Am 17. Oktober 2022 nutzte Bundeskanzler Olaf Scholz seine sogenannte Richtlinienkompetenz. Mit diesem Instrument (vulgo: Machtwort) legte er den koalitionsinternen Konflikt um die temporäre Weiternutzung der drei noch verbliebenen Kernkraftwerke kurzfristig bei:
Am Wochenende zuvor hatten die Grünen auf ihrem Parteitag beschlossen, dass nur zwei Kraftwerke als „Reserve“ bis Mitte April weiterlaufen, aber keinen Strom produzieren dürfen. Das dritte sollte abgeschaltet werden. Die FDP forderte dagegen, dass alle drei noch am Netz befindlichen Kraftwerke mindestens bis 2024 weiterlaufen müssten. Ein Krisentreffen im Kanzleramt am Sonntag (16. Oktober) ging ergebnislos zu Ende. Am folgenden Montag verfügte dann der Bundeskanzler, dass alle drei Kernkraftwerke bis zum 15. April Strom produzieren dürften, damit das Land über den Winter kommt. Danach solle endgültig Schluss sein – die Option, bei Fortdauern der Energiekrise noch einmal neu entscheiden zu können, wahrte sich der Kanzler bewusst nicht.
Die so gefundene „Lösung“ scheint eher politischer Taktik als einer sorgfältigen Abwägung zum Wohle des Landes zu entsprechen. So jedenfalls der Tenor des im Münchner Merkur zu lesenden Kommentars
und die Einschätzung der Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, die uns beide (mindestens) in weiten Teilen zustimmungsfähig erscheinen.
Von fachlich einschlägiger Kompetenz ist die Entscheidung jedenfalls kaum geprägt.
Was die Richtung betrifft, scheint zumindest eine der Regierungsparteien eindeutig festgelegt:
Am 25. Oktober 2022 berichteten Journalisten der WELT und des Cicero von ihren Untersuchungen zur Entscheidungsfindung in den Ministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Umwelt und Reaktorsicherheit. Unsere Vermutung – dass nicht sein kann, was nicht sein darf – wird dadurch voll bestätigt. Offenbar war die Position der grünen Minister schon in Stein gemeißelt, bevor Experten zu Rate gezogen wurden. Eine ergebnisoffene Prüfung gab es nie. Ideology first, Germany second.
Die auflagenstärkste Tageszeitung griff die Ergebnisse auf:
Die Originalartikel in der WELT
und im Cicero
sind ihren Unkostenbeitrag allemal wert.
Hier eine Leseprobe:
(…) |
Am 25. Oktober 2022 beschrieb Herr Professor Stefan Kooths vom IfW Kiel die Lage und den Ausblick in einem Namensartikel für den Cicero. Demnach ist die energiepolitische Linie unkenntlich bzw. soweit erkennbar eindeutig nicht am Zieldreieck aus Versorgungssicherheit – Bezahlbarkeit – Umweltverträglichkeit ausgerichtet. Seine Analyse müssen wir leider vollständig teilen.
Mit Ihnen teilen möchten wir ebenfalls den Namensbeitrag des Ökonomen Daniel Stelter, der am 30. Oktober 2022 im Handelsblatt erschien:
Das Machbare in den Blick zu nehmen wäre ein Mach(t)wort des Kanzlers wert.
Wumms wanted.