Wer sich kritisch mit den ökologischen und ökonomischen Auswirkungen der „Energiewende“-Politik befasst und den Interessen des „ökoindustriellen Komplexes“ in die Quere kommt, sieht sich sofort dem Vorwurf ausgesetzt, „Kohlelobbyist“ oder „Atomkraftlobbyist“ zu sein.
Auch unsere gemeinnützige Arbeit und unser Werben für eine mensch- und naturverträgliche Politik wurde bereits mehrfach einschlägig bezichtigt. Wer die ökologischen Schattenseiten der „Erneuerbaren Energien“ thematisiert, bekommt standardmäßig zu hören, dass Kohle doch viel schlimmer sei und doch wohl niemand ernsthaft Kernkraftwerke wolle.
„Wegen der Braunkohle werden ganze Dörfer weggebaggert und Ihr regt Euch wegen ein paar Bäumen auf!“
lautet der Standardvorwurf, der seitens professioneller Lobbyisten gerne noch mit herzerweichenden Bildern und Szenen untermauert wird. Filmisch und dramaturgisch sehr gut gemacht erscheint uns der Clip über einen vermeintlich allein gelassenen alten Herrn:
Natürlich will niemand, dass “Opa” seine Orgel aufgeben muss!
Den impliziten Vorwurf, “schlechte Menschen” zu sein, müssen wir uns jedoch wirklich nicht zu Herzen nehmen, denn er entbehrt jeder Grundlage.
Schließlich bietet der Zufallsstrom aus Windkraft keinen Ersatz für grundlastfähige Energieformen, sondern sorgt vielmehr dafür, dass die effizientesten Kraftwerke aus dem Markt gedrängt werden und die Braunkohle eine Renaissance erfährt.
Obwohl der Standardvorwurf schon im Ansatz falsch ist – durch Windkraftausbau wird keine einzige Tonne Kohle weniger gefördert oder verbrannt – lohnt es sich, die Parallelen und Unterschiede bezüglich der beiden Energieträger einmal näher zu betrachten.
VERNUNFTKRAFT. spricht sich nicht für irgendwelche speziellen Energieträger und Technologien aus, sondern propagiert gesetzliche Rahmenbedingungen, die das Wohl von Mensch und Natur in den Vordergrund stellen – sprich: eine Rückbesinnung auf das energiepolitische Zieldreieck aus Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit. Nur innerhalb eines stringenten, Technologieoffenheit und Wettbewerb sicherstellenden Ordnungsrahmens kann sich eine Energieversorgungsstruktur entwickeln, die diesen drei Zielen bestmöglich gerecht wird. Wir plädieren für Rationalität, Objektivität und Unvoreingenommenheit. In unserem Positionspapier finden Sie dies klar dargelegt.
Vor diesem Hintergrund und der allenthalben anzutreffenden Propaganda einschlägiger Lobbygruppen möchten wir uns mit diesem Artikel um einen objektiven Vergleich der Energieträger Windkraft und Braunkohle bemühen. Es geht nicht darum, Probleme zu bagatellisieren, sondern eine rationale, weniger auf Angst und mehr auf Fakten basierte Betrachtung zu ermöglichen. Sollten uns dabei Fehler unterlaufen, so sind wir für Hinweise dankbar.
Der an sich schon unsinnigen, da Entscheidungsmöglichkeit suggerierenden Frage:
„Was ist besser – Windkraft oder Kohle?“
kann man sich nur sinnvoll nähern, wenn man die beiden Energieformen „gleichnamig“ und damit einem Vergleich zugänglich macht.
Eine objektive Gegenüberstellung muss also ökologische, ökonomische und soziale Folgen der Nutzung der jeweiligen Energieträger auf dieselbe Menge und Qualität der bereitgestellten Energie beziehen.
Das möchten wir im Folgenden versuchen.
I. Energiedichte und Flächenverbrauch
Deutschland verfügt über die drittgrößten Braunkohlevorkommen der Welt. Die weltweit zu gegenwärtigen Preisen förderfähigen Reserven wurden im Jahre 2006 von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf 283,2 Milliarden Tonnen Braunkohle geschätzt. Davon entfielen 32,3 Prozent (91,6 Milliarden Tonnen) auf Russland, 14,4 Prozent (40,8 Milliarden Tonnen) auf Deutschland und 13,3 Prozent (37,7 Milliarden Tonnen) auf Australien. Bei gleichbleibender Förderung (966,8 Millionen Tonnen im Jahre 2006) könnte der Bedarf noch für etwa 293 Jahre gedeckt werden. In Deutschland würden die Vorräte, die nach Angaben der BGR zu gegenwärtigen Preisen und mit dem Stand der heutigen Technologie gewinnbar sind, bei konstanter Förderung (176,3 Millionen Tonnen im Jahre 2006) noch für 231 Jahre ausreichen. Die deutschen Vorkommen befinden sich im Wesentlichen im Rheinischen Braunkohlerevier in der Niederrheinischen Bucht, im Mitteldeutschen Braunkohlerevier und in der Lausitz. (Quelle: Wikipedia). Eines der größten und vermutlich das politisch umstrittenste Abbaugebiet ist Garzweiler II.
