In der Ausgabe vom 4. Mai 2019 widmete sich der SPIEGEL der deutschen “Energiewende”. Dessen Titelbild und die Schlagzeile “Murks in Germany” erweckten den Eindruck, als dürften die Leser mit einer sachkundigen und schonungslosen Analyse jener Energiepolitik rechnen, die das Wall Street Journal unlängst als die “dümmste der Welt” erkannte.
Bei mit Faktenkenntnis vorbelasteten Lesern stellt sich nach Lektüre der vermeintlichen Generalabrechnung jedoch herbe Enttäuschung ein.
Unser Eindruck: Murks ist nicht nur in der Energiepolitik, sondern auch in den Berliner und Hamburger Redaktionen zum Leitmotiv avanciert. Frank Hennig, Autor der Dunkelflaute, hat diesen Eindruck wohlbegründet artikuliert:
von Frank Hennig Seit der SPIEGEL mit dem Rücken zur Wand steht, will man an die Spitze des Mainstreams. Dazu werden die grünprogressiven Überzeugungen in Regierungskritik verpackt, um Alternativlosigkeiten zu verkünden SPIEGLEIN, SPIEGLEIN, mit dem Rücken zur WandUnter den reißerischen Überschriften „Murks in Germany“ und „Grüner Blackout“ äußert sich das verdiente Autorenkollektiv Dohmen, Jung, Schultz und Traufetter zum Stand der deutschnationalen Energiewende. Zu offensichtlich wohl deren Weg in die Sackgasse, so dass das Projekt medialer Unterstützung des ehemals renommierten Hamburger Hauses bedarf. Bisherige Veröffentlichungen lassen nichts Gutes ahnen. Bürger Traufetter war schon an einem Beitrag (Spiegel Nr. 41/2016) beteiligt, der ausgemachte Fakes enthielt. Oder sagen wir es deutsch: Lügen. So wurde damals behauptet: „Weil die deutschen Braun- und Steinkohlekraftwerke auch an solchen Tagen (gemeint sind Starkwindtage) praktisch ungebremst weiterlaufen, drückt die deutsche Überproduktion die Strompreise europaweit in den Keller.“ Jeder redliche Journalist hätte recherchieren können, wie die Fahrpläne der Kraftwerke entstehen, wie der Einspeisevorrang grünen Stroms umgesetzt wird, wie der europäische Stromhandel funktioniert, dass es eine „Überproduktion“ von Strom nicht geben kann und welche Standortrestriktionen die Komplettabschaltung mancher Kohlekraftwerke verhindern. Dazu käme das Thema Netzdienstleistungen, aber das hätte die Schreiber dann komplett überfordert. Viel leichter, bequemer und in jedem Fall Beifall versprechend das flache und klischeebedienende Kohle-Bashing. Wenn in der DDR die Beurteilung oder Einschätzung eines Werktätigen aus fachlicher Sicht nicht gut ausfiel, konnte manchem noch mit dem Hinweis geholfen werden, er habe wenigstens einen festen Klassenstandpunkt. SPIEGEL-Schreiber wissen, welchen Standpunkt man von ihnen erwartet. Die Zutaten des Hauptbeitrags im aktuellen Spiegel (19/2019) sind ein paar reale Fakten, angereichert und vermischt mit Szenarien, Optionen und Visionen und einer Prise Klimaziele. Was können wir also von den von gymnasialen Physikkenntnissen offenbar befreiten Autoren lesen? Zunächst gibt es aktuelle Informationen zum vergangenen Ostermontag, an dem die „Erneuerbaren“ etwa 56 Gigawatt einspeisten und so dafür sorgten, dass der Börsenstrompreis wieder ins Minus drehte (bis zu ‑8 Cent pro Kilowattstunde), was alle Stromkunden mit bezahlen dürfen. So addierten sich zur EEG-Vergütung an diesem Tag von 115 Millionen Euro noch knapp 17 Millionen Euro, die zusätzlich zum Strom den Nachbarn geschenkt wurden. Negative Strompreise als Perversion der Marktwirtschaft. Dazu steht im Beitrag natürlich nichts, sondern es werden nur die 56 Gigawatt erwähnt und man hakt das Thema mit einer quasireligiösen Formulierung ab: „Es war ein Zauber, das perfekte Zusammenspiel aus Natur und moderner Technik.“ Mehr Realitätsverweigerung geht kaum. Dann leitet man unvermittelt um auf das Thema Verkehr: „Deutschlands Straßen gehören den Autos von gestern, angetrieben von schweren, benzin- und dieselgetriebenen Motoren.