Am 6. Januar 2018 ist in der niedersächsischen Nordwestzeitung ein Artikel zu lesen, der Anhänger rationaler Gedanken frösteln lässt.
Redakteur Gunnar Eichenbars erzählt darin eine Dolchstoßlegende von der guten, klimarettenden und wohlstandbringenden Windenergie, der unverschuldet großer Ungemach droht. Als Stichwortgeber kommen ein IG-Metall-Vertreter und Herr Olaf Lies (SPD), der aktuelle Umweltminister Niedersachsens zu Wort. Dass der Lobbyist der “harten Jungs” hart und wahrheitsverzerrend die Interessen seiner Klientel verdreht, ist unschön, aber normales politisches Geschäft. Die dummdreiste Plumpheit, mit welcher der auf das Wohl des Landes Niedersachsen verpflichtete Minister sich zum Büttel der Firma Enercon und ihrer Beschäftigten macht, ist wahrlich erschreckend:
Dem Minister ist offenbar kein Argument zu schräg, als dass er es nicht in die Waagschale werfen würde, um der Windkraftbranche neben
- der Einspeisegarantie,
- der Preisgarantie,
- der baurechtlichen Privilegierung und der
- Lizenz zum Töten (Ausnahmen vom Artenschutz)
nun auch noch eine Wachstumsgarantie zu verschaffen.
Zur Erinnerung:
Das Grundprinzip unserer Wirtschaftsordnung heißt “Soziale Marktwirtschaft”. Zu deren konstituierenden Prinzipien gehört ein funktionsfähiges Preissystem, das Nachfrage und Angebot zum Ausgleich bringt. Weiterhin Vertragsfreiheit, offene Märkte und Schutz des Eigentums. Diese Prinzipien gewährleisten eine optimale Ressourcenallokation: Die knappen volkswirtschaftlichen Mittel werden so eingesetzt, dass sie den größten Nutzen stiften. Gleichzeitig wird wirtschaftliche Macht begrenzt und technischer sowie ‑in mittelbarer Folge- sozialer und ökologischer Fortschritt stimuliert.
Hiervon hat Herr Lies offenbar nicht den Hauch einer Ahnung, wenn er die durch und durch planwirtschaftlichen, allen obigen Prinzipien krass zuwiderlaufenden Bedingungen, unter denen die Windkraftbranche operiert, mit denen der Automobilbranche vergleicht:
Automobilproduzenten müssen sich, wie alle anderen Unternehmer, am Markt behaupten. Es gibt weder einen gesetzlichen Zwang zum Kauf von PKW noch staatlich fixierte Mindestpreise. Automobilfabriken dürfen, wie andere Produktionsstätten, nicht in ökologisch wertvollen Schutzgebieten und auch nicht einfach so auf “der grünen Wiese” errichtet werden. Das Naturschutzrecht kennt keine Sondervorschrift, der zufolge bei der Produktion von Automobilen die Tötung von Tieren hingenommen werden kann. Im Vergleich zur Windkraftindustrie hat die Automobilindustrie also einen “normalen”, d.h. vergleichsweise schweren Stand. Trotzdem (bzw. deswegen, durch die internationale Konkurrenz zur Hochleistung gezwungen) hat sich dieser Industriezweig über Jahrzehnte zu einem dominanten Faktor in unserer Volkswirtschaft entwickelt. Nirgendwo in der Welt hat die Automobilproduktion einen so großen Anteil an der heimischen Wertschöpfung wie in Deutschland. Beschäftigung sowie Forschung und Entwicklung hängen ebenfalls ganz erheblich von diesem Sektor ab.
Innerhalb des Ordnungsrahmens der Sozialen Marktwirtschaft ist es den Firmen Enercon und Co. im Übrigen völlig unbenommen, so viele Windturbinen herzustellen, “wie sie wollen”. Kein Gesetz verbietet es ihnen, Personen einzustellen und ihre Produktion auszuweiten. Der vermeintlich unfaire Deckel bezieht sich nur auf die Installation von Anlagen, die zu den im EEG fixierten, planwirtschaftlichen Konditionen ihren Strom abgenommen und vergütet bekommen.
Es ließen sich noch viele weitere Facetten der Absurdität der Lies’schen Argumentation diskutieren.
Sehr stark zu hoffen ist, dass verantwortliche Personen innerhalb der Parteien CDU, CSU und SPD erkennen, dass es sich bei Lies’ Wirrungen um geistige Schadstoffe handelt und dass sie den Emittenten von einflussreichen Positionen fernhalten:
Mit der plumpen Parteinahme für seine Klientel und seiner Ankündigung, “in Berlin für niedersächsische Jobs kämpfen” zu wollen, hat sich Herr Lies für eine verantwortungsvolle Rolle bei der Anbahnung einer neuen Bundesregierung disqualifiziert. Seine Agenda schadet Niedersachsen und der Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen.
Zur Verdeutlichung: Lies möchte überall in Deutschland Roggensteder Verhältnisse schaffen.
Damit wäre seinen Kumpels bei Enercon und Co. sehr gedient.
Die energiewirtschaftliche Relevanz der Windkraft würde indes nicht erhöht:
Seit 2011 wurde die installierte Leistung immer weiter ausgebaut, wie die grüne Hintergrundfläche veranschaulicht: Viele Tausende neue Windkrafttürme wurden zu Lasten von Mensch, Natur und Landschaft errichtet, die Nennleistung damit auf 55 GW erhöht. Die tatsächliche Einspeisung dieser Anlagen hat sich aber nur unwesentlich verändert, wie das dunkelblaue Zackenprofil offenlegt. Insbesondere ist nicht im Ansatz eine Glättung des Einspeiseprofils zu erkennen, im Gegenteil: Die Spitzen werden immer höher, aber die Täler schließen sich nicht. Daran werden auch die nächsten fünf‑, zehn- oder zwanzigtausend Windkraftanlagen nichts ändern:
Bei Windstille produzieren 100.000 genauso viel Strom wie 1000 Windkraftanlagen. Das Einzige, was durch den von Lies und Genossen geforderten Ausbau erhöht und vergrößert wird, sind Kosten, technische Probleme und ökologische Kollateralschäden. Mehr dazu finden Sie hier.