Am 3. November 2016 trafen im saarländischen Saarlouis zwei höchst unterschiedliche Charaktere aufeinander. Über alle weltanschaulichen Unterschiede hinweg verbindet Oskar Lafontaine (ehemaliger Bundesfinanzminister und aktuell Vorsitzender der saarländischen Linkspartei) und Freiherr Enoch zu Guttenberg (Künstler und Naturschützer, politisch dem Konservatismus zugeneigt) ein Band der Vernunft.
Kraft Gebrauch des eigenen Verstandes kamen beide bereits vor Jahren zum energiepolitischen Common Sense, dem sich die Mehrheit der politisch Verantwortlichen in Deutschland bislang noch verweigert. Auf Einladung der Linkspartei und unter Mitwirkung der Vernunftbürgerschaft aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland referierten die beiden Persönlichkeiten darüber,
wie die “saubere” Energie unsere Umwelt zerstört.
Kerstin Moschel (Vorstandsmitglied des Bündnisses Energiewende für Mensch und Natur e.V. ) berichtet Enoch zu Guttenberg, einst Mitbegründer des BUND, von dem er sich bereits vor Jahren mit Grausen abgewandt hat, und Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender der Linken im saarländischen Landtag, übten an diesem Abend einen beachtlichen Schulterschluss. Argumentativ und voller Leidenschaft setzten sich beide mit der sogenannten „Energiewende“ und deren desaströsen Auswirkungen auf Mensch und Natur auseinander. In seiner Rede zeigte zu Guttenberg vor allem den Wahnwitz der Windenergienutzung auf. Er wandte sich gegen die mit dem Ausbau einhergehende Industrialisierung der letzten natürlichen, nicht urbanisierten Landschafts- und Lebensräume. Mit dieser systematischen Vernichtung wertvoller Ökosysteme ist nachweislich eine starke Gefährdung der biologischen Vielfalt verbunden, welche von den Verfechtern dieser Industrietechnologie bewusst in Kauf genommen wird. Dies wurde von Enoch zu Guttenberg ebenso angeprangert wie die Tatsache, dass die derzeitige Energiepolitik in Bund und Land ökonomisch unsinnig, sozial ungerecht und für einen effektiven Klimaschutz entbehrlich ist. Auch der Vorsitzende der saarländischen Linksfraktion, Oskar Lafontaine, wandte sich gegen den Raubbau an Natur und Landschaft sowie gegen die sinnlose Zerstörung von Naherholungsgebieten und Wäldern. Weiterhin mutmaßte er, dass bei den Protagonisten dieses energiepolitischen Kurses offensichtlich die Liebe zur Natur verloren gegangen sein müsse. Anders lässt sich diese flächendeckende Landschaftsverschandelung und die damit verbundene Vernichtung von Lebensräumen wertvoller und seltener Arten auch kaum erklären. Neben Enoch zu Guttenberg und Oskar Lafontaine hielt auch der 1. Vorsitzender des Bündnisses Energiewende für Mensch und Natur e.V., Uwe Anhäuser, eine Rede im Namen der teilnehmenden Bürgerinitiativen. Er benannte die wesentlichen Meilensteine der saarländischen „Energiewende“-Politik, die 2011 mit dem Masterplan Klimaschutz und der Novellierung des LEP Umwelt zu Zeiten der Jamaika-Koalition und unter Federführung der damaligen Umweltministerin Dr. Simone Peter ihren unrühmlichen Anfang nahm. Von der Großen Koalition wurde dieser fatale energiepolitische Kurs nahtlos fortgeführt. So wurden z.B. mit den 2013 vorgenommenen Änderung kommunaler Verordnungen Landschaftsschutzgebiete sowie Wälder für die Etablierung von Windindustriegebieten freigegeben. Uwe Anhäuser verwies in seiner Rede auf einige, schon lange schwelende Brennpunkte, an denen sich die Bündnis-Initiativen schon seit Jahren mit großer Beharrlichkeit für die Belange von Mensch und Natur einsetzen. Nicht nur am Höcherberg, im Fröhner Wald, am Bostalsee und im Bliesgau, auch in Sitzerath, Eiweiler sowie in Orscholz, Freudenburg und Weiten kämpfen die Initiativen gegen die Errichtung von Windindustrieanlagen. Dabei können sie Erfolge vorweisen, aber auch Niederlagen sind zu verzeichnen: Die BI Gegen Windkraft in Lautenbach kann für den Höcherberg einen entscheidenden Etappensieg vorweisen. Im Fröhner Wald können die BI LebensEnergie Riegelsberg und der Verein Fröhner Wald – für Mensch und Natur e.V. von einer Reduzierung der dort geplanten Anlagen berichten und zudem konnte wertvolle Zeit gewonnen werden. Die IG Windwahn Sitzerath hält im Hochwald die Stellung; auf Gemeindegebiet geplante Anlagen wurden bisher