Realsa­tire

Profes­sor Sigis­mund Kobe vom Insti­tut für theore­ti­sche Physik der TU Dresden hat den Alltag der deutschen Energie(wende)wirtschaft einer näheren Betrach­tung unterzogen.

Seine Glosse beschreibt die Auswir­kun­gen der gegen­wär­ti­gen Energie­po­li­tik, insbe­son­dere des EEG, überaus treffend. Wir danken Herrn Profes­sor Kobe für die freund­li­che Bereit­stel­lung des Textes, der zuerst im Magazin für die Energie­wirt­schaft  erschien:

ew 13/2013, S. 24 (https://www.keosk.de/read/igofPIL0vVDqy/epaper-ew_13_|_2013) 


 

ew  – Magazin für die Energie­wirt­schaft 13/2013, S. 24

Bericht aus der Kommandozentrale

    Strom an einem Sonntag im Hochsommer

 

Eine Glosse

von

      Sigis­mund Kobe 

Techni­sche Univer­si­tät Dresden, Insti­tut für Theore­ti­sche Physik, 01062 Dresden

 

Die Lage in der Komman­do­zen­trale ist angespannt. Es naht ein Sonntag, noch dazu im Hochsom­mer. Die Wetter­frö­sche haben es prophe­zeit, sonnig soll es werden und ein bisschen Wind soll wehen. Aber man ist ja gut vorbe­rei­tet. An die Stein­koh­le­kraft­werke erging schon gestern Abend die Order: Runter­fah­ren auf Nullni­veau! Die Meldung trifft ein: Befehl ausge­führt. Weiter runter geht nicht, denn das hieße ja abschal­ten und dann wieder mühsam und mit hohen Verlus­ten neu anfahren.

Sonntag, 0:00 Uhr

Mitter­nacht, der Tag beginnt. Der Blick auf die Daten der Strom­börse bestä­tigt einen niedri­gen Strompreis:

1 Ct/kWh. Der Strom­preis fällt weiter.

Sonntag, 3:00 Uhr

Der Strom­preis erreicht 0 Ct/kWh. Jeder im Raum weiß, was das bedeu­tet. Jetzt kostet der Strom nichts. Jeder kann soviel haben wie er will. Das einzige Problem: Man muss wissen, was man damit anfan­gen soll.

Aber es geht noch weiter, der Preis wird negativ. Im Klartext: Wer jetzt Strom “kaufen” will, bekommt ihn nicht nur umsonst, er bekommt sogar Geld dafür, dass er ihn abnimmt.

Sonntag, 7:00 Uhr

Jetzt kostet Strom ‑1 Ct/kWh, ein vorläu­fi­ger Tiefstand ist erreicht. Um diese Zeit trifft die Nachricht ein: Deutsch­land braucht Strom! Man hat ein klein wenig überzo­gen beim Runter­re­geln. Es werden 2 GWh zusätz­lich angefor­dert. Kein Problem, man kann ja impor­tie­ren, zu einem “negati­ven Preis”. Der Strom wird gelie­fert, die 20 000 € extra kommen auf die hohe Kante. Alle atmen auf.

Sonntag, 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr

Das Schlimmste scheint überstan­den. Von nun an geht’s “bergauf”. Der Strom ist wieder umsonst: 0 Ct/kWh.

Sonntag, 13:00 Uhr bis 14:00 Uhr

Doch jetzt kommt, was man schon befürch­tet hatte. Die Sonne scheint und die Photo­vol­ta­ik­an­la­gen im ganzen Land zeigen, was sie so auf der Pfanne haben. Überall wurde es verkün­det und hoch geprie­sen: “Wir haben eine instal­lier­ten Leistung von 33 GW peak”. Es ist ein Kinder­spiel, 20 GWh Strom ins globale Netz einzu­spei­sen. Man hat ja Vorrang. Doch der erneute Blick auf die Strom­börse lässt nichts Gutes ahnen.

Sonntag, 15:00 Uhr

Der Preis sinkt und sinkt und erreicht 15 Uhr einen neuen “Rekord­wert”: ‑20 Ct/kWh. Und niemand will den Strom. Das Volk tummelt sich im Strand­bad. Keiner wirft seinen Rasen­mä­her an: dummes Volk.

Aber es kommt noch schlim­mer. Der Wind frischt auf. Die Windmül­ler ringsum wittern Morgen­luft. Ein Angebot flattert auf den Tisch: 10 GW Windstrom liegen in den nächs­ten beiden Stunden an – zusammen

20 GWh. Bitte sofort ins globale Netz einspei­sen! Es besteht ja laut Gesetz Einspei­se­vor­rang und Einspei­se­pflicht für Erneuerbare.

Jetzt muss dringend gehan­delt werden, die 20 GWh sind wirklich zu viel, die müssen weg. Die Telefone klingeln bei den Pumpspei­cher­wer­ken in Öster­reich und der Schweiz. Könnt ihr nicht diesen Strom gebrau­chen? Wir legen für die kleine Gefäl­lig­keit eine knappe halbe Million € drauf. Schein­bar wider­stre­bend stimmen die Käufer zu und reiben sich insge­heim die Hände.

Aber immer noch ist zu viel Strom da. Jetzt müssen auch die Braun­koh­le­kraft­werke ran. Die haben es nämlich beson­ders schwer bei Lastwech­sel­vor­gän­gen. Schließ­lich werden sogar die neun noch laufen­den Kernkraft­werke angeru­fen: Leistung drosseln, Brenn­stäbe rauszie­hen, aber macht bitte ganz, ganz vorsich­tig, damit ja nichts passiert!

Endlich, die Erlösung naht. Die Sonne neigt sich dem Horizont und verrin­gert zusehends ihren Einfalls­win­kel zu den Solarmodulen.

