Am 10. Juli 2024 griffen einige Medien erneut die “Kraftwerksstrategie” des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz auf, von der zuletzt im Februar d.J. die (relativ kurze) Rede war.
Während das zuständige Ministerium Positivmeldungen von und zu Windkraftanlagen verbreitete,
geht es bei der Strategie vorwiegend um richtige Kraftwerke. Also solche, die jederzeit verlässlich und in erforderlichem Umfang – bedarfsgerecht – elektrische Energie bereitstellen und damit Versorgungssicherheit gewährleisten.
Dass es hier ein Problem gibt, bleibt interessierten Beobachtern auch bei großem Wohlwollen nicht verborgen, wie Berichte über das Treffen von Minister und ‑präsidentin zeigen:
Im Bericht von RTL West gibt es einen kurzen O‑Ton von uns dazu.
Etwas länger gesagt und bebildert:
In einer weniger unvernünftigen Grundkonstellation, sprich unter annähernd marktwirtschaftlichen Bedingungen, bräuchte es keine “Kraftwerkstrategie”. Jahrzehntelang hatte Deutschland eine im internationalen Vergleich besonders günstige, verlässliche und umweltfreundliche (⇒ vgl. Zieldreieck) Energieversorgung, ohne dass staatliche Stellen Strategien ausgebrütet und kleinteilige Zielvorgaben (⇒ Planwirtschaft) gemacht hätten. Auch Anforderungen der Treibhausgasminderung würden sich mit geringer Parameteränderung auf effiziente Weise erfüllen lassen. Erst die immer stärkere politische Flankierung und marktferne Privilegierung der “Erneuerbaren” hat Umstände geschaffen, die eine Kraftwerkstrategie erforderlich machen: Grundlastfähige Kraftwerke lassen sich kaum mehr rentabel betreiben, da sie immer nur als “Lückenbüßer” zum Einsatz kommen. Gleichwohl bleiben sie unverzichtbar. Daher muss nun der Staat explizit vorgeben, wieviel Kraftwerkskapazität vorzuhalten ist – und die erforderlichen Neubauten über immer neue Umlagen von den Bürgern bezahlen lassen. Insbesondere, wenn intakte Kapazitäten aus politischen/ideologischen Motiven heraus zu Ruinen deklariert werden (so geschehen im April 2023).
Die Problematik des “Erneuerbaren-Ausbaus” sei anhand der jüngsten Stromeinspeise- und Verbrauchsdaten illustriert: Der hellgrüne Hintergrund zeigt die installierte Erzeugungskapazität von Wind- und Solaranlagen von z.Z. 160 Gigawatt, in Blau ist die Einspeisung im Zeitverlauf (“Lastganglinie” auf Viertelstundenbasis) aller Windkraftanlagen, in Gelb jene der Wind- und Solaranlagen zu sehen. In Braun ist der tatsächliche Verbrauch abgetragen.
Tatsächlich decken Wind und Sonne (vor allem in dieser relativ sonnen- und windreichen Jahreszeit) an manchen Tagen hohe Anteile des Bedarfs. An anderen Tagen hingegen (4.,7.,18.,21.6.) lieferten sie alle zusammen praktisch nichts. Die Lücke musste dann von regelbaren Kraftwerken (ggf. im Ausland platziert) gedeckt werden.
Für 2030 ist geplant, die Windenergie an Land von z.Z. 71 auf 170 GW, die Solarenergie von z.Z. 89 auf 200 GW, die Offshore-Windenergie von z.Z. 8,7 auf 30 GW auszubauen. Bei denselben Wetterverhältnissen und demselben Verbrauchsmuster hätte sich dieses Einspeiseprofil ergeben:
An genau denselben Tagen und Stunden wäre die Lücke genau so groß gewesen. An anderen Tagen wäre weit über den Bedarf hinaus produziert worden – mit erheblichen Auswirkungen auf Netzstabilität und Kosten (⇒ vgl. Redispatchmaßnahmen, negative Preise).
Vor diesem unvernünftigen Hintergrund ist eine Kraftwerksstrategie dringend nötig. Nicht zuletzt, weil die Elektrifizierung in allen Anwendungsbereichen propagiert und gefördert wird, werden zuverlässige Kraftwerke immer wichtiger.
Was hierzu bisher bekannt ist, scheint uns zu spät, zu wenig und zu teuer.
Andere genießen “gute Aussichten”, die allerdings durch immer mehr Windkraftanlagen entstellt bzw. bundesweit immer mehr zur Seltenheit werden.
Immer weniger zur Seltenheit werden dagegen die Stunden, in denen die vielen Wind- und Solarkraftwerke über den Bedarf hinaus produzieren. Soweit, dass der von ihnen erzeugte Strom geschenkt noch zu teuer ist – sprich, er zu negativen Preisen entsorgt werden muss. Wobei die Entsorgungsgebühren auf die Stromrechnungen umgelegt und die Anlagenbetreiber ganz normal vergütet werden – die andere Seite der Medaille “nicht bedarfsgerecht”. Die auflagenstärkste Tageszeitung nahm sie ins Bild.
In für das Blatt typischer konfrontativer Verdichtung fordert ein Wissenschaftler, die Ökostrom-Förderung abzuschaffen und die Ausbaupläne zu reduzieren.
Die Ausbaubau-Pläne der Regierung für das Jahr 2030 mit einer Verdreifachung der Photovoltaik und einer Verdopplung der Windkraft an Land sind unbezahlbar und gefährden die Stromversorgungssicherheit.
Prof. Manuel Frondel, RWI
Eine Verbandsvertreterin und Grünen-Politikerin verweist dagegen auf selbst geschaffene (leicht zu lösende) Zwänge und proklamiert das Gegenteil:
Wir brauchen die aktuelle Dynamik, um die gesetzlich vorgegebenen Ausbauziele zu erreichen.
Kerstin Andreae, BdEW
Für die einen ist es ideologischer Unsinn – für die anderen das größte Luftschloss der Welt.
Mehr Daten und Analysen zur Stromerzeugung finden Sie in unserer gleichnamigen Rubrik .