„Tagebau Garzweiler Panorama 2005“ von © Raimond Spekking Wikimedia Commons.
Dieses Abbaugebiet umfasst eine Fläche von 48 km2. Die dort vorhandene Braunkohle hat eine Masse von 1,3 Milliarden Tonnen (Quelle: hier).
Die Braunkohle mit einem Heizwert von 2,2 MWh/t kann in einem modernen Kraftwerk mit einem thermischen Wirkungsgrad von 42% in 1,2 Milliarden MWh elektrische Energie gewandelt werden. Mit dieser Menge an elektrischer Energie kann ganz Deutschland zwei Jahre lang mit Strom versorgt werden.
Über eine Nutzungsdauer von 30 Jahren kann Garzweiler also jährlich 40 Millionen MWh Elektrizität zur Verfügung stellen. Dieser Betrag entspricht ungefähr der Stromproduktion von fünf modernen Großkraftwerken.
Wir wollen nun der naheliegenden Frage nachgehen, welche Fläche bereitgestellt werden muss, um denselben jährlichen Betrag an Energie alternativ aus Windkraftanlagen zu gewinnen. Bei einer Nennleistung von 3MW und 2000 Volllaststunden beträgt die jährliche Energieernte einer WKA 6000 MWh. Rein rechnerisch entsprechen 40 Millionen MWh also der Jahresproduktion von 6.700 Windkraftanlagen.
Diese 6.700 Windkraftanlagen ordnen wir nun gedanklich in einem Raster an: In der Breite wählen wir einen Abstand von 300m und in der Tiefe von 500m (ungefähr drei- bzw. fünffacher Rotordurchmesser). Wir stellen uns also einen Windpark vor, auf dem die Anlagen dicht an dicht stehen.
Auf einem Quadrat von 100km Kantenlänge (also 10.000 Quadratkilometern) gelänge es uns, auf diese Art und Weise theoretisch 100/0,5 x 100/0,3 = 66.666 Windkraftanlagen unterzubringen. Für die notwendigen 6.700 würde demnach ein Zehntel von 10.000 km2 gerade so “genügen”.
Der Garzweiler II ersetzende Windpark hätte also eine Fläche von 1000 Quadratkilometern!
Allerdings wird man die Anlagen kaum dicht an dicht aufstellen wollen, sondern irgendwie gemäß des Windaufkommens über das Land verteilen. Bekanntlich ist das Windaufkommen – im Gegensatz zur Kohle – nicht lokal konzentriert, sondern aufgrund der wesentlich geringeren Energiedichte des Winds über wesentlich größere Flächen verteilt.
Einen ersten Eindruck von dem erforderlichen Eingriff in die Landschaft kann man gewinnen, wenn man eine gleichmäßige Verteilung aller 6.700 WKA über NRW unterstellt: Der mittlere Abstand von WKA zu WKA liegt dann bei 2.250 m.
Alle diese 6.700 Windkraftanlagen haben allerdings das Problem, dass sie keinen Strom produzieren, wenn der Wind nicht weht. Sie sind für eine sichere Stromversorgung nicht geeignet. Auch ein großflächiger Verbund ändert daran nichts.
Um den fiktiven Windpark NRW grundlastfähig und damit zum vollwertigen Ersatz nur für Garzweiler II zu machen, soll nun das Power-To-Gas-Verfahren zwischengeschaltet werden, das ja nach den Vorstellungen einiger Professoren das Speicherproblem lösen soll. Aufgrund der Energie- und Abregelverluste von 50% würde sich die Anzahl der Anlagen verdoppeln und der mittlere Abstand auf 1.600m verkürzen. Um Garzweiler II durch grundlastfähige Windkraftanlagen zu ersetzen, müsste man NRW mit einem Wald von rund 13000 Windrädern überziehen. Gleichgültig, wie man diese WKA in Flächen „konzentrieren“ würde, es gäbe in NRW keinen Ort mehr, der sich nicht in Sichtweite von Windrädern befände.
