Das sogenannte Power-to-gas-Verfahren wird immer wieder als Lösung für das sich aus der Volatilität der Stromproduktion aus Windkraft und Photovoltaik ergebende Speicherproblem gehandelt. |
Hier werden die technischen Hintergründe und die naturgesetzlich determinierten Grenzen dieses Verfahrens diskutiert. |
Zur Effizienz der Energiewandlung beim Power To Gas Verfahren
Dr. – Ing. Detlef Ahlborn
4. Juli 2014
Wind- und Solarkraftwerke liefern ein sogenanntes „volatiles Leistungsangebot“, d. h. die ins Netz eingespeiste Leistung unterliegt witterungsbedingt sehr großen Schwankungen. Aus einer Häufigkeitsanalyse der Summenleistung aus Wind- und Solaranlagen ist beispielsweise bekannt, dass diese Leistung zwischen 120 und 26000Megawatt (MW) schwankt und im Jahr 2013 im Mittel bei 5400 MW gelegen hat.
Bei einer installierten Nennleistung von 62.000MW lag die eingespeiste Leistung an 146 Tagen (also für die Dauer von rund 5 Monaten) im Jahr unter 2900 MW. Die Leistung aus diesen beiden Energieformen ist also nicht grundlastfähig. Dieser Zusammenhang wurde bereits ausführlich betrachtet und ist unter [1] veröffentlicht.
Heute wird die fehlende elektrische Leistung von konventionellen und Kernkraftwerken zur Verfügung gestellt und es ist absehbar, dass Kernkraft in wenigen Jahren nicht mehr zur Verfügung steht.
In diesem Zusammenhang wird von der Wind- und Solarlobby immer wieder auf die „Chancen des sogenannten Power- To Gas- Verfahrens“ verwiesen, wobei man inzwischen nur noch von Chancen spricht, schließlich sind Lösungen, wenn überhaupt, in weiter Ferne.
Dieses Verfahren soll hier unter energetischen Gesichtspunkten diskutiert werden.
Ist Energie gleich Energie?
Energie ist sicher der fundamentalste Begriff der Physik- Energie gibt es in verschiedenen „Erscheinungsformen“, z.B. als Bewegungsenergie, etwa eines fahrenden Autos, als mechanische Energie in einer gespannten Feder, und beispielsweise als Wärmeenergie. Bei der Wandlung von einer Form in die andere ändert sich die Summe der beteiligten Energieformen nicht: Die gesamte Energie bleibt immer erhalten- diese Aussage bezeichnet man als den Energieerhaltungssatz.
Eine Sonderstellung nimmt die elektrische Energie ein: Sie ist nur in sehr kleinen Mengen speicherbar. Im täglichen Gebrauch tritt elektrische Energie fast ausnahmslos als „Energieströmung“ in Erscheinung, etwa bei einem Waschmaschinenmotor, der die elektrische Energie aus dem Stromnetz bei seiner Rotation kontinuierlich in die mechanische Energie der sich drehenden Wäschetrommel wandelt.
Energie kann nicht beliebig von einer Form in die andere gewandelt werden. Während sich elektrische, mechanische und kinetische Energie mit kleinen Verlusten problemlos ineinander verwandeln lassen, ist das bei Wärmeenergie nicht der Fall- die Wärmeenergie nimmt hier eine besondere Stellung ein. Das soll hier am Beispiel eines Kraftwerks erläutert werden:
In einem Wärmekraftwerk wird in einem Kessel Hochdruckdampf erzeugt. Die zur Verdampfung erforderliche Wärme wird durch Verbrennung von Brennstoffen oder durch Kernspaltung zugeführt. Durch Ausdehnung des Dampfes wandelt sich die Druckenergie in Bewegungsenergie, die dann auf die Turbinenschaufeln übertragen wird. Nach der Turbine wird der Dampf im Kondensator zu Wasser kondensiert. Dieser Prozess wird durch zwei Temperaturen begrenzt:
Zum einen kann man den Dampf nicht beliebig heiß zuführen, weil die Kesselrohre den Drücken und Temperaturen nicht mehr standhalten, zum anderen muss der Kondensator noch durch die Umgebung gekühlt werden können. Aus diesem Grund kann der Dampf nicht beliebig weit expandiert werden und in der Folge kann die Energie des Dampfes nicht vollständig in Bewegungsenergie verwandelt werden. Als Kühlmedium kommt Kühlwasser aus Flüssen oder einfach Luft in Frage, die dann durch Kühltürme geleitet wird, deren weithin sichtbaren Wasserschwaden in der Presse gern mit Kohlendioxid in Verbindung gebracht werden. Die energetische Effizienz eines Wärmekraftwerks ist deshalb durch die Ein- und Austrittstemperaturen begrenzt. Sie kann nur durch Steigerung der Eintrittstemperaturen verbessert werden, weil die Kühltemperaturen durch die Umgebungstemperaturen vorgegeben sind.
