Sonntags­rede vs. Alltagsrealität

Am 25. Septem­ber 2014 trat das Bundes­amt für Natur­schutz mit dieser Presse­er­klä­rung an die Öffentlichkeit:

Natur­parke in Deutsch­land verei­nen Kultur- und Naturlandschaften

Franz August Emde

Presse- und Öffent­lich­keits­ar­beit Bundes­amt für Naturschutz

 – BfN Präsi­den­tin Beate Jessel vergibt Quali­täts­zer­ti­fi­kate an fünf Naturparke 

 – Natur­parke leisten wichti­gen Beitrag zum Erhalt der biolo­gi­schen Vielfalt


Lohr/Bonn, 25.9.2014:

Im Rahmen des Deutschen Natur­park-Tages überreichte heute die BfN-Präsi­den­tin Prof. Beate Jessel fünf Natur­par­ken (Natur­park Barnim, Dahme-Heide­seen, Fränki­sche Schweiz-Velden­stei­ner Forst, Solling-Vogler und Vulkan­ein­fel) die Zerti­fi­kate „Quali­täts-Natur­park“. Der Natur­park Südharz erhielt die Auszeich­nung „Partner Quali­täts­of­fen­sive Naturparke“. 

Die Quali­täts­of­fen­sive Natur­parke gilt als ein Meilen­stein zur Weiter­ent­wick­lung der deutschen Naturparke.

Mit diesem Instru­ment konnten die Parke u.a. ihre Arbeit optimie­ren, neue Natur­park­pläne für die Steue­rung aufstel­len, Wander­wege unter Natur­schutz­ge­sichts­punk­ten neuord­nen oder sogar die Zusam­men­le­gung von Natur­park­flä­chen unter­stüt­zen. Wir wollen damit bundes­weit Anreize für Natur­parke setzen, um sich weiter­zu­ent­wi­ckeln und um ihre Quali­tät zu steigern“, sagte Jessel bei der Veranstaltung.

Es sei charak­te­ris­tisch für Natur­parke, dass sie überwie­gend histo­risch gewach­sene Kultur- und Natur­land­schaf­ten schüt­zen und gleich­zei­tig dem Menschen zur Erholung zur Verfü­gung stehen, so Beate Jessel. Das Spektrum der Aktivi­tä­ten von Natur­par­ken ist daher sehr breit und kann z.B. die Entwick­lung service­ori­en­tier­ter Infra­struk­tur für das aktive Natur­er­leb­nis (inkl. Besucher­len­kung in sensi­blen Landschafts­be­rei­chen) wie auch die natur­ver­träg­li­che regio­nale Wertschöp­fung umfas­sen. Deshalb arbei­ten die Natur­park­trä­ger u.a. eng mit der Land- und Forst­wirt­schaft, der örtli­chen Gastro­no­mie und dem lokalen Handwerk zusammen.

Natur­parke leisten einen wichti­gen Beitrag zum Erhalt der biolo­gi­schen Vielfalt. Mit eigenen Renaturierungs‑, Arten- und Biotop­schutz­maß­nah­men, ihrer Mitar­beit am Aufbau eines bundes-weiten Biotop­ver­bund­sys­tems und der Unter­stüt­zung bei der Vermark­tung regio­na­ler Produkte einer natur­ge­mäß wirtschaf­ten­den Landwirt­schaft demons­trie­ren sie die Vielsei­tig­keit des moder­nen Natur­schut­zes“, sagte Prof. Beate Jessel.

Mit Blick auf die Zukunft regte die BfN-Präsi­den­tin einen stärke­ren Infor­ma­ti­ons­aus­tausch mit europäi­schen Natur­parks an. Ziel sei es, künftig die Erfah­run­gen und Impulse aus den Natur­par­ken in Europa besser für die eigene Arbeit nutzbar zu machen bzw. die positi­ven Erfah­run­gen aus der deutschen Quali­täts­of­fen­sive anderen europäi­schen Ländern mitzu­tei­len. Um dieses Anlie­gen noch stärker zu unter­stüt­zen, überreichte sie dem VDN-Präsi­den­ten, Dr. Michael Arndt einen Zuwen­dungs­be­scheid über 200.000 € für ein neues inter­na­tio­na­les Natur­schutz­vor­ha­ben „Impulse der Natur­park­ar­beit aus europäi­schen Staaten für die Weiter­ent­wick­lung der Natur­parke in Deutsch­land und Europa“. Dieses VDN-Vorha­ben läuft bis zum 31.07.2017.  

Hinter­grund

Natur­parke (§ 27 BNatSchG) sind großräu­mige Kultur­land­schaf­ten, in denen der Schutz und die Erhal­tung der Biotop- und Arten­viel­falt stark mit der Erholungs­funk­tion der Landschaf­ten für den Menschen verbun­den sind. In ihnen werden umwelt­ver­träg­li­cher Touris­mus und dauer­haft umwelt­ver­träg­li­che Landnut­zun­gen unter­stützt. In Deutsch­land gibt es gemäß den Länder­mel­dun­gen derzeit 105 Natur­parke. Mit einer Gesamt­flä­che von rund 9,8 Mio. ha decken die Natur­parke etwa 27,4 % der Landes­flä­che Deutsch­lands ab. Der Flächen­an­teil an Natur­par­ken hat von 1998 bis Ende 2013 um ca. 2,6 Mio. ha und damit um mehr als ein Drittel zugenom­men. Inner­halb der Natur­parke liegt der Flächen­an­teil der Schutz­ge­biete (zumeist Landschafts­schutz­ge­biete) bei ca. 56 %. Der Natur­schutz­ge­biets-Flächen­an­teil in den Natur­par­ken beträgt deutsch­land­weit knapp 5 %, wobei bundes­weit Unter­schiede bestehen.

