Im
JOURNAL OF NATURE CONSERVATION
wurde ein Artikel zur Veröffentlichung angenommen, der einen Meilenstein auf unserem Weg der Aufklärung über Landschaftszerstörung und die Bedrohung unserer Greifvögel, insbesondere des Rotmilans, durch den Verbau mit Windkraftanlagen darstellt.
So traurig diese Erhebung ist – sie stützt sich auf tödliche Kollisionsdaten von Rotmilanen mit Windkraftwerken – so wichtig ist es doch, die Tragweite dieser fatalen Befunde richtig einzuschätzen.
Windkraftanlagen sind eine potenzielle Gefahr für die Rotmilanpopulation Ostdeutschlands.
In ihrem Artikel ermitteln J. Bellebaum und Mitarbeiter erstmalig, dass nicht nur einzelne Individuen, sondern auch die Population von Rotmilanen durch Windkraftanlagen potenziell bedroht ist.
Die Studie fußt auf der Erhebung jährlicher Kollisionen von Rotmilanen mit Windkraftanlagen in Brandenburg von 2001 bis 2011. Die Autoren verwenden die PBR-Methode (potential biological removal), ein Rechenmodell zur Einschätzung der Dunkelziffer der Verluste.
Denn die Totfunde, die an den Sockeln von Windkraftanlagen und deren Umgebung gemacht werden, sind nur die Spitze des Eisbergs der Rotoropfer. In Brandenburg wurden laut zentraler Fundkartei der Staatl. Vogelschutzwarte bislang 25 Seeadler (26 in Schleswig-Holstein) und 53 Rotmilane an Windkraftanlagen erschlagen (Stand April 2013).
Jedoch lassen sich aus den Fundzahlen allein keine zuverlässigen Hochrechnungen über die Zahl jährlicher Verluste einzelner Arten ableiten. Dazu müssten fuchsdichte Zäune um das Windindustriegebiet gezogen werden. Das Areal sollte sehr großräumig gefasst sein, da Rotoropfer oft weit vom Sockel der Anlagen weggeschleudert werden. Die Suche sollte früh morgens, am besten noch vor Sonnenaufgang, mit Hunden durchgeführt werden, um Verluste z. B. durch jagende Kolkraben zu vermeiden.
Mit Hilfe der PBR-Methode ermittelten die Autoren eine Mortalitätsschwelle von 4% (bezogen auf migrierende Rotmilanpopulationen im Bereich von Windindustrieflächen Ostdeutschlands). Bei erwachsenen Greifvögeln kann eine zusätzliche anhaltende Mortalität von 3–5% zur Auslöschung der Art führen.
Die Autoren schließen daraus, dass die Zunahme von Windkraftwerken in Europa eine potenzielle Bedrohung für den Artbestand des Rotmilans darstellt. Dies gilt insbesondere für die über weite Strecken migrierenden Rotmilane aus Ostdeutschland (und sehr wahrscheinlich auch Norddeutschlands und Mitteleuropas, die Verfasserin), da sie sowohl in den Brut- als auch Überwinterungsgebieten (Südeuropa) auf Windenergieanlagen treffen. Die ostdeutsche Population zeichnet sich gegenüber der in Großbritannien vorkommenden Population durch eine geringere Wachstumsrate aus.
Der Rotmilan ist im Annex I der EU Wild Birds Directive (EEC/79/409) gelistet, welche die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die genannten Arten in besonderem Maße zu schützen, denn sie sind verantwortlich für den Bestand dieser majestätischen Greifvogelart in Europa. Über die Hälfte (ca. 60%) der weltweiten Rotmilanpopulation ist in Deutschland zu finden, das damit eine besondere Verantwortung trägt.