Dieser fundamentale Zusammenhang wurde 1829 von dem Franzosen Sadi Carnot erkannt und etwa 30 Jahre später entdeckte man darin ein fundamentales Gesetz der Physik: Den sogenannten Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Dieses Naturgesetz beschränkt die Effizienz der Wandlung von Wärmeenergie in mechanische und elektrische Energie. Nach knapp 200 Jahren technischen Fortschritts hält ein kombinierter Gas- und Dampfprozess den absoluten Effizienz- Weltrekord mit einem Wirkungsgrad von knapp über 60%, bei dem der Dampfkessel mit der Abwärme einer Gasturbine beheizt wird. Dieses Kraftwerk kann 60% der Wärme in Strom verwandeln.
Diese Maschine ist keineswegs eine Erfindung des Zeitalters „erneuerbarer Energien“- sie wurde bereits vor 100 Jahren von Aurel Stodola vorgeschlagen und ist im Kraftwerk Irrsching östlich von München realisiert.
Die eingangs aufgeworfene Frage, ob Energie gleich Energie ist, muss also im Hinblick auf die technische Nutzung als Elektrizität verneint werden: Wärmeenergie kann aufgrund des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik nicht beliebig in elektrische Energie verwandelt werden. Während Elektrizität in beliebige andere Energieformen wandelbar ist, ist die Effizienz der Energiewandlung von Wärme in Elektrizität durch dieses fundamentale Naturgesetz begrenzt.
Nach den Vorstellungen einiger Professoren sollen kombinierte Gas- Dampfprozesse eine Schlüsselrolle bei der Speicherung überschüssiger Energie aus Solar- und Windkraftwerken spielen: Durch die Schwankungen der Windgeschwindigkeiten entsteht eine stark schwankende Leistungs-Einspeisung, die schon heute an manchen Tagen nicht mehr in vollem Umfang genutzt werden kann. Ähnlich verhält es sich mit Solarkraftwerken, die an sonnigen Tagen um die Mittagszeit für extreme Leistungsspitzen verantwortlich sind, um wenige Stunden später während der Nacht völlig auszufallen. Mit dem weiteren Ausbau der sogenannten erneuerbaren Energien ist bereits heute absehbar, dass die überschüssige elektrische Energie der Einspeisungs- Leistungsspitzen sehr bald mangels Verbrauchern nicht mehr nutzbar sein wird.
Besonders prekär sind die typischen Hochdruckwetterlagen im Zeitraum zwischen November und Januar. Hier fallen beide Solar- und Windkraftwerke regelmäßig völlig aus. Deren Einspeisung sinkt dann auch in der Summe auf Werte in der Nähe von Null. Faktisch bedeutet das den Totalausfall der Einspeisung.