noch nicht aufgestellt. Die BI Orscholz, Weiten, Freudenburg “Windkraft mit Vernunft e.V.” konnte mit Hilfe des Artenschutzes der Errichtung dreier Anlagen Steine in den Weg legen – zwei Anlagen bei Orscholz konnte sie leider nicht verhindern. Im Bliesgau musste die BI Böckweiler „Windkraftfreie Biosphäre“ den derzeit stattfindenden Bau zweier Windindustriegebiete hinnehmen, einige Standorte wurden jedoch schon verhindert. Am Bostalsee gingen vor einigen Wochen fünf Anlagen ans Netz. Sehr beeindruckend war ein Erfahrungsbericht unseres dort ansässigen Bündnis-BI Windwahn Bostalsee, aus dem Uwe Anhäuser in seiner Rede ein paar Zeilen zitierte. Laut der Bosener Bürgerinitiative zeigten sich bereits kurz nach Inbetriebnahme der Windindustrieanlagen bei mehreren Personen starke Beeinträchtigungen infolge von Schallemmissionen. Sie ähneln jenen beängstigenden Schilderungen, die immer wieder von Betroffenen zu uns dringen. Der Bündnis-Vorsitzende ging auch auf den Saargau ein, der aktuell von massiven Windindustrieplanungen betroffen ist. Exemplarisch benannte er den Windpark „Primsbogen“ am sagenumwobenen Litermont und die Wälder bei Wadgassen/Überherrn. In Wäldern und in kulturhistorisch wertvollen Landschaftsräumen haben Windindustrieanlagen nichts zu suchen. In der Nähe der „Steine an der Grenze“ stehen bereits seit einiger Zeit Anlagen auf deutscher Seite und auf französischer Seite sind mehrere Anlagen in Planung. Es ist ein Unding, dass hier keine grenzüberschreitende Lösung gefunden wurde, um die Entwertung der künstlerisch so bedeutsamen Skulpturenstraße zu verhindern. Nach Auffassung des Bündnisses Energiewende für Mensch und Natur e.V. ist der Saargau für die industrielle Windenergienutzung allein schon aus Gründen des Natur- und Artenschutzes völlig ungeeignet. Schließlich zeigte Uwe Anhäuser noch die länderübergreifende Problematik des Windenergieausbaus auf. Die saarländischen Randgebiete sind bekanntlich auch von Planungen und bereits realisierten Projekten jenseits der Grenzen betroffen. Dies gilt für den Hochwald, z.B. Weiskirchen und Sitzerath, für die Landesteile, die an Nord- und Westpfalz angrenzen, sowie für Teile des Saargaus und Bliesgaus, wo man sich mit rheinland-pfälzischen und lothringischen Windindustriegebieten konfrontiert sieht. Dass die Auswirkungen des Windwahns nicht an Grenzen haltmachen und länderübergreifend bekämpft werden müssen, zeigt allein schon die Bündnis-Initiative „Windkraft mit Vernunft e.V.“, die in den saarländischen Gemeinden Orscholz und Weiten sowie dem rheinland-pfälzischen Freudenburg ansässig ist. Abschließend lässt sich noch berichten, dass die Veranstaltung am 3. November in Saarlouis sehr gut besucht war. Zahlreiche windkraftkritische Bürgerinnen und Bürger jeglicher parteipolitischen Couleur, von Jung bis Alt, aus allen Ecken des Saarlandes und aus dem angrenzenden Rheinland-Pfalz bedachten die beeindruckende Rede Enoch zu Guttenbergs mit Standing Ovations. Im Anschluss an die Veranstaltung wurde in den Gesprächen deutlich, dass der Abend von den Besuchern als sehr gelungen empfunden wurde. Die energiepolitischen Weichenstellungen auf Bundes- und Landesebene haben schwer umkehrbare Fakten geschaffen. Sollte es nach den im März anstehenden Landtagswahlen im Saarland zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommen, wird diese ihren windkraftfreundlichen Kurs unverdrossen fortführen. Sollten windkraftkritischere Parteien wie Linkspartei oder Freidemokraten Bestandteil der künftigen Regierungskoalition werden, dürfen wir keine Wunder erwarten. Umso wichtiger, dass wir unseren parteiunabhängigen Kampf unbeirrt fortführen und weiterhin dazu beitragen, dass beim rasant fortschreitenden Ausbau der Windenergie die Interessen von Mensch und Natur gewahrt und möglichst viele Windindustriegebiete verhindert werden. Das Bündnis Energiewende für Mensch und Natur e.V. steht bereit, die saarländischen Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften, gerade auch angesichts der bald anstehenden Wahlen, mit Rat und Tat zu unterstützen. |
VERNUNFTKRAFT. dankt den Hauptakteuren und den Vielen weniger prominenten, die diesen Abend ermöglichten.
Gemeinsam schütten wir weltanschauliche Gräben zu – und bahnen der Vernunft den Weg.