Weitere Infor­ma­tio­nen:

http://www.bfn.de

Diese Lobprei­sung der Natur­parke steht für Kenner der Wirklich­keit in starkem Kontrast zu der in ganz Deutsch­land zu beobach­ten­den Tendenz, eben jene gelob­ten Natur- und Kultur­land­schaf­ten zu zerstö­ren und Natur­parks zu “Windparks” zu machen.

Der Natur­park Kaufun­ger Wald ist nur eines von vielen Beispie­len, die das Bundes­amt für Natur­schutz in dieser “Bestands­auf­nahme” ausblendet.

Am 26.9.2014 hat Dr. rer. nat. Wolfgang Epple hat sich die Mühe gemacht, die Präsi­den­tin der obers­ten Natur­schutz­be­hörde für diese Diskre­panz zwischen Sonntags­rede und Alltagsrealität´hinzuweisen. Möge sein Schrei­ben einen blinden Fleck erhellen.

To: info@bfn.de

Sent: Friday, Septem­ber 26, 2014 11:12 AM

Subject: Natur­parke Deutsch­lands Schlei­fung der Verord­nun­gen für Windkraft, z.Hd. Frau Prof. Beate Jesse


Bitte zu Händen Frau Präsi­den­tin Profes­sor Jesse

betr.: Natur­parke in Deutsch­land verei­nen Kultur- und Naturlandschaften

 

Sehr geehrte Frau Präsi­den­tin Profes­sor Jessel,

sehr geehrte Damen und Herren des BfN,

 

mit Inter­esse nimmt man Ihre Mittei­lung vom 25.09.2014 (in der Anlage, mit einer persön­li­chen Anmer­kung von mir) zur Kennt­nis und will sich nach 45 Jahren eigener Aktivi­tät im deutschen Natur­schutz über die dorti­gen wohlklin­gen­den Formu­lie­run­gen und die sicher gerecht­fer­tig­ten Preis­ver­lei­hun­gen eigent­lich ungeteilt freuen.

Alleine, diese Freude will einfach nicht ungetrübt gelingen:

Ist Ihnen bekannt, dass zur Zeit in Baden-Württem­berg syste­ma­tisch die Natur­parke zu Gunsten der Überbau­ung und Indus­tria­li­sie­rung mit Windkraft geschwächt, wenn nicht geschleift werden sollen?

Wie stellt sich Ihre Behörde gegen die insbe­son­dere von GRÜNEN Minis­te­rien (Hessen, Baden-Württem­berg) initi­ierte Aushöh­lung des Landschafts­schut­zes, die inzwi­schen flächen­de­ckend in Gang gesetzt wird?

Ich erlaube mir, Ihnen schlag­licht­ar­tig einige Belege für diese Entwick­lung, die fakti­sche Abschaf­fung des Landschafts­schut­zes und die Aushöh­lung der Natur­parke zu Gunsten der Windkraft-Indus­tria­li­sie­rung als Anlagen bzw. einen Link zu einer Petition beizulegen.

Ist Ihnen auch bekannt, dass die Deutschen Vogel­schutz­war­ten ganz aktuell unter das Primat der Windkraft­in­dus­trie unter­wor­fen werden, und damit die dringend notwen­dige Anwen­dung überar­bei­te­ter Abstands­emp­feh­lun­gen (die in ethoöko­lo­gi­scher Hinsicht ohnehin zu klein­mü­tig ausfal­len) windkraft­sen­si­bler Großvo­gel­ar­ten quasi auf Halde liegt?

Auch die Anwedung gelten­den Arten­schutz­rech­tes gehört zu den Aufga­ben der von Ihnen gelob­ten Natur­parke Deutsch­lands, wenn Ihre Formulierung

Natur­parke leisten einen wichti­gen Beitrag zum Erhalt der biolo­gi­schen Vielfalt. Mit eigenen Renaturierungs‑, Arten- und Biotop­schutz­maß­nah­men, ihrer Mitar­beit am Aufbau eines bundes-weiten Biotop­ver­bund­sys­tems und der Unterstützung (…) 

einen Bezug zur Wirklich­keit in den betrof­fe­nen Gebie­ten haben soll.

Gerne höre ich Ihre Haltung zu diesen beklem­men­den Entwick­lun­gen in der deutschen Natur­schutz-Wirklich­keit, die ich im Anschluss mit Ihrem Einver­ständ­nis einem inter­es­sier­ten, großen und kriti­schen Natur­schutz-Publi­kum zugäng­lich machen möchte.

Mit freund­li­chen Grüßen

Dr. rer.nat. Wolfgang Epple

 

Dr. Wolfgang Epple

Tannen­straße 18

77761 Schilt­ach

Ein Link, Beispiel Odenwald:

https://www.openpetition.de/petition/online/erhaltet-den-naturpark-neckartal-odenwald-keine-aenderung-der-naturparkordnung

und Anlagen

 Danke, Dr. Epple!

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