Am 12. November 2019 berichten diverse Bild- und Printmedien davon, dass ein im Bundeswirtschaftsministerium erstellter Gesetzentwurf höhere Mindestabstände von Windkraftanlagen zu menschlichen Wohnstätten vorsieht. Viele Berichte und Kommentare folgen dabei in Duktus und Argumentation der Windkraftlobby und stellen diesen Aspekt des Gesetzentwurfs als großes Problem oder gar als Skandal dar: Der “im Felde unbesiegten” Energiewende würde dadurch hinterrücks die wichtigste Säule entzogen – so ungefähr der Tenor.
Über Dolchstoßlegenden der wildesten Art dürfen sich Leserinnen und Leser der Online-Portale der ZEIT und des ZDFs – je nach Wissensstand – wundern, amüsieren oder ärgern.
“Was sagt VERNUNFTKRAFT. dazu?” – wurden wir infolge dieser medialen Salven mehrfach gefragt.
Ungeachtet dessen, dass es sich bei dem Stein des Anstoßes bislang lediglich um einen Entwurf handelt und wir keine Lust verspüren, in die Kakophonie schriller Stimmen einzustimmen, möchten wir festhalten:
- Die Erhöhung der Mindestabstände von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung ist dringend geboten. Es geht darum, Gesundheit und Lebensqualität der vom Windkraftausbau betroffenen Menschen zu schützen. Wirksamer Gesundheitsschutz würde allerdings deutlich größere Abstände erfordern. Aus sehr guten medizinischen Gründen fordern wir die sogenannte 10H-Regel, die den stets größer werden Anlagen Rechnung trägt und als erste Annäherung an das medizinisch Gebotene gilt. Mehr dazu ist in unserem Fahrplan für Akzeptanz (S. 8f.) zu lesen. 1000m als Mindestmaß vorzugeben, ist aber wenigstens ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Wer keine Vorstellung vom Leben und Leiden in der Nähe von Windkraftanlagen hat, dem seien die Interviews der DSGS e.V. empfohlen.
- Sofern diese Maßnahme den Windkraftausbau in Deutschland verlangsamt, mag dies für die Branche und ihre Fürsprecher alarmierend sein. Für die Lebensqualität, für die Vitalität des Wirtschaftsstandorts, die Versorgungssicherheit und vor allem für die Natur in Deutschland – kindlich-poetisch: für jeden Baum, jede Biene, jeden Vogel und jede Fledermaus in diesem Land – wäre dies eine sehr gute Nachricht!
- Die politisch gesetzten, rein symbolischen, “Klimaziele” wären vermutlich schwieriger, aber gleichwohl erreichbar. Der tatsächliche – d.h. nicht politisch-ideologisch, sondern rational-ökologisch motivierte – Klimaschutz könnte indes enorm profitieren. Statt schlechte Witze zu verbreiten, könnte die Wirtschafts- und Energiepolitik effektive und effiziente Maßnahmen ergreifen.
Der vermeintliche “Todesstoß” für die Windenergie hat insofern das Zeug zum millionenfachen Lebensretter:
Ganze Arten könnten vor dem Aussterben und Lebensräume vor der Zerstörung bewahrt werden. Im Sinne des pro-aktiven Umweltschutzes dient die Maßnahme auch der Eindämmung des 70-Tausend-Tonnen-Problems.
Mehr dazu hier.
Ausgehend von diesen Feststellungen und im Sinne der nicht laut- aber vernunftstarken und wachsenden Mehrheit – ist den genannten Passagen des Gesetzentwurfs eine baldige und unbeschadete parlamentarische Geburt zu wünschen. Und – ohne uns in regierungsinterne Konflikte einmischen zu wollen – bleibt unsere Aufforderung zum zivilen/redlichen/vernünftigen Ungehorsam gültig. Den Natur- und Artenschutz zugunsten der Windkraftindustrie auszuhebeln, wäre eine moralische Bankrotterklärung.
Im Übrigen sind es weder Mindestabstände noch Minister, die der Windkraft den wirklichen “Todesstoß” versetzen: Es sind vielmehr die Gesetze der Physik und der Statistik, die das Scheitern der Windkraft erzwingen.