Bezüglich des Flächenverbrauchs unterscheiden sich Braunkohle und Windkraft also bei reiner Mengenbetrachtung um den Faktor 20. Wenn man die Qualität des Stroms berücksichtigt, beträgt der Faktor 40. Die folgende Abbildung skizziert die Dimensionen maßstabsgetreu.
Das Land NRW (grau dargestellt) hat eine Fläche von 34.100 km2. Die Fläche von Garzweiler II (gelb dargestellt) beträgt knapp 50 km2. Um die dort gewonnene Energie rein quantitativ zu ersetzen, muss zusätzliche Fläche im Umfang der orangen Fläche für Windkraft bereitgestellt werden. Um einen vollwertigen Ersatz für Garzweiler II zu schaffen, muss die gesamte farbige Fläche dicht an dicht mit Windkraftanlagen bebaut werden.
Tatsächlich dürfte man sich diese Anlagen, wie angedeutet, nicht mensch- und naturschonend konzentriert, sondern als das Land mit farbigen Fleckchen übersäend vorstellen. Nebenbei bemerkt, würde die Errichtung dieses fiktiven “Windparks Garzweiler” einen gigantischen Ressourcenverbrauch induzieren. Dieser sei mit
- 5,2 Millionen Tonnen Stahl für die Türme und Gondeln,
- 5,4 Millionen Tonnen Zement und
- 34,2 Millionen Tonnen Sand und Kies für die Fundamente sowie
- 23 Tausend Tonnen Kupfer für die Generatoren
grob taxiert.
Diese Werte ergeben sich aus einfacher Division der hier ausführlich hergeleiteten Zahlen. Anhand dieser Gigantomanie wird deutlich, wie recht der “Ökopionier” Friedrich Schmidt-Bleek hat, wenn er in diesem Zusammenhang “Grüne Lügen” anprangert und den Ressourcenverbrauch als das eigentlich relevante und durch die “Energiewende” verschärfte Umweltproblem ausmacht.
Wenn wir uns nun vom Beispiel Garzweiler bzw. dem fiktiven Windpark als dessen Ersatz lösen und uns die realen Flächenverbräuche anschauen, so finden wir diese Größenordnungen bestätigt. Nach Angaben der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau beträgt die gesamte, für die (Energie-)Rohstoffgewinnung beanspruchte Fläche 0,2 Prozent der Landesfläche:
Bei den Verfassern der hier zitierten Quelle handelt es sich um Interessenverbände. Es gibt allerdings für uns an dieser Stelle keinen Anlass, an den Angaben zu zweifeln.
Diese 0,2 Prozent der Fläche decken also sowohl die inländische Gewinnung von Kies, Schiefer und anderen nicht-energetischen Rohstoffen als auch die inländische Braun- und Steinkohlegewinnung ab. Damit erfolgt auf diesen 0,2 Prozent der Landesfläche die Bereitstellung von rund 25 Prozent unseres Primärenergiebedarfs und rund 45 Prozent unserer Stromerzeugung.
Dies muss man nun mit den Planungen zum Windkraftausbau vergleichen:
Demnach will das Land Hessen nach aktueller Beschlusslage 2 Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen bereitstellen. Dies wird den Bürgern als “wenig” verkauft; die hanebüchene Argumentation lautet, dass 98 Prozent der Landesfläche nicht beeinträchtigt seien. Auf diesen 2 Prozent der Landesfläche sollen im Falle Hessens dereinst 25 Prozent des Stroms aus Windkraft gewonnen werden. Gemessen an den o.g. bundesweiten Zahlen will man also mit dem zehnfachen Flächenverbrauch rund die Hälfte des Stroms erzeugen. Erneut sind wir also bei einem Flächenverbrauch, der um den Faktor 20 über dem derzeitigen Flächenverbrauch liegt.
Der Vergleich zwischen den 0,2 Prozent Fläche, die für Rohstoffgewinnung genutzt werden, und den 2 Prozent, die für Windkraftanlagen bereitgestellt werden, hinkt jedoch gewaltig:
Der optische Wirkradius von Braunkohletagebauen geht nur unwesentlich über das tatsächliche Abbaugebiet hinaus. Bereits wenige Kilometer neben der Abbruchkante ist die Idylle ungetrübt und die dort bestehende Fläche in ihrer Nutzbarkeit unbeeinträchtigt. Die Wirkradien von “Windparks” mit 200m hohen Anlagen erstrecken sich hingegen – je nach Topographie – über viele zig Kilometer hinaus. 2 Prozent der Landesfläche bedeutet beispielsweise für das mittelgebirgige Hessen, dass Windkraftanlagen praktisch flächendeckend ihre negativen Auswirkungen und Risiken für Lebensqualität und Gesundheit entfalten und landesweit die Hähne verstummen lassen.
