kante inspirieren lassen, bleibt zu hoffen.
VERNUNFTKRAFT. dankt den Veranstaltern herzlich für die Einladung. Die seitens der Brandenburger Landesregierung gelebte offene Dialogkultur halten wir für bemerkenswert. Danke!