Schon in den siebziger Jahren ist der Gedanke vorgetragen worden, überschüssige („erneuerbare“) elektrische Energie durch Elektrolyse von normalem Wasser in Wasserstoffgas und damit in chemische Energie zu verwandeln und dieses Gas zu speichern, um bei Bedarf ein Wärmekraftwerk damit zu beheizen und so wieder in elektrische Energie zu verwandeln. Aus verschiedenen Gründen ist Wasserstoffgas nur mit großem Aufwand speicherbar. Deshalb wird der Elektrolyse als weiterer Prozessschritt die sogenannte Methanisierung hinzugefügt. Dabei wird durch Zufuhr von elektrischer Energie aus Kohlendioxid und Wasserstoffgas Methangas erzeugt, das im Erdgasnetz problemlos speicherbar ist. Beide Prozessschritte sind verlustbehaftet: Bei der elektrochemischen Erzeugung des Brenngases Methan gehen unter optimistischen Voraussetzungen mindestens 35% der ursprünglichen elektrischen Energie als Abwärme verloren.
Vom Standpunkt der effektiven Nutzung der beliebig wandelbaren elektrischen Energie hat dieses Verfahren ungefähr die Logik, den Dampfkessel eines Wärmekraftwerks mit einem elektrischen Tauchsieder zu beheizen. Der Unterschied besteht hier darin, dass nach dem Methanisierungsprozess ungefähr 65% der elektrischen Energie als chemische Energie eines Brenngases gespeichert werden. Eine Tauchsieder-Heizung eines Kraftwerks könnte 99% der elektrischen Energie als Wärme nutzen.
Weil die ursprüngliche elektrische Energie in chemische Energie eines Brenngases gewandelt und als solche gespeichert wurde, kann man durch die Verbrennung dieses Gases in einem Wärmekraftwerk nur einen Teil dieser chemischen Energie zurück in Elektrizität wandeln. Diese Tatsache ist keineswegs mangelnder Ingenieurskunst, sondern der beschränkten Wandelbarkeit der Energieform Wärme und damit schlussendlich dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik geschuldet. An dieser Tatsache werden alle Forschungsanstrengungen zur Verbesserung der Effizienz des Power To Gas Verfahrens nichts ändern: Aufgrund des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik liegt die bestmögliche Effizienz des Verfahrens schon heute fest. Die beliebte Politiker-Forderung, man müsse hier die Forschung intensivieren, lässt allenfalls auf bestürzende Unkenntnis der Zusammenhänge schließen.
Da diese Wärmekraftwerke bei der Stützung des elektrischen Netzes aufgrund der Schwankungen der Einspeisung aus sogenannten erneuerbaren Energien im Lastwechselbetrieb gefahren werden müssen, sind Wirkungsgrade bei der Verstromung des Brenngases über 40% von großem Optimismus getragen.
Von der überschüssigen elektrischen Energie der Leistungsspitzen bleiben nach den Verfahrensschritten
- Elektrolyse
- Methangas- Erzeugung
- Methangasverbrennung und Rückverstromung
also unter günstigen Bedingungen 25% bis 30% übrig. Die verbleibenden 75% fallen im Prozess als Abwärme an. Vor diesem Hintergrund ist es physikalisch unzutreffend, von Speicherung zu sprechen- vielmehr handelt es sich eher um eine Resteverwertung hochwertiger elektrischer Energie.
Um nun elektrische Energie unterbrechungsfrei zur Verfügung zu stellen, sollen nun mit elektrochemisch hergestelltem Methan befeuerte Stützkraftwerke einspringen, wenn Solar- und Windenergie ausfallen. Die grundsätzliche Anordnung ist in Abbildung 1 dargestellt. Die aus Solar- und Windkraftwerken gewonnene elektrische Leistung fließt direkt in das Stromnetz, erst wenn die Erzeugungsleistung die Netzleistung übersteigt, wird die elektrische Energie den Anlagen zur Methanisierung zugeführt.
Nun unterliegt die zufällige Einspeisung aus „volatilen“ Quellen erheblichen Leistungsschwankungen. Diese Problematik ist in [1] ausführlich dargestellt. Aufgrund fundamentaler Zusammenhänge der mathematischen Statistik wird sich an der statistischen Struktur der Einspeisung durch den Ausbau der Windkraft nichts Wesentliches ändern. Es lässt sich mit statistischen Methoden nachweisen, dass die Leistungsspitzen durch den Zubau weiter anwachsen werden [2].