II. Ausmaß der sozialen Verwerfung und Praxis der Entschädigung
In der Tat müssen aufgrund des Braunkohletagebaus regelmäßig Ortschaften aufgegeben und Dorfgemeinschaften umgesiedelt werden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schilderte dies exemplarisch anhand des Dorfes Immerath.
Zweifelsohne bringt dies für viele Menschen außergewöhnliche Härten und im Einzelfall auch leidvolle Schicksale mit sich. Der Verlust von Heimat und Erinnerungen lässt sich nur sehr bedingt materiell kompensieren.
Das von den Lobbyisten der Erneuerbaren Energien Branche gezeichnete Bild, wonach Tausende Menschen unvermittelt und unentschädigt vertrieben werden, entspricht jedoch keineswegs der Realität:
Erstens sind die Härten vergleichsweise vorhersehbar. Die Planung neuer Abbaugebiete erfolgt jahrzehntelang im Voraus. Niemand wird über Nacht enteignet und vertrieben. Vielmehr werden von langer Hand – staatlicherseits und unternehmensseitig – Vorkehrungen getroffen, die eine frühzeitige Information der Bevölkerung und sozialverträgliche Lösungen garantieren sollen. Das Beispiel der sächsischen Gemeinde Großgrimma stellt dabei den Idealverlauf dar. Die Dorfgemeinschaft konnte erhalten und die Lebenssituation für alle Beteiligten noch verbessert werden.
Zweitens gibt es eindeutige gesetzliche Entschädigungsregelungen, die oftmals eine materielle Verbesserung der Betroffenen mit sich bringen. Maßgeblich ist hier das Bundesbergrecht, das sowohl die Grundlagen der Enteignung regelt, als auch klare Maßgaben hinsichtlich der von den profitierenden Unternehmen zu leistenden Wiedergutmachung vorgibt. Oftmals gelingt es den Unternehmen, die Umsiedlung im Einvernehmen mit der Bevölkerung zu realisieren und Lösungen zu finden, mit denen die Beteiligten leben können. Das Unternehmen RWE ist uns aufgrund seiner unsäglichen VORWEG-GEHEN-Kampagne mindestens ebenso suspekt wie das Unternehmen E.On. Gleichwohl scheinen uns dessen Erklärungen zur Umsiedlungsproblematik lesenwert.
Hinzu kommt drittens, dass in den vom Braunkohletagebau geprägten Gegenden viele Menschen ihr Einkommen genau in diesem Bereich verdienen und daher Verständnis für die unternehmerischen Belange haben sowie eine von vornherein hohe Kompromissbereitschaft an den Tag legen. Der massive Protest gegen neue Abbau- und entsprechende Umsiedlungsvorhaben speist sich hingegen häufig aus Großstädtern und BUND-Anhängern, welche die entsprechenden Projekte eher aus grundsätzlichen ideologischen Motiven bekämpfen, als eine persönliche Betroffenheit geltend machen können.
Im Gegenzug demonstrieren Menschen aus den Tagebauregionen für den Erhalt dieser Energieerzeugungsform. Auf der Seite der Industriegewerkschaft IGBCE werden deren deklarierte Motive genannt: “Die Zukunft zu sichern, für sich selbst, die eigenen Kinder und für die Menschen in der Region – das hörte man von ihnen am häufigsten als Grund. Das zu erhalten und auszubauen, was Generationen von Bergleuten aufgebaut haben, eine bezahlbare Energiequelle für die Menschen und die Industrie zu sichern.”
So protestierten im brandenburgischen Jänschwalde am 25. März 2015 rund 4000 Arbeitnehmer aus der Braunkohleindustrie für den Erhalt (!) des Tagebaus in der Region Lausitz, den sie durch die Bundespolitik gefährdet sehen. In lokaler und regionaler Verantwortung stehende Politiker, Bürger, Arbeitnehmer und Gewerkschafter fürchten den “sozialen Blackout” der Region – nicht durch Fortführung, sondern durch Beendigung des Braunkohleabbaus. Den im TV Interviewten zufolge zwingt der politisch forcierte Stopp – nicht die Fortführung der Kohlegewinnung – die Menschen zum Wegziehen. Aus Sicht der Protestierenden stürzen Ökophantasten eine ganze Region in die Perspektivlosigkeit. “Auf dem Platz schwankt die Stimmung zwischen Wut, Hoffnungslosigkeit und Zukunftsangst”, berichtete der Sender RBB.
