Am 2. April 2013 veröffentlichte das Statistische Bundesamt Zahlen zum grenzüberschreitenden Handel mit Strom für das Jahr 2012.
Demnach exportierte Deutschland mengen- und wertmäßig mehr Strom in die europäischen Nachbarländer, als es von diesen importierte. Mengenmäßig hat sich dieser Exportüberschuss gegenüber 2011 vervierfacht.
In vielen Medien wurden diese Zahlen aufgegriffen, mitunter jedoch nicht sachgerecht aufbereitet und kommentiert.
Selbst renommierten Journalen unterliefen hier Fehler in der Interpretation der Daten:
So schlussfolgerte SPIEGEL online
Von wegen Stromknappheit: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat die Bundesrepublik 2012 so viel Elektrizität exportiert wie seit vier Jahren nicht – obwohl im Zuge des Atomausstiegs acht AKW abgeschaltet worden sind.
wie Sie hier nachlesen können.
Die ZEIT befand
Die Bundesrepublik hat ihre Position als Stromexportland im vergangenen Jahr weiter ausgebaut. Der Stromhandel bleibt ein einträgliches Geschäft – trotz der Energiewende
wie hier nachzulesen.
Es wurde der Eindruck erzeugt, als seien diese Stromexporte volkswirtschaftlich positiv zu bewerten und ein Beleg dafür, dass trotz Energiewende die Stromversorgung in Deutschland mehr als gut funktioniere.
Damit wird die Realität auf den Kopf gestellt.
Tatsächlich werden hier zwei zentrale Aspekte ausgeblendet:
- die zur Erzeugung des exportierten Stroms aufgewendeten volkswirtschaftlichen Kosten.
- die Art des exportierten und importierten Stroms, genauer: dessen Grundlastfähigkeit.
Zu 1:
Dass der Stromhandel ein einträgliches Geschäft ist, wie die ZEIT suggeriert, gilt nur aus betriebswirtschaftlicher Perspektive.
Denn der deutsche Wind- und Photovoltaikstrom wurde in 2012 über Zwangsabgaben von allen deutschen Stromkunden in Höhe von rund 20 Milliarden Euro subventioniert. Er brachte an der Strombörse jedoch nur rund 3 Milliarden ein.
Den Nettoexporterlösen von 1,4 Milliarden Euro sind Nettosubventionen in Höhe von 17 Milliarden gegenüber zu stellen. Volkswirtschaftlich ist dies also mitnichten einträglich, sondern eine Wertvernichtung.
Wenn man davon absieht, dass es eigentlich keinen “Öko“strom gibt, trifft die Schlagzeile der BERLINER ZEITUNG “Deutschland entsorgt Ökostrom” den Sachverhalt ziemlich genau.
Zu 2:
Entgegen anderslautender Behauptungen ist Strom ist weder gelb noch grün. Ein Differenzierung nach Farbe ist also nicht angezeigt. Äpfel und Birnen sind dennoch nicht dasselbe: Ein ganz wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur Bewertung der Qualität von Strom ist dessen Fähigkeit, zur Versorgungssicherheit beizutragen, sprich die Grundlastfähigkeit.
Windkraft und Photovoltaik liefern keinen grundlastfähigen Strom.
Warum können Sie hier nachlesen. Eine empirische Bestätigung finden Sie hier.
Ob man sie nun mag oder nicht, Atom‑, Kohle- und Gaskraftwerke liefern grundlastfähigen Strom.
Die zitierte Statistik gibt darüber keine detaillierte Auskunft – es liegt jedoch auf der Hand, dass die deutschen Exporte vorwiegend “Zufallsstrom”, die deutschen Importe hingegen vorwiegend grundlastfähigen Strom beeinhalteten.
Denn an letzterem besteht hierzulande ‑nach der Abschaltung von acht Kernkraftwerken– tendenziell Mangel.
Allein die Herkunft der Importe aus den dezidierten Atomkraft-Ländern Frankreich und Tschechien legt sehr nahe, dass vor allem Atomstrom importiert wurde.
Auch beim aus Dänemark importierten Strom ist keineswegs ausgemacht, dass es sich dabei um politisch salonfähigen Windstrom handelte. Denn obwohl unsere Nachbarland im Norden ungleich bessere Standortbedingungen für die Windkraft aufweist, leisten auch dort nach wie vor Kohle, Öl und Gas mit rund 60% den zusammen größten Beitrag zur Stomversorgung.
Dänischer Strommix des Jahres 2011. Quelle: Danish Energy Agency, Annual Statistics
Dass Deutschland 2012 viermal mehr Wind- und Photovoltaikstrom exportierte als im Vorjahr, ist insgesamt nicht als beruhigend, sondern als alarmierend zu interpretieren.
Ein sachgerechte Analyse liefert die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. April 2013.
Wir empfehlen grundsätzlich das Abonnement dieses Qualitätsmediums.
Hier präsentieren wir die wichtigsten Aussagen:
Deutschland führt immer mehr Strom aus, als es importiert. Zuletzt wurde damit ein Milliardenbetrag verdient – aber nur, wenn man die hohen Subventionen für die erneuerbaren Energien ausklammert.
Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte, ist Deutschland im Jahr nach der Energiewende von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) per Saldo ein Exporteur von Strom geblieben. Und nicht nur das: Im Jahr 2012 vervierfachte sich der Überschuss sogar im Vergleich zum Jahr 2011.
(…)
Hohe garantierte Einspeise-Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien- Gesetz (EEG) haben zu einem Anstieg der Erzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Quellen geführt. An sonnigen und windigen Tagen überschreitet die Stromproduktion die Nachfrage, so dass der Überschuss exportiert werden muss.
Wie die Statistiker (…) berichteten, hat Deutschland (…) einen Überschuss von 1,4 Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Ausfuhr war demnach 3,7 Milliarden Euro wert, die Einfuhr 2,3 Milliarden Euro. Am meisten wurde aus den Nachbarländern Frankreich (13,2 Terawattstunden), Dänemark (8,5 Terawattstunden) und der Tschechischen Republik (8,4 Terawattstunden) eingeführt. Die wichtigsten Abnehmer (…) waren die Niederlande (22,6 Terawattstunden), Österreich (15,9 Terawattstunden) und die Schweiz (12,7 Terawattstunden).
Die deutschen Verbraucher finanzieren den Umbau der Energiewirtschaft mit einem zweistelligen Milliardenbetrag. So haben die Erzeuger von Strom vor allem aus Wind, Photovoltaik und Biogas im vergangenen Jahr mehr als 20 Milliarden Euro erhalten. Die von ihnen produzierte Energie war an der Strombörse 3 Milliarden Euro wert. Die Differenz zahlen die Kunden über die EEG-Umlage. Anfang dieses Jahres ist sie um 50 Prozent gestiegen (…).