Mitte Dezember 2021 ging die energiepolitische Verantwortung auf Bundesebene auf Herrn Dr. Robert Habeck über. Bereits im Vorfeld von Amtsübernahme und Neuzuschnitt des bisherigen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (nun: Wirtschaft und Klimaschutz) hatte der designierte Minister verlauten lassen, dass „Zumutungen“ auf das Land zukommen würden:
Wenig später kündigte der neue Staatssekretär Sven Giegold an, auf die EU-Kommission ein- und ein Aufweichen des Natur- und Artenschutz erwirken zu wollen:
Zu diesem Ansinnen hatten wir uns wiederholt geäußert – dass es nun derart unverblümt verfolgt werden soll, überrascht allerdings. Dass die Behauptung des neuen Staatssekretärs
„Sobald ein Rotmilan in einem Planungsgebiet auftaucht, kann dort im Prinzip nicht mehr gebaut werden”
nicht richtig ist, wurde u.a. vom NABU erkannt:
Die Hintergründe und juristischen Implikationen des mit falscher Behauptung begründeten Vorhabens hat Rechtsanwalt Dr. Rico Faller im Magazin Cicero ausgiebig und versiert dargestellt:
Am 20. Dezember 2021 konkretisierte der Minister, was man sich unter den Zumutungen vorstellen muss:
„Wir haben heute 0,5 Prozent der Landesfläche mit Windkraftanlagen voll, es müssen zwei Prozent werden, also eine Vervierfachung der Menge an Windstrom in acht Jahren.“ (Quelle)
Richtigerweise bemerkte Herr Dr. Habeck, dass dies unweigerlich auf eine vollständige Industrialisierung der letzten naturnahen Landschaften hinausläuft – auch wenn er die Zerstörung euphemistisch als Veränderung bezeichnet:
Unklar ist allerdings, ob dem Zitierten klar ist, dass der Ausbau von Anlagen (installierte Kapazität) unterproportional zur „Menge an Windstrom“ beiträgt, wie die Bilanz der letzten 10 Jahre vor Augen führt:
Von 2010 bis 2020 wurde die installierte Leistung (hellblaue Hintergrundfläche) stetig erhöht – es wurden immer mehr Windkraftanlagen aufgestellt. Die tatsächlich erzeugte Strommenge (dunkelblaues Zackenprofil) ist dagegen deutlich unterproportional gestiegen. Die Diskrepanz ist an den unterschiedlichen Steigungen der roten und schwarzen Geraden ablesbar. Zuletzt erzeugten mehr Anlagen sogar weniger Strom – wir berichteten.
Insofern garantiert eine „Vervierfachung der Erzeugungskapazität” keine „Vervierfachung der Strommenge”.
Die schrecklichen Auswirkungen auf Flora, Fauna und Landschaften einer vervierfachten Erzeugungskapazität mögen wir uns in der friedvollen Weihnachtszeit nicht ausmalen. Daher seien hier lediglich die energiewirtschaftlichen Implikationen der ministerialen Vorstellung beleuchtet. Dazu dienen die realen Verbrauchs- und Produktionsdaten aus dem November 2021:
Die 31.200 Windkraftanlagen trugen lediglich an einigen Tagen nennenswert zur aktuellen Bedarfsdeckung bei, besonders am 7., 19. und 30. des Monats. An vielen Tagen war ihr gesamter Beitrag (von Flensburg bis an den Bodensee) allerdings sehr dürftig – am 3., 11.,14. und 17. trugen sie praktisch nichts zur Bedarfsdeckung bei. Der benötigte Strom wurde komplett aus konventionellen Kraftwerken (inklusive Kernkraft und Kohle aus dem benachbarten Ausland) bereitgestellt.
In der Idealwelt des Herrn Minister Habeck – bei einer vervierfachten Erzeugungskapazität von Wind- (onshore und offshore) und Solarstrom hätte sich bei gleichem Wetter und gleichem Bedarf diese fiktive Situation ergeben:
In den windstarken Phasen wäre die Produktion um ein Vielfaches höher gewesen und hätte weit über dem Bedarf gelegen. Damit wäre die Netzstabilisierung erheblich erschwert und die Notwendigkeit, Strom zu Negativpreisen zu verklappen oder Windstromproduzenten für Nicht-Produktion zu entschädigen, häufiger eingetreten. In den Phasen, in denen alle Windkraftanlangen mangels Wind so gut wie nichts produzierten, hätte auch bei einer vervierfachten Kapazität nur unwesentlich mehr Windstrom zur Verfügung gestanden. Die Abhängigkeit von zuverlässig zur Verfügung stehendem Strom (sprich: aus Kohle‑, Gas- und Kernkraftwerken, ggf. im Ausland platziert) wäre nicht nennenswert verringert.
Wesentlich zielführender wäre es, Dr. Habeck sorgte per Minister-Erlass für eine Verstetigung des Windes. Aber dieser entzieht sich bekanntlich der politischen Kontrolle – so wie alle physikalischen und mathematisch-statistischen Gesetze, denen diese „Energiewende“ zuwiderläuft.
Insofern bleibt sehr zu wünschen, dass sich die Ampelkoalitionäre ein Herz fassen und im neuen Jahr mehr Realismus wagen. Ein aktueller Rundfunkbeitrag des Herrn Professor Schwarz von der TU Cottbus kann dazu als Ansporn dienen.
Passend zur Jahreszeit sei auch an die Weihnachtsvorlesung des Herrn Professor Hans-Werner Sinn aus dem Jahr 2013 erinnert – die seinerzeit erkannten Widersprüche zwischen Ökonomie und Physik auf der einen und den energiepolitischen Beschlüssen und Zielen auf der anderen Seite sind seither noch stärker geworden.
Es lohnt sich also, der Realität ins Auge zu sehen.