Im Sinne einer objektiven Gesamtschau können die sozialen Auswirkungen der Stromerzeugung aus Braunkohle keineswegs als ein für alle Betroffenen unheilbares Übel schrecklichen Ausmaßes dargestellt werden, wie es Lobbyisten der Erneuerbare Energien Branchen regelmäßig tun.
Wie praktisch jede Form der Energieerzeugung hat die Stromerzeugung aus Braunkohle völlig unbestritten ihre sozialen Schattenseiten. Der entscheidende Unterschied zwischen der Braunkohle und der Windkraft liegt jedoch im Umgang mit diesen Schattenseiten, sprich den Entschädigungsregelungen. Einen sehr guten Überblick zum gesamten Themenkomplex Enteignung und Entschädigung bietet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013.
Auf der einen Seite gibt es ein umfangreiches, transparentes und lang etabliertes gesetzliches Regelwerk sowie Unternehmen, die aufgrund ihrer inhärent profitablen Geschäftstätigkeit die Mittel haben, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen und sogar noch darüber hinauszugehen und pro-aktiv den sozialen Ausgleich zu suchen.
Auf der anderen Seite gibt es eine flächendeckende, kalte Enteignung der Landbevölkerung ohne jede gesetzliche Kompensationsregelung. Einen Eindruck vermittelt dieses Video einer Bürgerin aus Ostfriesland
Wir danken der BI Weitblick Ostfriesland für den Hinweis
sowie diese Auszüge von im Norddeutschen Rundfunk und im ZDF gesendeter Reportagen:
Symptomatisch für viele uns persönlich bekannte und noch viel mehr unbekannte Leidtragende ist die hier skizzierte Landflucht von Gerhard Meyer.
III. Ausmaß der ökologischen Schädigung und Praxis der Renaturierung
Was für die sozialen Schattenseiten gilt, trifft sinngemäß auch für die ökologischen Nachteile der Stromerzeugung aus Braunkohle zu.
Der Braunkohleabbau erfordert bzw. führt zur Absenkung des Grundwasserspiegels. Dort, wo vor dem Braunkohleabbau Kulturlandschaft oder gar ökologisch hochwertiger Wald war, werden Wald und Landschaft auf Jahrzehnte zerstört. Die Verstromung der Kohle führt zur Emission von Luftschadstoffen (i.W. Schwefeldioxid und Flugasche) sowie von Kohlenstoffdioxid, welches gemeinhin als Ursache des anthropogenen Klimawandels gilt.
Zur Eindämmung, Vermeidung und Kompensation dieser ökologischen Schädigungen gibt es vielfältige technische, planerische und politische Ansätze.
Das Problem der Luftverschmutzung kann in Deutschland aufgrund des erfolgreichen Zusammenspiels aus Regulierung und technologischem Fortschritt als weitestgehend gelöst betrachtet werden. Der durch SO2 verursachte “Saure Regen” gehört dank moderner Entschwefelungsanlagen seit Jahrzehnten der Vergangenheit an, Verschmutzungen der Atemluft werden durch Elektrofilter nahezu vollständig vermieden.
Während zu DDR-Zeiten der durch SO2-Emissionen verursachte typische Braunkohlegeruch und die damit verbundenen Gesundheits- und Umweltprobleme allgegenwärtig waren, so können Pflanzen, Menschen und Tiere mittlerweile selbst in unmittelbarer Nähe der Kraftwerke frei atmen. Die großen Schwaden, die üblicherweise aus Kühltürmen empordampfen und seitens einschlägig motivierter politischer Verkäufer von Windkraftanlagen gerne als Symbole des Schreckens instrumentalisiert werden, sind nichts anderes als harmloser Wasserdampf.