“ Wenn man die Augen schließt, sieht man förmlich die Rußwolken der Mercedes 300D, Baujahr ‘82, oder den von der Ampel lossprintenden Senator 3,0 ohne Kat. Es folgt Energiewendekritik aus den Häusern McKinsey und des Bundesrechnungshofes. Merkels wohl größtes Scheitern bestünde darin, so die Spiegler, dass sie klimapolitisch wenig bewegt habe. Könnte das mit der Abschaffung der emissionsarmen Atomstromerzeugung zusammen hängen? Kann man Klimapolitik losgelöst von Energie‑, Wirtschafts- und Sozialpolitik denken? Fragen über Fragen, die der Beitrag nicht thematisiert. Stattdessen ein schräger Vergleich mit Schweden, das aus dem Atomausstieg ausgestiegen ist und heute schon seinen Strom so gut wie emissionsfrei erzeugt. Deshalb haben die Wikinger keine Probleme mit einer CO2-Steuer. Wir hätten sie durchaus. Dann steigert sich der Beitrag zu fulminantem Unfug. Deutschland hätte versäumt, mit dem Atomausstieg auch den Abschied von der Kohle einzuleiten. „Es wurden Windräder und Solarpaneele errichtet, und die Kohlemeiler liefen fröhlich weiter.“ Und warum? „Um bloß niemandem wehzutun, keinem Unternehmen, keinem Bürger.“ So einfach ist das. Kein Wort darüber, dass ein sicheres System erhalten bleiben muss, wenn das hippe neue System nur liefert, wenn es Lust hat. Stattdessen weiter hinten der abenteuerliche Satz, Deutschland habe sich „daran gewöhnt“, zwei Systeme, von denen „die Gesellschaft“ nicht so leicht loskomme, laufen zu lassen. Keine Idee der Autoren dazu, wie die grüne Infrastruktur grund- und regellastfähig gemacht werden kann, stattdessen solle man sie weiter ausbauen. Dann geht es noch ein bisschen um das politische Triumvirat Kanzleramt / Umweltministerium / Wirtschaftsministerium mit Verweisen auf Trittin (der mit der Eiskugel) und den aus dem Amt geflüchteten ehemaligen grünen Staatssekretär Baake, natürlich ohne den Hauch einer kritischen Beurteilung. Weiter zum Thema Netze und einem ausführlichen Lamento über deutsche Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen. Der Schutz von Mopsfledermäusen und Rotmilanen wird kritisch hinterfragt, so als wenn Feldhamster oder Hufeisennasen nicht auch Gewerbegebiete verhindert und Brückenbauten gefährdet hätten. Kein Wort zu den verheerenden Auswirkungen der immer größer werdenden Windkraftanlagen auf Vögel, Fledermäuse und Insekten und auch auf Menschen. Die Themen Infraschall und Gesundheit der Anwohner werden sorgfältig verschwiegen. Die immer länger dauernden Genehmigungsverfahren werden verantwortlich gemacht, dass es „keinen Wettbewerb“ mehr gäbe. Auch hier systemisches Unverständnis. Unter dem EEG hat es noch nie Wettbewerb gegeben (höchstens um die windhöffigsten Standorte), sondern bis 2017 immer feste Vergütungen. Es gibt sogar Geld für Strom der nicht produziert wird, weil er nicht abtransportiert werden kann. Das katastrophale Missmanagement bei der Koordinierung von Zubau volatiler Erzeugung und Netzausbau ist kein Thema für die Autoren, denn dies zeigt, wer das Sagen hat: Die Ökolobby. 1,4 Milliarden Euro Redispatchkosten im Jahr 2017 werden mit Schulterzucken quittiert. Passiert. Der Versuch, mit der EEG-Novelle die Windkraft an den Markt heranzuführen, ist nun sichtbar am Scheitern. Keine Angebote aus der Windbranche in der vergangenen Ausschreibung der Bundesnetzagentur zum Stichtag 1. April 2019. Das Vergütungsband von 6,2 bis 8 Cent pro Kilowattstunde ist der Windbranche offenbar zu niedrig. Absehbare Strafzahlungen sind ein weiteres Thema. Wenn Deutschland die Klimaziele nicht erfüllt, muss es an seine Nachbarn zahlen. So ist das, wenn Politiker EU-Zielen zustimmen in Unkenntnis darüber, wozu man eigentlich in der Lage ist – und wozu nicht. Aber schon mal ein Hinweis darauf, wie die Einnahmen aus der CO2-Steuer verwendet werden könnten. Dann folgt eine Beschreibung der Sektorziele in Verkehr und Wärme wozu die alte Suppe P2V (Power to Vehicle – Stromspeicherung mittels E‑Mobilen) aufgewärmt wird. Man berichtet von einem Fahrzeug des Versorgers Enervie, das auch rückspeisen kann. Da lehnt man sich gelangweilt zurück, denn bereits 