Überschüssige Leistung
Beim heutigen Mix aus Wind- und Solarenergie liegt die zufällig erzeugte Leistung während 38 % der Betriebsdauer über dem Durchschnittswert, d. h. die mittlere Leistung wird sehr häufig überschritten. Wenn man ein Netz mit einem konstanten Leistungsbedarf betreiben will, wird die Netzleistung also häufig überschritten. Ein großer Teil der eingespeisten elektrischen Energie aus Wind- und Solaranlagen muss dann also den Umweg über den Speicher nehmen. Mit allen Konsequenzen für Wirkungsgrad und Verluste.
Weil die in der Einspeise-Leistung enthaltene Energie als Fläche unter der Leistungskurve gedeutet werden kann, hat das zur Folge, dass ein großer Teil der Energie überschüssig ist und entweder verworfen oder gespeichert werden muss.
Diese Tatsache ist in Abbildung 2 für eine typische wetterbedingte Überhöhung der Einspeise-Leistung dargestellt. Je höher der Maximalwert einer Schwankung ist, desto mehr Energie muss den Prozess der Elektrolyse, Methanisierung und Rückverstromung durchlaufen. Gleichzeitig müssen die Anlagen für diesen Prozess in der Lage sein, diese großen Leistungen auch aufzunehmen. Da die Einspeise-Leistungskurven bei hohen Leistungswerten immer schmaler zusammen laufen, werden die Erträge immer kleiner, je mehr Leistungen man zur Methanisierung aufbaut. Ein Teil der Energie muss dann immer durch Abregelung verworfen werden, weil eine Verwertung unwirtschaftlich ist.
Diese Situation ist in Abbildung 3 dargestellt: Das Stromnetz kann 36% der Energie unmittelbar aufnehmen, der Betrag an überschüssiger Energie beträgt 64%. Dieser Anteil teilt sich auf in 52% der Energie, die dem Methanisierungsprozess zugeführt wird und 12% des Betrages, der abgeregelt wird.
Abbildung 3 zeigt auch, dass erhebliche Kapazitäten bzw. Nennleistungen für die Elektrolyse und Methanisierung geschaffen werden müssen, um die überschüssige Leistung energetisch überhaupt verwerten zu können. Wie oben bereits ausgeführt, beträgt der gesamte Wirkungsgrad bei der Methanisierung und Rückverstromung unter günstigen Bedingungen 30%, d. h. von den 52% elektrischen Energie, die dem Speicherprozess zugeführt wird, bleiben nach der Rückverstromung weniger als 16% übrig.
Diese Betrachtung verdeutlicht, dass durch das Zusammenspiel der zufälligen Einspeisung mit dem Speichersystem und dem Netz insgesamt rund 50% der ursprünglichen elektrischen Energie aus Solar- und Windkraftanlagen durch Abregelung und Wandlungsverluste verloren gehen. Dem gesamten System aus elektrischem Netz und Speicher muss also der doppelte Betrag an elektrischer Energie zugeführt werden, den das Netz braucht.
Derweil Glühbirnen ob ihrer Abwärmeverluste in Europa verboten sind, werden von Hochschulinstituten Millionenbeträge sinnlos an einem Verfahren verforscht, bei dem die Grenzen der Effizienz aufgrund von unumstößlichen Naturgesetzen a priori schon lange feststehen.
Da der Energiebedarf des Stromnetzes die vorgegebene Größe ist, müssen folglich die Erzeugungskapazitäten verdoppelt werden, um die Abwärmeverluste beim Power To Gas- Verfahren zu decken.
Es ist eine Irreführung der Öffentlichkeit, bei solcher Faktenlage überhaupt noch von Speicherung zu sprechen, schließlich sollten die Zusammenhänge zumindest jedem Ingenieur klar sein, der mal eine Vorlesung in Thermodynamik besucht hat.
[1] Internetveröffentlichung: www.vernunftkraft.de/statistik/
[2] Internetveröffentlichung: www.vernunftkraft.de/windkraft-versus-wuerfeln/