Den mit der Absenkung des Grundwasserspiegels verbundenen Problemen wird durch gesetzlich vorgeschriebene, von den Unternehmen bezahlte (!), Maßnahmen entgegengewirkt. Auf den Seiten des Diercke-Weltatlas ist dies anschaulich beschrieben:
Die Gewinnung von Braunkohle im Tieftagebau setzt voraus, dass eine Absenkung des Grundwassers bis unter die Tagebausohle erfolgt. Daher müssen im Umfeld des Tagebaus die oberhalb der Braunkohle gelegenen Grundwasserleiter entleert und die unterhalb der Flöze liegenden Schichten vom Wasserüberdruck entspannt werden. Dies erfolgt mit Galerien von Brunnen im Bereich des aktiven Tagebaufeldes. Durch den seit Mitte der 1950er-Jahre vollzogenen Übergang zur Großtechnologie mit wenigen, flächenhaft ausgedehnten Abteufungsarealen gehen sowohl Grundwasserabsenkung als auch Grundwasserentspannung deutlich über den engeren Tagebaubereich hinaus. Die tatsächliche räumliche Ausdehnung ist abhängig sowohl von Ausmaß und Dauer der Grundwasserentnahme als auch von den tektonischen (Verwerfungen, Schollenbildung) und stratigraphischen (Schichtung, Durchlässigkeit, Stockwerksgliederung) Strukturen des Untergrundes. Die durch Verwerfungen begrenzten Schollen führen im Wesentlichen ein hydrologisches Eigenleben; bereichsweise können aber durch “geologische Fenster” auch Einflüsse auf Nachbarschollen auftreten. Die Diskussion um die Folgen der Grundwasserabsenkung erreichte um die Mitte der 1970er-Jahre bei der Planung des Großtagebaus Hambach erstmals eine breitere Öffentlichkeit. Denn auch in erheblicher Entfernung von den Tagebauen sind die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen der Grundwasserabsenkung noch spürbar. Verbindliche Auflagen seitens des Gesetzgebers, in diesem Fall des Landes Nordrhein-Westfalen, geben inzwischen vor, dass der Braunkohlenabbau ökologisch vertretbar sein muss. So entstand in den 1980er-Jahren ein ökologisches Anforderungsprofil für den bestehenden Tagebau Garzweiler I, das vom Betreiber zu erfüllen ist. Eine der Anforderungen lautet, dass jährlich rund 55 Mio. Kubikmeter Wasser aus der Sümpfung zur Trockenhaltung des Tagebaus in verschiedene Bereiche der betroffenen Region geliefert werden müssen, um Beeinträchtigungen des Wasser- und Naturhaushaltes ausgleichen oder vermeiden zu können. Die Erfahrungen, die seit den 1980er-Jahren mit Maßnahmen wie diesen gemacht wurden, zeigen, dass die Ausweitung der Grundwasserabsenkung in sensiblen Gebieten vermieden werden kann. Für die Fortführung des Braunkohlenabbaus im Anschlusstagebau Garzweiler II, in dem 2006 der Betrieb aufgenommen wurde, mussten auch die Ausgleichsmaßnahmen fortgeführt und verstärkt werden. Von Jüchen aus führt derzeit ein rund 125 Kilometer langes Rohrleitungssystem zu verschiedenen Feuchtgebieten. Dieses Pipelinesystem wird parallel zur Ausweitung des Tagebaus Garzweiler nach Westen fortentwickelt. Mit einem intensiven Überwachungsprogramm (Monitoring) soll außerdem sichergestellt werden, dass insbesondere die Feuchtgebiete des internationalen Naturparks Maas-Schwalm-Nette vor Grundwasserabsenkungen verschont bleiben. |
Inwieweit diese Maßnahmen im Einzelfall und im Allgemeinen ausreichend sind, entzieht sich unserer Kenntnis.
Glaubt man der Interessenvertretung der Braunkohleunternehmen, so wird alles Mögliche getan, um die Herausforderungen zu meistern – und das erfolgreich. Die Sichtweise des Lobbyverbands der Braunkohle findet sich unter diesem Link.
Glaubt man dem BUND, so sind die Probleme unlösbar und die Akteure verantwortungslos. Die Sichtweise des eng mit der Windkraftindustrie verflochtenen “Naturschutz”-Verbandes findet sich unter diesem Link.
Ähnlich verhält es sich mit der Problematik der buchstäblich “weggebaggerten” Flächen – auch hier wird dem Thema mit klaren gesetzlichen Regelungen und langfristigen Planungen begegnet. Dazu schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie:
Braunkohlebergbau verändert die Landschaft nachhaltig; er ist immer mit gravierenden Eingriffen in den Lebensraum von Mensch und Tier und in die Natur allgemein verbunden. Im Rahmen landesplanerischer und bergrechtlicher Genehmigungsverfahren wird versucht, zwischen energiewirtschaftlichen, sozialen, technischen und umweltbezogenen Interessen einen Ausgleich herzustellen. Dabei wird der Öffentlichkeit – zum Beispiel den Bürgern, Fachbehörden, Umweltverbänden – die Möglichkeit zur Einflussnahme und Mitbestimmung eingeräumt. |
Einen plastischen Eindruck der Schwierigkeiten aber auch der Erfolge bei den Bemühungen um die Renaturierung von Berbaufolgelandschaften vermitteln die hier verlinkten Filme eines bundeseigenen Unternehmens.