2014 wies die BTU Cottbus in einem Projekt nach, dass und wie man in einem E‑Mobil ein- und ausspeisen kann. In einer Woche hätte ein E‑Autobesitzer 20 Euro verdienen können mit dieser Stromspeicherung, erwähnt das Autorenkollektiv. Ob er mit dem Gerät nebenbei auch hätte fahren können, wird nicht erwähnt. Nicht zu vergessen auch der Hinweis auf die „Wasserstoffrevolution“, für die die Zeit jetzt „reif sein sollte“. Das erinnert an Hermann Honnef, der schon in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts den überschüssigen Strom seiner im Berliner Stadtgebiet vorgesehenen „Reichskrafttürme“ (vierhundert Meter hoher Windkraftanlagen) „zur Erzeugung billigen Wasserstoffs“ nutzen wollte. Fast achtzig Jahre später die Erkenntnis der SPIEGEL-Autoren, dass sich die Umwandlung von Strom in synthetische Energieträger in gas- oder flüssiger Form nicht rechnet. Mainstreamkompatibel folgt noch die Kritik am europäischen Emissionshandel (ETS), der angeblich nicht funktioniere und untauglich sei. Natürlich fehlt die Information, dass ETS und EEG gegenläufig arbeiten: Das EEG wirkt nur national und sorgt durch den Einspeisevorrang für die Verdrängung des fossilen Stroms – und der Zertifikate, die dann europaweit gehandelt werden. Damit wird der Preisdruck von den Zertifikaten genommen. Subtil gibt es noch etwas unterschwellige Werbung für eine „Klimasteuer“ und die Behauptung, dass bis 2050 der Ausstieg aus den Fossilen möglich sei. Die „Studien, Strategien und Anlagen“ stünden bereit. Hier hätte gern etwas ausführlicher beschrieben werden können, welche Anlagen gemeint sind. Der „zweite Teil“ der Energiewende werde teuer und anstrengend, ähnlich der Wiedervereinigung. Da bin ich anderer Meinung. Sie wird teurer, anstrengender, vor allem aber in dieser Form erfolglos sein. |
VERNUNFTKRAFT. dankt
- Herrn Frank Hennig sowie
- der Zeitschrift Tichys Einblick, in der dessen Zeilen zuerst erschienen sind,
für die Erlaubnis, diese Einschätzung zu teilen und somit dem SPIEGEL selbigen vorzuhalten.
Vor ziemlich genau 15 Jahren hatte sich dieser mit Sachverstand und journalistischem Anspruch den selben Themen gewidmet:
Offenbar haben sich die mittlerweile Verantwortlichen der Luftnummer verschrieben.
Als ehemals langjährig begeisterter SPIEGEL-Leser hat sich Detlef Ahlborn die Mühe gemacht, für Markenpflege zu werben:
Als John F. Kennedy 1963 den berühmten Satz ausgesprochen hat, noch innerhalb des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond zu landen und ihn sicher zur Erde zurückzubringen, haben die Fachleute auf der Welt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Dem Präsidenten schien nicht klar zu sein, dass man ein ganzes Tanklager mit hochexplosivem Treibstoff in den Himmel schießen muss, um seine Vision umzusetzen. Wie schmal der Grat war, auf dem man damals bei der NASA gewandelt ist, bezeugen die Fehlstarts der sowjetischen Konkurrenz-Rakete N1. Die groben Dimensionen des Projekts waren aber dennoch von Anfang an bekannt, weil kluge Wissenschaftler wie Konstantin Ziolkowski die Zusammenhänge schon 70 Jahre vorher durchdacht hatten. Bei der Energiewende liegen die Dinge so ähnlich, weil die Dimensionen und Grenzen des Projekts a priori feststehen. Die Zusammenhänge sind nicht wirklich schwierig: Grundrechenarten und ein paar Kenntnisse in Physik reichen dafür. Bei einem Stromverbrauch von 600.000 GWh und einer Stromproduktion von 6 GWh pro Windrad werden mal eben 100. 