Sonntag, 18:00 Uhr

Der Strom­preis hat wieder positive Werte erreicht und beträgt jetzt 0,1 Ct/kWh, Tendenz weiter steigend.

Sonntag, 20:00 Uhr

Die Leute sind nach Hause zurück­ge­kehrt. Die Fernse­her werden einge­schal­tet. Um 20:15 Uhr beginnt der Tatort. Das Thema heute lautet: “Die Wahrheit stirbt zuerst”. Der Strom­preis beträgt 1,8 Ct/kWh.

Die Nachfrage nach Strom steigt weiter, aber die Erneu­er­ba­ren haben sich längst zur verdien­ten Ruhe begeben. Die Grund­last­kraft­werke erhal­ten den Befehl: So schnell hochfah­ren wie es nur irgend geht. Aber die sind träge und kommen nicht so schnell wieder aus dem Knick. Alle deutschen Pumpspei­cher­werke erhal­ten die Anwei­sung: Volle Kraft voraus, alle Turbi­nen anwer­fen! Die Betrei­ber knirschen mit den Zähnen. Wider­wil­lig folgen sie dem Befehl von oben. In ihrem Kalen­der ist nämlich schon der nächste Donners­tag, 8 Uhr, rot markiert. Dann hätten sie nämlich 5 Ct/kWh kassiert. Jetzt müssen sie mit läppi­schen 2 Ct/kWh vorliebnehmen. 

Aber auch diese Aktion deckt noch lange nicht den Bedarf. Also folgt die Anfrage bei den Nachbarn: Könnt ihr uns kurzfris­tig Strom liefern? Diesmal kommt die Zusage prompt und freudig: Yes, we can!

Der Vertrag kommt zustande: Gelie­fert werden 10 GWh bis Mitter­nacht. Der Strom­preis beträgt inzwischen

2 Ct/kWh, macht insge­samt 200 000 €. Eine Option über die Liefe­rung von weite­ren 10 GWh bis zum  Morgen­grauen wird verein­bart, natür­lich zum Marktpreis.

Der Tag ist um, Deutsch­land schläft – und so hat zum Glück keiner gemerkt, dass unter den Liefer­län­dern der letzten Charge des Strom­im­ports Frank­reich und Tsche­chien waren. Ob wir uns dabei vielleicht sogar  Atomstrom einge­han­delt haben? Aber so genau wollen wir es eigent­lich auch wieder nicht wissen.

_____

Die geschil­der­ten Vorgänge sind frei erfun­den. Ähnlich­kei­ten mit tatsäch­li­chen Ereig­nis­sen und handeln­den Perso­nen sind rein zufäl­lig. Aller­dings beruhen die Daten auf offizi­el­len Angaben der Energie­wirt­schaft für Sonntag, den 16. Juni 2013 [1,2].


Litera­tur:

[1] EEX:  Handels­da­ten vom 16. Juni 2013. www.eex.com.

[2] Burger, B.: Strom­erzeu­gung aus Solar- und Windener­gie im Jahr 2013.

Fraun­ho­fer-Insti­tut für Solare Energie­sys­teme ISE, Freiburg. Daten zu Erneu­er­ba­ren Energien. www.ise.fraunhofer.de. http://www.eex.com/de/Marktdaten/Handelsdaten/Strom/Stundenkontrakte


VERNUNFTKRAFT. dazu:

Wenn es nach den Vorstel­lun­gen von Rainer Baake und anderen Grünen Vor-“Denkern” geht, bleibt diese Satire auch weiter­hin Realität.

Wenn es nach einigen grünen Real-Satiri­kern-Politi­kern geht, sollen die Inter­es­sen von Mensch und Natur der Reali­sie­rung dieser Satire noch gnaden­lo­ser unter­ge­ord­net werden.

Schließ­lich findet die hessi­sche energie­po­li­ti­sche Spreche­rin, dass Wälder Windrä­der brauchen. Und der schles­wig-holstei­ni­sche Energie­wen­de­mi­nis­ter sieht den Schutz des Seead­lers als nachran­gig an.

WIR sehen das anders – und Sie?

eulenentwurf

Wie es besser gehen könnte, finden Sie hier kurz umris­sen und hier ausführ­li­cher dargelegt. 


Herr Profes­sor Kobe versteht sich übrigens nicht nur auf die satiri­sche Offen­le­gung groben Unfugs.

Aus jahrzehn­te­lan­ger Forschungs­tä­tig­keit verfügt er über einen goldwer­ten Erfah­rungs- und Kennt­nis­schatz, den er auch im Sinne konstruk­ti­ver Lösun­gen – zum Wohle unseres Landes, seiner Menschen und seiner Natur – einbrin­gen könnte.

Den Unter­schied zwischen Realsa­tire und einer sinnvol­len Energie­wende hat Herr Profes­sor Sigis­mund Kobe unlängst dargestellt.
 
Profes­sor Kobe beschäf­tigt sich seit über 40 Jahren mit physi­ka­li­schen, infor­ma­ti­ons­theo­re­ti­schen und biolo­gi­schen Syste­men – unter einer  gemein­sa­men Frage­stel­lung: Die Optimie­rung komple­xer Systeme mit konkur­rie­ren­den Wechsel­wir­kun­gen. Seine Betrach­tung zur Energie­wende finden Sie hier.  Die theore­ti­sche Frage, inwie­weit “erneu­er­bare Energien” wirklich erneu­er­bar sind, wird in diesem Vortrag sehr anschau­lich aufgearbeitet.
 
Diese beiden Vorträge verdeut­li­chen unseres Erach­tens sehr gut den vereng­ten Blick der gegen­wär­tig unter dem Stich­wort “Energie­wende” verfolg­ten Politik.

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