Ob das Ergebnis dieser Bemühungen akzeptabel ist oder nicht, bleibt eine subjektive Einschätzung.
Objektive Tatsache ist jedoch, dass die flächenmäßige Relevanz dieses Problems – siehe Abschnitt I – vergleichsweise gering ist. Dazu schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie:
Seit Beginn der Abbautätigkeit hat der Braunkohlebergbau insgesamt rund 174.700 ha in Anspruch genommen, davon sind bereits ca. 69 % wieder rekultiviert. Rund 19 % der rekultivierten Flächen sind als landwirtschaftliche Flächen, ca. 30 % als forstwirtschaftliche Flächen und ca. 13 % als Wasserflächen hergestellt worden. |
Die Fläche der Bundesrepublik beträgt 357.168 km². Davon wurden bislang also überhaupt nur 0,048 Prozent in Anspruch genommen. Von dieser Fläche wurden mehr als 2/3 wieder rekultiviert oder renaturiert.
Glaubt man der Interessenvertretung der Braunkohleunternehmen, so werden die Flächen im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen und von den Unternehmen bezahlten, also im Strom bereits eingepreisten Maßnahmen, dabei häufig ökologisch aufgewertet. Entsprechende “Anekdoten” dazu findet man unter diesem und diesem Link.
Glaubt man dem BUND und damit den Sachwaltern der Windkraftindustrie, so entstehen trotz konzedierter “Fortschritte in der Rekultivierungstechnik” lediglich ökologisch minderwertige Kunstlandschaften, wie unter diesem Link zu lesen ist.
Auch hier wagen wir nicht den Versuch eines objektiven Urteils. Vielmehr laden wir dazu ein, subjektive Eindrücke der Realität in den “vom Braunkohleabbau gezeichneten” Gebieten zu machen. Beispielsweise im Feriengebiet Senftenberger See.
Zu den Kohlendioxidemissionen schließlich ist anzumerken, dass diese bei der Braunkohleverstromung in der Tat höher als bei anderen vergleichbaren (d.h. zur Deckung der Grundlast fähigen) Stromerzeugungsformen sind. Insbesondere die in dieser Hinsicht umweltfreundlichsten Gaskraftwerke werden allerdings durch den Windkraftausbau verdrängt. Braunkohle-Kraftwerke als “Klimakiller” oder “Dreckschleudern” zu bezeichnen, wie es die Windkraftlobby immer wieder tut, geht allerdings an der Realität vorbei.
Zum einen wird durch Inbetriebnahme neuer Kraftwerke und Abschaltung von Altanlagen die Effizienz der Stromerzeugung aus Braunkohle in Deutschland stetig erhöht; der in 2013 um rund ein Prozent auf etwa 162 Milliarden Kilowattstunden (Mrd. kWh) gestiegenen Stromerzeugung stand beispielsweise ein Rückgang des Kohlenverbrauchs in den deutschen Braunkohlekraftwerken um 1,5 Prozent gegenüber. Zum anderen gilt es bei der Abschätzung der “Klimagefahren” die Dimensionen zu berücksichtigen:
Deutschland trägt zu den globalen CO2-Emissionen ungefähr 2,5 % bei. Egal, was in Deutschland passiert, wird dieser Anteil bis 2030 auf deutlich unter 2% sinken. Deshalb, weil allein die Zuwächse in China und Indien unsere Gesamtemission deutlich übertreffen. Was in Deutschland an CO2 emittiert wird (Gesamtemissionen), entspricht der Menge, die in China alle 14 Monate neu hinzukommt. Wenn Deutschland morgen aufhörte zu existieren, wäre dies in der globalen CO2-Bilanz allein durch China nach einem guten Jahr vollständig ausgeglichen. Bereits aufgrund dieser Dimensionen ist ausgeschlossen, dass man von deutschem Boden aus einen Einfluss auf das Weltklima entfalten kann. Dem Klima ist es im Übrigen egal, ob ein CO2-Molekül aus dem Auspuff eines PKW, dem Kamin eines Kachelofens oder dem Schornstein eines Kraftwerks kommt. Der gesamte Energieverbrauch ist maßgeblich. Zu dessen Deckung tragen alle Braunkohlekraftwerke zusammen knapp 12 % bei. Es geht also größenordnungsmäßig um 12 % von 2,5 %, also 0,3 Prozent der globalen Emissionen, die durch deutsche Braunkohleverstromung entstehen.