000 Windräder benötigt um den Stromverbrauch „bilanziell“ zu bereitzustellen. Diese simple Bilanz erweist sich als grob falsch und wird durch unser Wetter und durch die Physik nachhaltig verdorben: Es gibt tagelange Windstille bei trübem winterlichen Hochdruckwetter. Wind- und Solaranlagen fallen komplett aus und bedingen deshalb ein wie auch immer geartetes (konventionelles) Ersatzsystem, das in der Lage sein muss, den Strom für das ganze Land für die Dauer von mehreren Tagen zu erzeugen. Hierbei ist es völlig gleichgültig, ob dieses Ersatzsystem mit Kohle oder Gas befeuert wird, Atomkraft schalten wird ja ab. Jeder mathematisch vorgebildete Ingenieur kann sich mit Papier und Bleistift überlegen, zumindest aber nachvollziehen, dass die Schwankungen der Windstromproduktion eines Windrads dreimal so groß sind wie die Schwankungen der Augenzahlen beim Würfeln. Dieser zufällig zappelnde Strom soll nun in ein „hochgradig vernetztes System“ integriert werden, das, ganz nebenbei noch den Kirchhoffschen Knotensatz genüge tun muss, nach dem Stromerzeugung und Verbrauch bis auf das Milliampere genau übereinstimmen müssen. Wie dieses fragile Gleichgewicht technisch umgesetzt und wie diese „hochgradige Vernetzung“ aussehen soll, dazu gibt es unzählige Konzepte und Simulationen, nur leider keine Lösungen, die man in Betrieb besichtigen kann. Sämtliche realen Versuche dieser Art sind krachend gescheitert und das deutsche Stromnetz taugt allen aufmerksamen Beobachtern eher als warnendes Beispiel, denn als Vorbild. Die Schwankungen des Zappelstroms überfordern das Stromnetz heute schon bei weitem und wir müssen gigantische Strommengen an Tagen wie Ostermontag im Ausland verklappen und zwar gegen Entsorgungsgebühr, die im Energiewende- Neusprech gern als Negativpreis daherkommt. Ostermontag haben wir Strom mit einem Subventionswert von 115 Mio € gegen eine Entsorgungsgebühr von 17 Mio € im Ausland verklappt. In dem volkswirtschaftlichen Gesamtschaden von 132 Mio € sind die Verluste der konventionellen Kraftwerksbetreiber, die ihren Strom zu Negativpreisen zur Verhinderung eines Netzzusammenbruchs einspeisen müssen noch nicht eingerechnet. Wohlgemerkt: Wir befinden wir uns mit diesem Irrsinn noch „am Anfang“ der Energiewende. Einen Rekord halten wir aber schon: Nirgendwo ist der Strom teurer. Dieser Irrsinn wird durch Konzepte wie Power-to-Gas nicht ent- sondern verschärft: Wollte man die Dunkelflauten tatsächlich mit Methangas befeuerten Kraftwerken überbrücken, müsste man die rein bilanziellen Produktionskapazitäten zur Deckung der physikalisch unüberwindbaren Speicherverluste mal eben verdoppeln, macht 200.000 Windräder für Deutschland allein für eine sichere Stromversorgung. In dieser Bilanz ist der Stromverbrauch eines elektrifizierten Verkehrs nicht mal enthalten. Man kann Windkraft, Biomasse und Solarenergie mixen wie man will, der Flächen- und Ressourcenverbrauch ist schwindelerregend, wenn man bedenkt, dass in unserem dicht besiedelten Land nur rund 12% der Flächen außerhalb einer 1000m- Zone um die Ortschaften zur Verfügung stehen. Diese Aussage gilt auch dann noch, wenn sich eines Tages die mittleren Erträge der Windräder mal verdoppelt haben sollten. Jedes Fleckchen Natur im Land müsste für die totale Energiewende geopfert werden. Genau das ist das Problem! Es würde einem Nachrichtenmagazin wie dem SPIEGEL gut zu Gesichte stehen, diesen Aspekt mal genauer zu beleuchten- es mangelt jedenfalls nicht an Fachleuten, die Ihnen diese Zusammenhänge genauer erläutern. Diese Energiewende ist nicht nur Ausdruck des Versagens unserer technisch- physikalischen Eliten, diese Energiewende ist am Ende auch Ausdruck der naturwissenschaftlich- technischen Bildungsmisere in unserem Land. Ihr Scheitern an den Gesetzen der Physik, der mathematischen Statistik und der Ökonomie stand von Anfang an fest. Vom SPIEGEL wünscht man sich, dass man sich dort den schlichten Zahlen, Daten und Fakten öffnet und sich auf die vorgetragenen physikalischen Zusammenhänge einlässt! Wir von Vernunftkraft stehen Ihnen gern mit unserer Expertise und unseren Fachleuten zur Verfügung!
Dr.-Ing. Detlef Ahlborn www.vernunftkraft.de |
In einem Satz: Die “große Idee” war nie groß sondern stets naiv und scheitert nicht “am deutschen Kleingeist” sondern an der universellen Physik.
Nachdem die Texter damit hinreichend adressiert sind, seien abschließend die Grafiker des SPIEGELs zu präziserer Darstellung animiert.