Wer deswegen trotzdem einen Anlass sieht, die Klimagefährdung zu beschwören, muss zumindest die Existenz des Europäischen Emissionshandelssystems zur Kenntnis nehmen. Dieses legt die Gesamtemissionen für alle EU Staaten insgesamt verbindlich fest; alle potentiellen Emittenten der großen, energetisch relevanten Industriezweige müssen innerhalb dieses gedeckelten Kontingents Emissionsrechte (“Zertifikate”) erwerben. Energieerzeugungsunternehmen sind vollständig erfasst und müssen für jedes emittierte Gramm CO2 ein entsprechendes Zertifikat nachweisen. Diese Zertifikate werden an Börsen oder zwischen den Anlagenbetreibern frei gehandelt, wobei das Kontingent sukzessive verkleinert wird. Das System stellt im Prinzip sicher, dass das CO2 – Reduktionsziel eingehalten wird und Emissionen an den Stellen eingespart werden, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. Im Zweifel ist dies eher nicht in Deutschland der Fall, wo bereits sehr effiziente Anlagen im Einsatz sind. Einsparungen im deutschen Stromsektor führen dazu, dass im deutschen Stromsektor weniger Zertifikate benötigt werden, der Zertifikatepreis also sinkt. Damit wird es für Unternehmen in anderen Sektoren und Regionen weniger lukrativ, in Emissionsvermeidung zu investieren. Plakativ ausgedrückt: In osteuropäischen Kohlekraftwerken werden im Zweifel keine effizienteren Turbinen mehr eingebaut, da die Ersparnis bei den Zertifikaten die Investition nicht mehr rechtfertigt. Aber auch in anderen Industriezweigen innerhalb Deutschlands verändert ein reduzierter Zertifikatspreis das Investitionskalkül. Man kann es drehen, wie man will: Am Ende bestimmt allein das EU-weit festgelegte Kontingent an Zertifikaten, wieviel CO2 in Europa emittiert wird.
In der Gesamtschau ist, was die ökologischen Wirkungen der Braunkohleverstromung betrifft (ganz ähnlich wie bei den sozialen Auswirkungen), im Vergleich zur Windkraft ein fundamentaler Unterschied festzustellen.
Dieser fundamentale Unterschied ist politisch-institutioneller Natur:
Beim Braunkohleabbau haben Natur und Umwelt eine schlagkräftige, starke Lobby auf ihrer Seite. Ein Stück Wald ebenso wie eine dort beheimatete seltene Art kann sich der tatkräftigen bis militanten Unterstützung durch den BUND, Greenpeace oder andere, den Umweltschutz im Namen tragende NGOs, sicher sein.
Beim Windkraftausbau haben Natur und Umwelt dieselben Akteure allzu häufig gegen sich.
Beim Braunkohleabbau hat der faire Interessenausgleich eine Chance, da Profitinteressen und Naturschutzinteressen einander entgegenstehen. Weder NABU noch BUND profitieren finanziell an der Braunkohleverstromung oder sind ideologisch auf diese Art der Energiegewinnung festgelegt.
Genau das Umgekehrte gilt bei der Windkraft. Die Natur wird von ihren vermeintlichen “Anwälten” systematisch verraten.
Fazit:
Dieser Artikel soll keine Lanze für die Braunkohle brechen.
Dies ist die Aufgabe einschlägiger Lobbygruppen, beispielsweise des oben genannten Bundesverbandes der Braunkohleindustrie. Dafür, dass dieser Verband die Öffentlichkeit gezielt belügt, seine Klientel zu einer “harten Gangart” anregt und Projektierer im Ausschalten von Bürgerinitiativen schult, wie es uns vom Bundesverband Windenergie überliefert ist, haben wir allerdings keine Anhaltspunkte.
Der Artikel soll vielmehr zu einer unvoreingenommenen Sicht auf die Dinge ermuntern. Mit einer solchen Sicht liegt es unseres Erachtens auf der Hand, dass die Schattenseiten der Windkraft weniger stringent gesetzlich adressiert und noch weniger medial präsentiert und öffentlich wahrgenommen werden, als jene der Braunkohle.
Würden für den Ausbau von Windkraftanlagen die gleichen gesetzlichen Standards gelten, wie sie für den Betrieb von Braunkohletagebauen seit Jahr und Tag etabliert sind und praktiziert werden, so müssten wir uns um das Wohl von Mensch und Natur weitaus weniger Sorgen machen.
Würden für den Betrieb von Windkraftanlagen die gleichen marktwirtschaftlichen Randbedingungen gelten,
unter denen sich Braunkohle-Kraftwerke seit Gründung der Bundesrepublik erfolgreich behaupten, so würde es in Deutschland keine Windkraftanlagen und damit keinen Anlass für diesen Artikel geben.